Fürstenfeldbruck:Hilfe für Kobanê

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Der in Maisach lebende kurdische Autor Haydar Işik sammelt gemeinsam mit Vereinen und Verbänden Spenden. In der fast völlig zerstörten Stadt im Norden Syriens soll eine Berufsschule für Mädchen gebaut werden

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Für viele Schüler im Landkreis war der 31. Juli ein Feiertag. Es war der letzte Schultag vor den großen Ferien. Endlich Freizeit ohne Ende, Schluss mit Lernen. Im syrischen Kobanê gibt es keinen Grund zum Feiern. Die Terroristen des Islamischen Staats haben in der syrischen Stadt nahe der türkischen Grenze ein Schlachtfeld hinterlassen. Es fehlt an allen Ecken und Ende. 20 Schulen gab es einmal in Kobanê, heute liegen fast alle in Schutt und Asche. Der letzte Schultag liegt lange zurück. Bildung aber ist der Schlüssel für ein selbstbestimmtes Leben. Die Kinder in Kobanê würden gerne lernen, doch es fehlen die Möglichkeiten. Stattdessen steht der tägliche Überlebenskampf im Mittelpunkt. Haydar Işik will das ändern. Der kurdische Schriftsteller, der seit 40 Jahren in Maisach lebt, will im zerstörten Kobanê eine Berufsschule für Mädchen bauen. Haben Kinder in der syrischen Bürgerkriegsregion schon kaum Chancen auf Bildung, so gilt dies in arabischen Ländern für Mädchen in besonderem Maße.

Vor drei Monaten startete der 77-Jährige gemeinsam mit dem Maisacher Verein "Bewegungen zum Frieden hin", dem Bündnis "Fürstenfeldbruck ist bunt, nicht braun", den DGB- und GEW-Kreisverbänden sowie dem Sozialforum Amper eine Initiative, die von vielen politisch und sozial engagierten Bürgern aus dem Landkreis, wie Inge Ammon, Margot Simoneit oder Herbert Markus, unterstützt wird. Die Schirmherrschaft haben der Brucker Oberbürgermeister Klaus Pleil (BBV) und Maisachs Bürgermeister Hans Seidl (CSU) übernommen. Auch auf dem Fest der Kulturen Ende Juli war die Resonanz bereits groß. Mustefa Ebdi, Bürgermeister von Kobanê, setzt große Hoffnungen in Işiks Initiative und sicherte in einem Brief bereits seine volle Unterstützung zu. "Jeder Cent an Spendengeld" werde direkt ankommen, versichert Haydar Işik. Verwaltungskosten werde es nicht geben, eine Delegation soll das Geld in die syrische Stadt bringen.

Erst im März besuchte Işik, der vor 37 Jahren von der Türkei in Abwesenheit wegen angeblicher politischer Unbotmäßigkeit ausgebürgert worden war, eine Woche lang die von Arbeitslosigkeit und Armut gekennzeichnete Region im Grenzgebiet von Türkei, Irak und Syrien. Deren kurdische Bewohner streben nach Unabhängigkeit oder zumindest mehr Autonomie. In seinem ostanatolischen Heimatdorf traf er Jugendfreunde und Verwandte, stand erstmals am Grab seiner Eltern.

Die schwer bewaffneten Soldaten auf den Straßen bewiesen, wie explosiv die Lage im Dreiländereck ist. Nur ein paar Flugstunden von Deutschland entfernt scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Und doch ist die Lage jenseits der syrischen Grenze noch weit schlimmer. Das weiß Haydar Işik auch von seinem Freund Baker Shedo. Der 66-jährige Rechtsanwalt, der heute als Dolmetscher arbeitet, kam vor 14 Jahren von Kobanê nach München. Erst vor ein paar Tagen telefonierte er wieder mit seinem Onkel, der in einem kleinen Dorf vor den Toren Kobanês lebt. "Alles ist kaputt", sagt Shedo, 80 Prozent der Stadt sind zerstört, es gibt kein Wasser, keinen Strom, kaum Lebensmittel." Die Front mit dem IS ist zwar mittlerweile 50 Kilometer entfernt, dennoch höre man regelmäßig Bombeneinschläge. Seinen Onkel hätten die Terroristen mehrere Tage in den Kerker gesteckt und dessen Wohnung zerstört. Aber immerhin: Er lebt. Vor fünf Jahren war Baker Shedo das letzte Mal für zwei Wochen in seiner Heimatstadt, bevor 2011 der Bürgerkrieg in Syrien ausbrach. Damals herrschte eine fast noch idyllische Ruhe.

Heute aber hätten gerade die jungen Menschen kaum noch eine Zukunft, sagt Shedo. Weil er das nicht so hinnehmen will, unterstützt er die Initiative seines Landsmanns Işik. Viele Mädchen und Frauen hätten ihr Leben riskiert in den Kämpfen gegen die Terroristen, sagt der Maisacher. Eine Berufsschule für Mädchen soll ihnen das ermöglichen, was ihnen die fundamentalistischen Steinzeitkrieger versagen wollen: Bildung.

Spendenkonto: Eine-Welt-Zentrum Fürstenfeldbruck, Sparkasse Fürstenfeldbruck, Iban: DE 44 7005 3070 0031 6847 80, Bic: BYLADEM1FFB (Stichwort: Kobanê)

© SZ vom 18.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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