Fürstenfeldbruck:Große Schuhe

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Wie die CSU versucht, innerhalb von einem Jahr zwei Erbhöfe nachzubesetzen - Beobachtungen im Wahlkampf

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Es sind große Schuhe. Im übertragenen Sinne. Immerhin war Reinhold Bocklet 24 Jahre lang Landtagsabgeordneter und auch nicht irgendwer. Am Ende aber entschied der mittlerweile 75 Jahre alte erste Landtagsvizepräsident und ehemalige Minister, weder als Direktkandidat im Fürstenfeldbrucker Stimmkreis Ost noch über die Liste erneut zu kandidieren. Benjamin Miskowitsch soll ihn beerben. Ein 34-jähriger Neuling für einen CSU-Erbhof. Und das bei Prognosen, die die ehemalige 50-Prozent-Partei bei gerade mal 35 Prozent verorten.

"Es ist mir eine Ehre, in deine Fußstapfen zu treten", schreibt Miskowitsch in einem Facebook-Post zu Bocklets 75. Geburtstag im April. Miskowitsch war wohl nicht Bocklets persönlicher Favorit für seine Nachfolge. Manche sagen, Bocklet hätte es lieber gesehen, wenn sich in der Stichwahl Anfang Februar der Germeringer Rechtsanwalt Oliver Simon durchgesetzt hätte. Doch Miskowitsch sicherte sich den Zuschlag knapp mit 66:60 Stimmen. "Es ist der Mehrheitswille der Delegierten", sagte Bocklet damals zur SZ, und dass seine Präferenzen das "Geheimnis der Wahlurne" bleiben würden.

Doch Bocklet ist Profi genug, dem gewählten Bewerber seine ganze Unterstützung zukommen zu lassen. "Ein Kandidat aus der Mitte unserer Gesellschaft", schreibt Bocklet in einer Art Grußbotschaft auf Miskowitschs Wahlkampfflyer. Dieses Vorbild vor Augen, suche er als "Vertreter der jungen Generation" seinen eigenen Weg, kündigt Miskowitsch an. Bei Bocklet bedankt er sich ganz artig, als er im Sommer im vollen Maisacher Festzelt nach der Rede des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder noch ans Mikrofon darf.

Sie bemühen sich bei der CSU, zusammenzuhalten in diesen Tagen. Immerhin sind die Umfrageergebnisse vor der Landtagswahl so schlecht wie nie. Ausgerechnet jetzt müssen sie auch noch auf ein bewährtes Zugpferd wie Bocklet verzichten. Die Prognosen nehme man schon ernst, sagt Miskowitsch, "aber abgerechnet wird zum Schluss". Zwischendurch übt man sich in guter Laune. Zusammen mit Markus Söder zum Beispiel. Ein kurzer Videozusammenschnitt zeigt den Kandidaten Miskowitsch neben Söder beim Bierzelteinzug, im Gespräch am Tisch und beim Zuprosten. Später singen sie Seite an Seite Bayern- und Deutschlandhymne. "Wie du das geschafft hast, neben dem Markus zu sitzen. Eine Fotomontage?", witzelt einer auf Facebook, und Miskowitsch witzelt zurück mit einem Zwinker-Emoji.

Die sozialen Medien sind ein nicht mehr wegzudenkender Bestandteil von Selbstvermarktung und Wahlkampf. Partei- und andere Freunde liken einander, was das Zeug hält. Bilder mit Söder, mit den Ministerinnen Kaniber und Aigner, mit dem vielleicht nächsten EU-Kommissionspräsidenten Manfred Weber - und Benjamin Miskowitsch immer lachend daneben. Als CSU-Kandidat hat er den Vorteil, mehr politische Schwergewichte als Wahlkampfhelfer aufbieten zu können als die Konkurrenz. Sie sollen ein wenig Glanz abstrahlen auf die lokalen Kandidaten. Einer wie Weber liegt Miskowitsch besonders, man ist bereits beim "Du". Weber kommt ohne CSU-übliche Stammtischsprüche aus, was Miskowitsch schätzt, denn auch er selbst sei keiner, der auf solche Rhetorik setzt.

