Fürstenfeldbruck/Gröbenzell:Neue Moralvorstellungen

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Verband der Diözesen liberalisiert sein Arbeitsrecht. Dekan Albert Bauernfeind und Kommunalpolitiker begrüßen das

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck/Gröbenzell

"Die Kirche muss den Druck spüren, dann bewegt sie sich." Mit diesen Worten hat Markus Rainer, Sprecher der Gemeinderatsfraktion der Grünen in Gröbenzell, auf die Ankündigung der katholischen Kirche reagiert, Schwulen und Lesben mit einer eingetragenen Lebenspartnerschaft sowie wiederverheirateten Geschiedenen nicht mehr zu kündigen. Rainer sprach von einem Etappensieg. Der Grüne hatte im vergangenen Jahr im Gemeinderat von Gröbenzell beantragt, die Gewährung gemeindlicher Zuschüsse an kirchliche Kindertagesstätten an die Bedingung zu knüpfen, dass sich deren Träger an die Vorgaben des Antidiskriminierungsgesetzes halten und nicht länger auf ihr Kirchenprivileg pochen. Dieser Vorstoß fand Zustimmung, er stieß aber auch auf Entrüstung und Unverständnis.

Wie Rainer begrüßte am Mittwoch auch der katholischen Dekan von Fürstenfeldbruck, Pfarrer Albert Bauernfeind, die angekündigte Liberalisierung des kirchlichen Arbeitsrechts. "Die katholische Kirche ist möglicherweise dabei, sich nicht mehr in das Intimleben von Menschen einzumischen", sagte der Seelsorger verhalten optimistisch. Das sei auch ein Abschied von gewissen fundamentalistischen Vorstellungen. Bauernfeind erinnerte daran, dass Geistliche oft gezwungen sind, sich wie auf einer Rasierklinge zu bewegen. So könne ein Pfarrer, der mit seiner Haushälterin im Konkubinat lebt, in der Regel weiterarbeiten, so lange das niemanden interessiere. Erst wenn das Verhältnis öffentlich gemacht und legalisiert werden soll, ändere sich das. Dann sei der Fall dem Personalreferenten nicht mehr egal und der Geistliche "fliegt aus der Kirche raus". Was für den Betroffenen weitere gravierende Folgen nach sich zieht, beispielsweise den Verlust seiner Pension. Der Dekan verbindet mit dem Beschluss des Verbandes der Diözesen Deutschlands zur Lockerung des Arbeitsrechts die Hoffnung, dass die katholischen Kirche nun etwas vorankommt.

Laut Bauernfeind ist bei der Einstellung von Mitarbeitern kirchlicher Einrichtungen an der Basis schon seit einige Zeit die Meinung vertreten worden, dass die persönliche sexuelle Orientierung oder eine erneute Heirat nach einer Scheidung kein Grund mehr sein darf, einen Bewerber nicht einzustellen. Bei Dekanatskonferenzen sei dieses Thema wiederholt diskutiert worden. Insofern hätten sich die Kirchenoberen auch dem Druck der Basis und dem leer gefegten Markt bei Erziehern gebeugt.

Obwohl Rainers Antrag in Gröbenzell letztlich nicht umgesetzt wurde - die Kommunalaufsicht des Landratsamts hielt einen entsprechenden Gemeinderatsbeschluss für rechtswidrig -, sondern versandete, ist daraus eine breitere Bewegung entstanden. Eine Reihe anderer Kommunen folgten dem Gröbenzeller Beispiel, darunter auch der Fürstenfeldbrucker Stadtrat Axel Lämmle (SPD). In Fürstenfeldbruck wird Lämmles Antrag jedoch noch geprüft, die Gewährung von freiwilligen Zuschüssen an die Träger von Einrichtungen mit der Einhaltung des Antidiskriminierungsgesetzes zu verknüpfen. Lämmle geht es wie Rainer ums Prinzip. Werden Grundrechte mit Füßen getreten, müsse ein Kommune ein Zeichen setzen, argumentiert der Brucker Stadtrat. Da sich Vertreter der katholischen Kirche darauf besonnen haben, ihr Arbeitsrecht zu ändern, sollte es nun kein Problem mehr sein, solche Vorgaben in die Zuschussvereinbarungen mit Kommunen reinzuschreiben, meint Lämmle.

Markus Rainer sprach von einer guten Nachricht für alle Beschäftigten der Kirche. Trotzdem will der Grüne an dem Thema dranzubleiben. Zum einen sei genau zu prüfen, was konkret beschlossen wurde. Zum anderen seien ja weiterhin Ausnahmen vorgesehen, in denen wiederverheirateten Geschiedenen sowie Schwulen und Lesben gekündigt werden könne. So etwas sei gesellschaftlich nicht mehr tragbar. Laut Rainer wirkt seine Initiative in Gröbenzell positiv nach. Als Beispiel nennt er eine neue Gesprächsrunde, bei der sich Vertreter der Kirchen mit Gemeinderäten und Kommunalpolitiker zum Gedankenaustausch treffen.

© SZ vom 07.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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