Der Oktober neigt sich dem Ende zu, Regen trommelt gegen die Scheiben. Kerzen werden entzündet, Teewasser aufgesetzt, die Kuscheldecke wieder aus dem Schrank geholt. Und im Alten Schlachthof in Fürstenfeldbruck strahlen die Bühnenscheinwerfer in den Reggaefarben rot, gelb und grün, um die Sommermusik schlechthin zu zelebrieren. Mit Reggae und Dubmusik will der Veranstalter, der Verein Subkultur, die Besucher den Herbst vergessen lassen.
Während die ersten Gäste in noch nassen Mänteln vor der Bühne warten, bereiten sich die Mitglieder der Band Judi, die den Abend einleiten sollen, auf ihren Auftritt vor. "Eigentlich lässt sich gar nicht wirklich von Bandmitgliedern sprechen. Judi, das bin ich zusammen mit den Freunden, die gerade Zeit haben," erklärt der Bandbegründer Dirk Wonhöfer, der auch die Songs der Gruppe schreibt. Vor zwei Jahren hat er angefangen, Texte "über das Leben, die Liebe und den ganzen Rest" zu schreiben, davor hat er zehn Jahre lang Cover-Songs gespielt.
Heute steht er mit seiner Gitarre, Backgroundsängerin und barfüßigem Violinspieler auf der Bühne. Die Texte von Judi sind selbst- und gesellschaftskritisch, viele Stücke klingen eher nach Singer-Songwriter als nach Reggae. Derweil füllt sich der Alte Schlachthof, die Stimmung an der Bar steigt. Die Menschen bekommen Lust zu tanzen.
Karl Maria Beneman, Hauptact des Abends, gibt ihnen die Möglichkeit dazu. Auf einem weißen Tisch mit abblätternder Farbe platziert er zunächst Gerätschaften inklusive Kabelsalat, mit deren Hilfe er mitreißende Reggae- und Dub-Beats auflegt, manches klingt auch nach Elektro und House. Der Maisacher liefert eine extravagante One-Man-Show. Er gibt jedoch nicht nur den DJ, sondern singt und rappt auch selbst. Viele seiner Texte behandeln gesellschaftliche Missstände und alltägliche Trivialitäten, häufig sind sie improvisiert. Mehrere Beats bereichert er durch ein Melodica-Solo und beweist damit, dass er sich nicht scheut, auch musikalisch neue Wege zu gehen.
Seit zehn Jahren tourt Karl Maria Beneman mit verschiedenen Projekten und Formationen durch die Club- und Konzertlandschaft des deutschsprachigen Raumes - ob als Frontmann der Irie Invaders, als Rapper bei Soljarity Intl. oder als Solokünstler wie im Alten Schlachthof. Obwohl das Publikum von ihm noch mehr hören möchte, muss Beneman seinen Auftritt nach der zweiten Zugabe beenden. Ein Überraschungsact hat sich angekündigt, die beiden stellen sich als Felix und Valentina vor. Er spielt Guitalele, sie singt, er kommt aus Landshut, sie von hier, die beiden kennen sich, als sie ihren Auftritt beginnen, seit zehn Minuten. Nun starten sie nach einem kurzen Soundcheck eine Jam-Session vor versammelter Mannschaft. Im Schlachthof geht so was. Ihre Jazz-Stimme passt erstaunlich gut zum Klang der Guitalele, einem Instrument, so groß wie eine Ukulele, aber mit sechs Saiten und der Stimmung der Gitarre. Mit reinen Improvisationen und Songs, die Valentina singen und Felix spielen kann, begeistern die beiden das Publikum.
Nachdem Felix und Valentina sich unter Gejohle und Applaus verbeugt haben, übernimmt DJ Jah Stickenberg und rundet mit "dubplates, roots & steppers" den Abend vom Mischpult aus ab.
Zu ganz später Stunde, zwischen wummerndem Bässen und lachenden Menschen, zwischen eleganten und ungeschickten Tanzschritten, mitten im aufgeheizten Saal, könnte man im Alten Schlachthof tatsächlich vergessen, dass es Oktober ist. Man könnte vergessen, dass die Zeit der Gartenparties und Nachmittage am See für dieses Jahr vorbei ist und sich einreden, dass nächsten Freitag der Sommerurlaub beginnt. Dann würde man sich zwar wundern, sobald man vor die Tür in den Regen tritt. Aber zumindest würde man der nassen Nacht mit einem Lächeln begegnen.