Miskowitsch ist überall. Sitzt in der Prominentenkutsche beim Willibaldsritt, kommt zur Ortszentrumseinweihung nach Maisach, zum Kreissingen, zum Fachtag Demenz und zum Aktionstag der Feuerwehr. Wahrscheinlich hätte der Mammendorfer all die Veranstaltungen auch besucht, wenn er nicht gerade Wahlkämpfer wäre. Auch seinen Sommerurlaub ordnete der Geschäftsstellenleiter des Kreisboten-Verlags dem Wahlkampf unter. Er sagt: "Ich bin einer, der unter die Leute mag." Trotz seines landespolitischen Novizentums und seiner erst 34 Jahre wirkt er wie ein alter Bekannter. Das liegt vermutlich daran, dass er schon früh zum Kommunalpolitiker wurde in Gemeinderat und Kreistag, in vielen Vereinen mittat und das bis heute tut, sich gerne in der Öffentlichkeit bewegt und ein Gespür für Vermarktung hat. Aber hat er auch das Zeug zu Höherem? Markus Söder ruft ihm in Maisach von der Bühne herab zu, er sei "einer mit Mut. Einer, der sich ums normale Leben kümmert und auch praktisch anpacken kann". Er sei ausdrücklich da, um ihn zu unterstützen.

Auch für Katrin Staffler hatte sich Söder im Vorjahr im Bundestagswahlkampf engagiert, war nach Mammendorf gekommen zu einem Frühstücksgespräch vor Publikum, das Miskowitsch damals moderierte. Staffler, 36, hatte es im Vorjahr ebenfalls als Neuling nach Berlin geschafft. Auch sie hatte schweres Erbe zu tragen als Nachfolgerin von Gerda Hasselfeldt, die drei Jahrzehnte im Bundestag saß, Ministerin, CSU-Landesgruppenchefin und eine respektierte Persönlichkeit war. 2009 und 2013 war Staffler noch Listenkandidatin gewesen, und trotz schlechter Ergebnisse für die CSU klappte es 2017 mit dem Direktmandat. Diskret hatte Hasselfeldt der jungen Staffler in den Sattel geholfen. Staffler musste sich intern gegen drei - männliche - Mitbewerber durchsetzen.

Ihr Parteikollege Benjamin Miskowitsch gibt derweil des öfteren den Moderator, wie beim Besuch von Ministerin Ilse Aigner in Germering. Miskowitsch leitet das Politgespräch, bemüht sich um Originalität und Witz. Tags darauf moderiert er zusammen mit dem Landtagsabgeordneten und ehemaligen BR-Journalisten Alex Dorow den Herbstempfang der Oberbayern-CSU in der Brucker Marthabräuhalle. Als Kandidat, sagt er der SZ, müsse man nicht unbedingt nur Antworten geben. Man könne seine Ideen auch als Fragen weitergeben. Mit inhaltlichen Schwerpunkten ist er bislang weniger in die Öffentlichkeit getreten. An dem Abend im Februar, als ihn die Delegierten zu ihrem Landtagskandidaten bestimmten, hatte er in seiner fünfminütigen Vorstellungsrede sogar darauf verzichtet, politische Ziele aufzuzählen, die Anwesenden sollten ihn "als Person kennen lernen". "Er ist halt ein Strahlemann - und Schwiegermutters Liebling", sagte damals der Olchinger Stadtrat Andreas Hörl, einer der unterlegenen internen Mitbewerber. Miskowitsch ist einer aus dem Volk, für das Volk. Vielleicht auch einer, wie ihn das Volk in der Politik derzeit vermisst.

Auf einen prominenten Namen zu folgen, habe zwei Seiten, sagt Katrin Staffler: "Es kann ein politischer Türöffner sein." Mehrmals sei es ihr in Berlin passiert, dass man sie als "die neue Hasselfeldt" angesprochen habe. Andererseits seien die Erwartungen an die Nachfolge entsprechend groß. "Man spürt schon stark die Verantwortung, gerade am Anfang."

© SZ vom 29.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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