Fürstenfeldbruck:Griff zu den Sternen

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33 Sänger, davon elf Männerstimmen, erfüllen die Räume der Klosterkirche mit wunderbaren Tönen. (Foto: Johannes Simon)

Viel Beifall für den Knabenchor "capella vocalis" in der Klosterkirche

Von Klaus Mohr, Fürstenfeldbruck

Knabenchöre haben es heutzutage nicht leicht: Eine immer früher einsetzender Stimmbruch verkürzt die Zeit, in der die Buben als Sopran oder Alt mitsingen können, schulische Rahmenbedingungen engen die Probenmöglichkeiten ein, und nicht zuletzt scheint das gängige Repertoire immer weiter von der Erfahrungswelt der Buben entfernt zu sein. Die Tatsache, dass der Knabenchor "capella vocalis" aus Reutlingen am Sonntag mit 33 Sängern, davon elf Männerstimmen, in der Klosterkirche zu hören war, ist von daher nichts Alltägliches. Zwar verfügt dieser 1992 gegründete Chor nicht über eine Jahrhunderte alte Tradition wie andere Ensembles, doch spielt das für die konkrete Arbeit keine wesentliche Rolle. Seit 2012 steht Christian J. Bonath dem Chor als künstlerischer Leiter vor. Der Auftritt am Sonntag bewies, dass er sowohl über hohe Ansprüche an die künstlerische Qualität als auch über Strategien verfügt, diese klangvoll umzusetzen. Ergänzt wurde das Chorprogramm unter dem Titel "Zwischen Himmel und Erde" mit Werken vom Barock bis ins 20. Jahrhundert durch zwei Sätze aus einem Orgelkonzert von Franz Xaver Brixi sowie Textbeiträgen von Ellen B. Knerr. Christoph Hauser unterstützte den Chor von einer Orgel aus und war an der Fux-Orgel der Solist im Orgelkonzert.

Das italienische Prozessionslied "Alta Trinità beata" aus dem 15. Jahrhundert bildete den Rahmen dieses Konzert, denn singend zog der Chor damit ein und am Schluss auch wieder aus. "Himmel und Erde vergehen" lautete der Text des ersten Chorsatzes von Andreas Hammerschmidt. In deutlicher Deklamation wurden die einzelnen Textzeilen oft von unterschiedlichen Chorstimmen vorgetragen und waren eng ineinander verzahnt. Anspruchsvolle chromatische Gänge gelangen auf der Basis eines engen Blickkontakts zwischen Sängern und Dirigent, obwohl die Buben nicht auswendig, sondern nach Noten sangen.

Zwei doppelchörige Motetten von Johann Sebastian Bach stießen nicht nur bis an die Leistungsgrenze des Chores vor, sondern lagen sogar etwas darüber. Den Anforderungen, die auch im Detail gut vorbereitet waren, begegnete der Dirigent mit einerspannungsgeladenen Zeichengebung, die oft durch den wie eine Pistole auf die Buben gerichteten Zeigefinger fokussiert war. Es blieb allerdings unklar, ob sich dadurch die Präzision des Vortrags erhöhen ließ.

Die Höhepunkte des geistlichen Programms lagen in drei Sätzen von Felix Mendelssohn Bartholdy. Hier zeigte sich, welch homogener Chorklang durch intensive Stimmbildung zu erreichen ist. Im Kontrast zwischen sehr guten Solisten und der Gruppe entspann sich ein runder, weicher und von der Linie her geprägter Gesamtklang, der wunderbar den Raum erfüllte. Dazu trug auch bei, dass der Dirigent hier eine Art zu dirigieren fand, die den Gesang samtweich wie auf Händen trug.

Unter Begleitung eines Streichquartetts erklangen zwei Sätze eines Orgelkonzerts von Franz Xaver Brixi von der Orgelempore herab. Die warmen Klangfarben der Orgel verschmolzen schön mit dem Streicherklang, und je nach Registrierung konnte der Hörer den Klang bei den solistischen Abschnitten stärker getrennt nach den beiden Ebenen oder als Einheit wahrnehmen. Der lichte Gestus dieses Werks passte stilistisch besonders gut zu diesem Kirchenraum und symbolisierte akustisch in gewisser Weise den "Himmel". Die Zwischentexte, die von Ellen B. Knerr stammten und auch von ihr vorgetragen wurden, wirkten eher wie Fremdkörper in der Programmkonzeption, abgesehen davon, dass die Klosterkirche eine gut artikulierte Deklamation erfordert, die kaum gegeben war. Am Ende gab es zu Recht viel Beifall für die Sängerschar der capella vocalis, der sicher noch mehr Zuhörer gelauscht hätten, wenn das Wetter nicht so regnerisch gewesen wäre.

© SZ vom 22.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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