Fürstenfeldbruck:Hochwasserschutz wird Pflicht

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In großen Bereichen von Gröbenzell, Eichenau und Puchheim kann künftig nur noch gebaut werden, wenn strenge wasserrechtliche Auflagen eingehalten werden. Hundertjährliche Höchststände bilden die Richtschnur

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Seit dem 11. Januar stehen die Häuser vieler Gröbenzeller, Olchinger, Eichenauer, Puchheimer in vorläufig gesicherten, neuen Überschwemmungsgebieten. Spätestens seit dem Juni-Hochwasser des Jahres 2013 war vielen der in der Nähe des Starzel,- Ascher- und Gröbenbaches lebenden Landkreisbewohner klar geworden, dass sie ein Hochwasserproblem haben. Damals fielen innerhalb von drei Tagen 130 Millimeter Regen, was 130 Liter Wasser pro Quadratmeter entspricht. Solche Niederschläge verwandeln Bäche, die normalerweise nur Rinnsale sind, innerhalb von wenigen Stunden in reißende Flüsse, die, wie 2013, große besiedelte Bereiche überfluteten.

Die Folgen des Hochwassers - Landrat Thomas Karmasin sprach damals von Sachschäden im unteren zweistelligen Millionenbereich - waren zwar ein Warnschuss, aber nicht der Auslöser für die Ausweisung der vorläufigen Überschwemmungsgebiete, die nach einer Schätzung des Zweiten Bürgermeisters Martin Runge (Grüne) allein in Gröbenzell fast jedes dritte Haus betreffen. Die Auswirkungen des Starzelbach-Hochwassers erreichten in Eichenau Dimensionen in einem bisher unbekannten Ausmaß - geflutet wurden erstmals Bereiche, in denen es noch nie Probleme gegeben hatte. Und sie waren vor allem deshalb so gravierend, weil im Münchner Westen Baugrundstücke begehrt und entsprechend teuer sind. Zudem ist der Siedlungsraum inzwischen extrem dicht bebaut worden.

Das renaturierte Ampermoos bei Grafrath wirkt wie ein Schwamm als Wasserspeicher, es ist nun wieder Fürstenfeldbrucks bester Hochwasserschutz. (Foto: Johannes Simon)

Seit drei Jahren konnte man also zumindest ahnen, was passieren kann. Das Wasserwirtschaftsamt München hat laut dem für den Landkreis bis Ende Januar zuständigen Abteilungsleiter Florian Hinz lediglich die europäische Hochwasser-Risikomanagement-Richtlinie umgesetzt und nicht etwa, was man vermuten könnte, die Konsequenzen aus dem verheerenden Juni-Hochwasserereignis vor drei Jahren gezogen. Nach dieser EU-Richtlinie müssen solche Bereiche als Überschwemmungsgebiet ausgewiesen werden, die von einem hundertjährlichen Hochwasser betroffen sein können. Als Jahrhunderthochwasser gilt ein statistisch gesehen alle hundert Jahre auftretendes Ereignis. Wobei ein solches Ereignis laut Hinz im nächsten Monat, in zehn Jahren oder im günstigeren Fall auch erst in zweihundert Jahren auftreten kann. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Wasserstand eines hundertjährlichen Hochwassers innerhalb von hundert Jahren erreicht oder überschritten wird, liegt bei 64 Prozent. Das Junihochwasser 2013 war deshalb so verheerend, weil damals zwei Faktoren zusammentrafen: ein ungewöhnlich hoher Stand des sowieso schon hohen Grundwassers im ehemaligen Moos und lang anhaltende Regenfälle.

Sind, wie nun für die drei Bäche geschehen, Überschwemmungsgebiet vorläufig gesichert, greifen dort bei allen Neubauten und bei der Aufstellung neuer Bebauungsplänen - Letzteres ist streng genommen eigentlich nicht mehr zulässig -, die restriktiven Auflagen des Hochwasserschutzes. Neben der üblichen Baugenehmigung ist in diesem Gebieten deshalb noch eine zusätzliche hochwasserrechtliche Genehmigung erforderlich, bei der geprüft wird, ob auch wirklich hochwasserangepasst gebaut wird. Wie auch die Baugenehmigung erteilt das Landratsamt die hochwasserrechtliche Genehmigung. Allerdings geschieht dies unter Berücksichtigung einer gutachterlichen Stellungnahme des Wasserwirtschaftsamts.

