Abfall:Gretchenfrage an der Kaffeebar

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Auch in der Fürstenfeldbrucker Berufsschule werden seit einigen Monaten die Mehrwegbecher ausgegeben. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Im Juli hat die Stadt ein Pfandsystem eingeführt und den wiederverwendbaren "Brucker Becher" an viele Cafés ausgegeben. Die Bio-Alternative zum Plastik-Einwegbecher wird aber nur zögerlich angenommen

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Es ist Zeit für eine erste Bilanz. Denn was für Bürgermeister oder Landräte gilt - warum sollte das nicht auch für den Brucker Becher gelten? Nach hundert Tagen wird auch er auf den Prüfstand gestellt. Hat er sich im Alltag bewährt? Genau genommen ist es bereits 122 Tage her, seit in der Kreisstadt ein Pfandsystem eingeführt wurde. Hört man sich in den Cafés um, offenbaren sich einige Anlaufschwächen, aber auch überraschende Erkenntnisse. Der Brucker Becher hat offenbar bereits Müll vermieden. So richtig ins Herz geschlossen haben ihn viele Brucker aber noch nicht.

Der aus biologisch abbaubarem Baumsaft hergestellte Mehrwegbecher mit Kunststoffdeckel und "FFB-to-go"-Schriftzug fasst 0,4 Liter Heißgetränke. Die Stadt schaffte zunächst 3000 Exemplare an und gab sie an 18 und damit dem Großteil der Brucker Cafés aus. Diese geben sie gegen zwei Euro Pfand an Kunden weiter. Die meisten Cafés gewähren einen Rabatt, wenn Kunden sich gegen die Alternative des Plastik-Einwegbechers entscheiden. Die Stadt sowie Bund Naturschutz und Gewerbeverband knüpfen an das System, das sich am Bambus-Becher des Viscardi-Gymnasiums orientiert, die Hoffnung auf Müllvermeidung.

Ist die Rechnung aufgegangen? Glaubt man Andreas Habersetzer, der das Projekt gemeinsam mit seiner Kollegin Claudia Metzner bei der Stadt betreut, dann lassen die Rückmeldungen von Kunden und Cafés diesen Schluss zu. Die Stadt hat mittlerweile tausend weitere Becher nachgeordert und bereist die Hälfte davon ausgegeben. Im Januar soll es ein weiteres Treffen mit allen Anbietern im Rathaus geben.

Hört man sich bei Kunden um, so offenbaren sich auch einige Schwachstellen. Der Becher, der eine Stufe aufweist und wie ein Wasserturm im Miniaturformat wirkt, wird als nicht sonderlich grazil, manchmal sogar als "ästhetisch scheußlich" empfunden. Und es sei schon etwas aufwendig, ihn immer mitzuschleppen, um ihn dann bei Bedarf auffüllen zu lassen. Zurückgegeben werden die Becher kaum. Bleibt allerdings zum Beispiel an der Arbeitsstelle ein Becher ein paar Tage lang halb gefüllt mit Kaffee oder Tee stehen, dann ist der Rand nicht mehr wegzubekommen - mag der Becher auch spülmaschinenfest sein. Es gibt Brucker, die sich bislang gerne einen Kaffee mitgenommen haben, einen sperrigen Mehrwegbecher aber ablehnen. Es kommt vor, dass diese sich durch den Umweltschutzansatz unter Druck gesetzt fühlen und wegen der Gewissensbisse dann eben gleich ganz auf den Coffee-to-go verzichten.

Im Café Wimmer an der Schöngeisingerstraße heißt es, nur etwa einer von zehn Kunden greife zum Mehrwegbecher, im Bücherl, Männer seien im Schnitt etwas häufiger bereit, auf Mehrweg umzusteigen, und im Espressino am City-Point spricht Hannelore Dinnebier von einem "leider eher zähen Start". Viele Becher kämen gar nicht erst zurück, weil sie als Souvenir in Städten wie Hannover oder Berlin landen - immerhin wird dadurch Bruck bekannter. "Besser funktionieren würde es wohl erst, wenn man die Einwegbecher ganz verbieten würde", glaubt Dinnebier. Das freilich lässt sich laut Stadtjurist Christian Kieser nicht mit der EU-Verpackungsverordnung vereinbaren: "So etwas geht nur freiwillig." So könne sich die Stadt natürlich entscheiden, auf eigenen Veranstaltungen lediglich Mehrwegbecher anzubieten.

Werner Nau setzt ganz freiwillig auf Mehrweg, und er will dabei bleiben. In seinen Filialen und an den von ihm betreuten Pausenständen von Berufsschule, FOS/BOS sowie Graf-Rasso-Gymnasium sind etwa 350 Becher im Umlauf. Der Kaffee ist dann 20 Cent günstiger als im Einwegbecher. "Der ganz große Erfolg wird das nie", räumt Nau ein. Denn eilige Kunden greifen oft eben lieber zum praktischen Pappbecher. Aber viele vor allem junge Kunden finden den Brucker Becher toll und sind bereit, "einen Beitrag zu leisten zum Umweltschutz." Nur eine Variante findet Nau noch besser als FFB-to-go: gleich eine richtige Tasse verwenden.

Ist der Brucker Becher also ein nachahmenswertes Modell? Setzt er den Weg fort, den viele Einzelhändler in der Kreisstadt schon beschritten haben, indem sie keine Gratis-Plastiktüten mehr ausgeben? In Eichenau wollen es die örtliche Werbegemeinschaft sowie die Grünen genau wissen, bevor eine Entscheidung fällt: Per Umfrage soll bis Mitte Januar die Akzeptanz ausgelotet werden. Ankreuzen kann man auf den Fragebögen, die in Kürze verteilt werden, drei Varianten: Ein gegen Pfand ausgegebener Becher, ein zum Kauf angebotener, für 500-maliges Befüllen ausgelegter Bambusbecher - oder wie gehabt der Einwegbecher als erste Wahl, der nach dem Austrinken im Müll landet.

© SZ vom 25.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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