Fürstenfeldbruck:Hausgemachte Plage

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Die Landwirte bestellen ihre Felder, die Wildsauen machen reiche Ernte: So sieht Guido Zingerl die Wildschweinplage. Karikatur: Guido Zingerl (Foto: N/A)

Ein Überangebot an Futter auf großen Maisanbauflächen, milde Winter, in denen weniger Tiere sterben und zu wenige Abschüsse fördern die Wildschweinpopulation. Die Landwirte klagen über die Sachschäden

Von Max Keldenich, Fürstenfeldbruck

Sie haben einen massigen Körperbau, ein kräftiges Gebiss, werden bis zu 200 Kilogramm schwer und tragen nicht umsonst die Bezeichnung "Schwarzwild". Wildschweine ernähren sich bei ihre Streifzügen durch den Landkreis vorwiegend von Mais und, wenn sie sich im Wald aufhalten, am liebsten von Bucheckern. Doch die meist friedlichen Tiere sind zur Plage geworden, weil sie nächstens ganze Äcker mit ihren Schnauzen durchwühlen und den Landwirten Sachschäden hinterlassen.

"Man kann wirklich von einer Plage sprechen. Die Tiere graben nach Maiskolben und verwandeln Äcker in Buckelpisten. Das verursacht an Landmaschinen Schäden und kostet uns Geld", beklagt Kreisbauernobmann Hans Drexl. Als größtes Problem wird die hohe Geburtenrate angesehen. Frischlinge, die sonst einen strengen Winter nicht überlebten, wachsen nun nach den milden Wintern munter auf und werden schon kurz nach der Geschlechtsreife schon wieder "beschlagen", wie es die Jäger ausdrücken. Hinzu kommt ein Überangebot an Futter durch große Maisanbauflächen und die Vergrößerung der Mischwälder. "Die Wildschweinpopulationen sind in den letzten Jahren gestiegen und auch die Zahl erlegter Wildschweine hat zugenommen", bestätigt Hans-Jürgen Gulder, Leiter des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten in Fürstenfeldbruck. Während im Jahr 2007 noch 87 Wildschweine abgeschossen wurden, waren es im letzten Jahr etwa 400 erlegte Tiere. "Vor vielen Jahren gab es noch nicht so viele Wildschweine im Landkreis. Man hat sie anfangs gefüttert und dadurch zur Vermehrung beigetragen. Jetzt sind die Wildschweine zum Problem geworden, und in der Tendenz wird es eher schlimmer", befürchtet Gulder.

Die Sachschäden können sich im Einzelfall auf mehrere Tausend Euro belaufen. Die Wildschweine graben auf der Suche nach Nahrung tiefe Löcher in die Äcker. Zudem übertragen sie Seuchen, die für Hausschweine besonders gefährlich sind. Doch die angestrebte Dezimierung der Wildschweinpopulationen ist auch für die Jäger keine leichte Aufgabe. "Die Tiere haben eine sehr feine Nase und können Menschen leicht aufspüren. Sie sind meist nur in der Nacht aktiv und durch ihr dunkles Fell schwer zu erkennen", sagt Kreisjagdberater Rainer Grüter. Das Schwarzwild versteckt sich meist in Maisfeldern und könne nur mit Hilfe von Hunden aufgespürt werden. Ein Jäger investiere bis zu 30 Stunden, um ein Wildschwein zu erlegen. "Viele Jäger sind berufstätig und können nicht jede Nacht auf die Jagd gehen", erklärt Grüter.

Die Jagdpächter sind verärgert, dass sie für die Beseitigung der Wildschäden aufkommen müssen. "Das betrifft eigentlich nur die Jäger. Wanderer oder Mountainbikefahrer zahlen auch nicht für die Nutzung der Wege", meint Grüter. Zwischen den Jägern und der Jagdgenossenschaft, also den Grundbesitzern, bestehen unterschiedliche Regelungen, die in Pachtverträgen festgeschrieben werden. Mitunter teilen sich beide Parteien die Kosten, was aber nicht immer der Fall sein muss, sodass auch die Jäger ein eigenes Interesse an der stärkeren Bejagung haben. Derzeit überlegt die Arbeitsgemeinschaft Jagdgenossenschaft, ob eine Wildschadenversicherung eingeführt werden soll. "Wir müssen das noch durchkalkulieren, ob das wirklich praktikabel ist", sagt der Vorsitzende der Jagdgenossenschaft, Ludwig Märkl. Unterdessen appelliert Kreisjagdberater Grüter daran, dass beide Parteien kooperieren sollen. "Die Jagdpächter sollten mit der Jagdgenossenschaft zusammenarbeiten. Wichtig ist, dass die Bauern als Grundbesitzer noch Bejagungsschneisen für die Bauern übrig lassen."

Beide Parteien treffen bereits Maßnahmen, um sich gegen die Wildschweinplage adäquat aufzustellen. Die Jäger greifen häufiger auf Nachtsichtgeräte zurück, um die Wildschweine besser erkennen zu können. Sie würden sich auch gerne mit Nachtzielgeräten ausrüsten, die im militärischen Bereich genutzt werden. Bisher lehnt der Jagdverband eine Einführung ab, wie Gerhard von Hößlin vom Bayerischen Landesverband weiß: "Dagegen spricht auch, dass es sehr anstrengend sein soll, über mehrere Stunden durch so ein Zielfernrohr zu schauen." Ohnehin ist die Bejagung von Schwarzwild kein lukratives Geschäft für die Jäger, denn pro Kilogramm Fleisch erhalten sie die geringe Summe von drei Euro. Darüber hinaus muss bis zu 50 Prozent des geschossenen Wildes entsorgt werden, weil die radioaktive Strahlenbelastung des Wildbrets einen Grenzwert von 600 Becquerel nicht überschreiten darf.

Zum Schutz ihrer Bestände setzen die Bauern im Starnberger Bereich chemische Vergrämungsmittel ein. Auch wurden bereits Beschallungsanlagen getestet, die aber für die Anwohner eine Lärmbelästigung darstellen können. Vereinzelt werden im südlichen Teil des Landkreises Fürstenfeldbruck Elektrozäune errichtet. Grüter bezweifelt den Effekt dieser Maßnahmen: "Langfristig ist das ohne große Wirkung." Eine Lösung des Problems sieht Grüter vor allem in einer revierübergreifenden Bejagung, welche die Effizienz steigern könne. "Wir werden auf jeden Fall noch mehr auf die Jagd gehen", verspricht Gerhard von Hößlin.

© SZ vom 12.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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