Dieses zusätzliche Verfahren dient nicht nur dem eigenen Schutz der Bauherrn und deren Eigentums, sondern auch dem seiner Nachbarn. Mit jedem weiteren Gebäude, das in einem solchen Überschwemmungsbereich entsteht, nimmt das Hochwasserrisiko zu, weil Retentionsflächen, auf denen sich die Flut bisher verteilen konnte, mit jedem zusätzlichen Haus, mit jeder Aufschüttung, mit jeder weiteren Mauer und sogar mit jedem gepflanzten Baum verschwinden. Zudem schwinden die Versickerungsmöglichkeiten. Es soll also vermieden werden, dass durch eine weitere Bebauung zusätzliche Gefahren geschaffen werden.

Älteren Siedlungshäusern in Gröbenzell oder auch in Eichenau ist anzusehen, dass man sich in den Zwanziger- und Dreißigerjahren dieses Risikos noch durchaus bewusst war. Alteingesessene kennen und kannten die Gefahr im Gegensatz zu Neubürgern ganz gut. Die älteren Häuser stehen deshalb meist auf einem Sockel etwas über dem Geländeniveau. Es gibt aber auch neuere Häuser, die eventuell auf Aufschüttungen etwas höher liegen und leicht angeböscht über dem Umfeld stehen. Beide Vorsichtsmaßnahmen setzen letztlich auch um, was unter hochwasserangepasstem Bauen zu verstehen ist. Mit dieser Art zu bauen war gewährleistet worden, dass das Erdgeschoss, also die Gebäudekante für den Wohnbereich, Eingänge und Öffnungen von Kellerfenstern, unter dem Spiegel des befürchteten Hochwassers lagen und kein Oberflächenwasser in das Gebäude eindringen konnte.

Nur wurde dieser Hochwasserspiegel inzwischen passgenau für jede Flurnummer und jedes Baugrundstück berechnet und auf Karten übertragen. Diese Daten dienten zur Bemessung der Überschwemmungsgebiete. Damit lassen sich nunmehr nicht nur die Gefahrenbereiche für jedes bebaute Grundstück genau eingrenzen, sondern es ist auch möglich, fast auf den Zentimeter genau die Höhe der berechneten Überschwemmung anzugeben. Wobei Hinz dazu rät, zum Bezugspunkt hundertjährliches Hochwasser noch einen Sicherheitspuffer von etwa fünfzehn Prozent zuzuschlagen. Zudem rät der Abteilungsleiter des Wasserwirtschaftsamts zur weiteren Risikovorsorge zum Abschluss einer Hochwasserversicherung. Dazu haben die Versicherer ein Zonierungssystem entwickelt mit vier Gefährdungsklassen. Hinz ist sich sicher, dass sich in den neuen Überschwemmungsgebieten im Landkreis fast alle Häuser versichern lassen. Häuser überschwemmungssicher zu errichten, ist nur ein Aspekt des hochwasserangepassten Bauens. Der zweite betrifft die Versiegelung von Flächen, für die künftig zwingend ein Ausgleich zu schaffen ist. Sei es auf dem eigenen Grund oder, wenn das nicht möglich ist, auf dafür zu schaffenden Flächen im Außenbereich. Auch das kostet Geld. Berücksichtigt werden müssen auch die Auswirkungen des Bauvorhabens auf den Wasserabfluss.

Da die neuen Vorschriften erst seit dem 11. Januar gelten, müssen die betroffenen Gemeinden erst noch Erfahrungen sammeln. Die Umsetzung kann durchaus zu kuriosen Situationen führen. Um zu verhindern, dass das hundertjährliche Hochwasser in eine Tiefgarage läuft, kann es sein, dass die Einfahrt mit einem kleinen Schutzwall gesichert werden muss. Dies hätte zur Folge, dass die Einfahrt länger würde. Schafft eine Kommunen größere Retentionsflächen und Polder, reduzieren sich in Abhängigkeit von deren Fassungsvermögen die Überschwemmungsgebiete. Solche Verfahren dauern lange und kosten viel Geld. Aber das kann sich lohnen, weil der Wasserstand in den Überschwemmungsgebieten oft nur mit wenigen Zentimetern angegeben wird.

© SZ vom 13.02.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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