Fürstenfeldbruck:Heftige Reaktionen auf Flüchtlings-Demo

Lesezeit: 2 min

In den Facebook-Kommentaren zur Protestaktion äußern sich Rassisten, aber auch besonnene Leser

Von Ekaterina Kel, Fürstenfeldbruck

Die Demonstration am Mittwochmorgen, bei der Asylbewerber aus der Unterkunft am Fliegerhorst gegen Taschengeld-Streichungen und die Lebensbedingungen in der Sammelunterkunft protestierten, legte nicht nur für einige Zeit den Verkehr an der Hauptstraße lahm. Die Proteste wirbelten auch viele negative Emotionen auf. Lange nachdem die Flüchtlinge sich wieder zurückgezogen hatten, wurde im Netz, namentlich auf der Facebook-Seite der SZ Fürstenfeldbruck, ein heftiger Streit in den geposteten Kommentaren geführt. Viele von ihnen waren fremdenfeindlich und hetzerisch. Äußerungen wie "Ausweisen! Sofort!" waren noch die harmlosesten.

Die Nachricht von 200 demonstrierenden Asylbewerbern in Fürstenfeldbruck verbreitete sich weit über die Landkreis- und Bundesland-Grenzen hinaus. Bis Donnerstagabend wurde der Post der Brucker SZ von 106 877 Menschen gesehen, 1575 Mal geteilt, fast 500 Personen haben darauf reagiert und 512 Kommentare unter den Post geschrieben. Zum Vergleich: Normalerweise wird ein Post der Brucker SZ durchschnittlich etwa 600 bis 1000 Menschen gesehen und von etwa fünf Lesern geteilt. Die Streitkommentare erhielten beinahe sofort einen eindeutig als politisch rechts- bis rechtsextrem erkennbaren Ton. In den Kommentaren ließen die Facebook-User sich aus über die Hautfarbe, die tatsächlichen oder die mutmaßlichen Herkunftsländer der Demonstranten, über die angebliche Menge an Taschengeld und anderen Sozialleistungen, die Flüchtlinge in Deutschland bekämen. Oft wurden Gerüchte über bestimmte Zahlen oder über angebliche Geldtransfers laut, häufig wurden andere, rassistisch motivierte Gerüchte als Tatsachen verbreitet. An dieser Stelle musste der Fortlauf der Kommentierung von der Facebook-Seite der SZ Fürstenfeldbruck aktiv moderiert werden, denn aus der Sicht einer Tageszeitung ist die Verbreitung von Gerüchten, zumal von rassistisch motivierten, nicht zulässig, besonders auf der eigenen Facebook-Seite.

Gelöscht oder verdeckt wurden auch hetzerische, Menschen verachtende oder schlichtweg nationalistische Kommentare. Zum Teil wurde in manchen Posts vom "Reich" anstatt von der Bundesrepublik Deutschland gesprochen. Auch direkte Aufrufe zur Gewalt gegen Flüchtlinge wurden geäußert, die möglicherweise einen Straftatbestand darstellen, vielerorts ließ sich Volksverhetzung vermuten. Bis tief in die Nacht hinein und auch am nächsten Tag wurden neue Kommentare gepostet - nur zwischen vier und sieben Uhr morgens war es kurz still geworden.

Die Reaktionen der Facebook-Nutzer zeigen, wie verroht die Sprache im Netz ist und wie schnell dort die Stimmung in einen bösartigen Zustand kippen kann, in dem nur noch Beleidigungen von allen Beteiligten zu lesen sind.

Dazwischen gab es immer wieder Appelle von Usern, die auf sachlicher Ebene eine Diskussion führen wollten. Manche posteten Zitate aus dem Grundgesetz zur Versammlungsfreiheit, manche Artikel von der Bundeszentrale für politische Bildung über das Land Nigeria oder sie lieferten einfach besonnene Argumente. "Niemandem wird etwas weggenommen aber trotzdem wird gehasst", schreibt jemand aus Frankfurt am Main. Er sei froh, dass die Mehrheit der Deutschen anders denke, so der User.

© SZ vom 20.04.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: