Fürstenfeldbruck:Glaubensverlust an der CSU-Basis

Das Gezerre und Getöse um die Asylpolitik stößt bei Mitgliedern und Mandatsträgern überwiegend auf Unverständnis und Kritik

Ein Kompromiss ist in Berlin erzielt worden, aber das Gezerre um die Asylpolitik innerhalb der Unionsparteien ist noch nicht zu Ende. Doch zumindest soll es nicht mehr den laufenden Wahlkampf beherrschen. Das hoffen die Kandidaten, die im Landkreis Fürstenfeldbruck ihren Wahlkampf für die Landtags- und Bezirkstagswahl machen. Sie und andere aktive Parteimitglieder haben in den vergangenen Wochen zum einen den Unmut der Parteimitglieder an der Basis spüren müssen. Zum anderen haben sie auch die Zustimmung all jener gehört, die es für gerechtfertigt hielten, wie der Streit zwischen den Protagonisten, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU), eskaliert ist. Wie fühlt es sich an, in einer Partei zu sein, die wochenlang an allererster Stelle der Nachrichten steht, und gleichzeitig noch praktische Politik an der Basis zu machen? Ist der Rechtsruck deutlich spürbar oder hat sich nur die Wahrnehmung in der Öffentlichkeit verändert? Die SZ Fürstenfeldbruck hat bekannte CSU-Mitglieder und Mandatsträger, die im Landkreis Politik machen oder gemacht haben, nach ihrer Meinung befragt und dabei auch wissen wollen, wo sich die Partei derzeit hinbewegt.

Thomas Breitenfellner

Merkel trägt Schuld an der Eskalation

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(Foto: Robert Haas)

Er verfolge das Thema nur in den Medien und versuche sich emotional rauszuhalten, sagt Thomas Breitenfellner, ehemaliger CSU-Gemeinderat in Gröbenzell, der sich aus der Politik zurückgezogen hat. Er fand die Situation verfahren und bedauerte, dass sich die Union derart stritt. Allerdings macht er nicht seinen Parteivorsitzenden für die Eskalation verantwortlich, sondern die Kanzlerin. "Das muss man ihr ein Stück weit anheften", findet Breitenfellner. Angela Merkel habe 2015 Fehler gemacht, als sie die Flüchtlinge aufnahm, und hätte sich nun aktiver um Korrekturen bemühen müssen. bip

Benjamin Miskowitsch

Unverständnis über das Zerwürfnis

Die kommunalpolitische Erfahrung im Hintergrund kann Benjamin Miskowitsch kaum verstehen, wie es zu den jetzt zu beobachtenden Zerwürfnissen gekommen ist. Sein Stil sei das jedenfalls nicht: "Ich fahre nicht polternd durch die Lande, ich habe gelernt, mit anderen Parteien zu reden." Der 33 Jahre alte Mediaberater und Landtagskandidat für Fürstenfeldbruck-Ost hofft, dass nun der Streit um das Asylthema ausgestanden ist und sich die Politik wieder den vielen anderen wichtigen Themen zuwenden kann. "Wir haben Fachkräftemangel, wir haben Pflegemangel, da muss es jetzt weitergehen." ecs

Thuy Tran

Die AfD mit anderen Themen stellen

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(Foto: Carmen Voxbrunner)

Froh und erleichtert ist Thuy Tran, die Kreisvorsitzende der Jungen Union, über das vorläufige Ende des Streits in der Union. Sie hofft, dass "endlich Ruhe ist bei dem Thema Migration". Zwar stehe ein Großteil der CSU inhaltlich hinter Seehofer, aber es werde kontrovers diskutiert und "spaltet die Partei sehr". Die Rücktrittsdrohung von Seehofer fand sie "nicht falsch, aber überraschend". Tran verlangt, sich anderen Themen zu stellen wie Pflege, Wohnungsbau oder Verkehr. "Wenn wir die AfD stellen wollen, muss man ihnen das Thema Migration nehmen, denn davon ernähren die sich." bip

Michael Raith

Für die Seele ist die WM wichtiger

Als erfahrener Kommunalpolitiker hat Michael Raith, Bürgermeister von Adelshofen, nicht geglaubt, dass sich die Union spaltet. "Mein Bauchgefühl hat mir von Anfang an gesagt, dass es zu einer Einigung kommen wird." Raith ist zwar nicht selber Mitglied der CSU, allerdings der gemeinsame Kandidat von CSU und Bürgerliste. Er findet, dass es eigentlich genügend andere Probleme gibt, er wisse aber auch nicht, was bei den Streitigkeiten zwischen Kanzlerin Angela Merkel und Innenminister Horst Seehofer Kalkül und was Strategie war. Was die Stimmung in Adelshofen betrifft, die werde "überlagert von der WM". bip

Alex Dorow

Notwendiger Konflikt

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(Foto: Günther Reger)

Für den Landtagsabgeordneten aus dem Stimmkreis Fürstenfeldbruck-West, Alex Dorow, war der Konflikt zwischen Horst Seehofer und Angela Merkel, zwischen CSU und CDU notwendig und endete wie ein reinigendes Gewitter. "Ich bin mit dem Ergebnis zufrieden", sagt der 54-Jährige, der sich nach vier Jahren im Landtag zur Wiederwahl stellt. Den Eindruck, die CSU sei nach rechts gerückt, teilt er nicht, sondern sagt, dass es bei der CDU eine Linksdrift gegeben habe. Diesen Kurs sei die CSU nicht mitgegangen, die Kluft sei größer geworden. Zur Spaltung der Union aber werde es nicht kommen. ecs

In der Sache hat Seehofer recht

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(Foto: Günther Reger)

"Von der Sache her hat Seehofer recht", sagt Gabi Off-Nesselhauf aus Germering über den am Montagabend vorerst beigelegten Streit. Die Bezirksrätin hat in den vergangenen Wochen viele Reaktionen auf die aktuelle politische Diskussion erlebt und festgestellt: "Die Leute hat das verunsichert." Den Leuten habe auch die Art nicht gefallen, wie Seehofer mit Merkel umgegangen sei. "Das war nicht ganz glücklich.". Grundsätzlich hält die Kommunalpolitikerin es für richtig, dass es in einer Partei auch einmal kracht. "Aber es klärt sich dann auch viel."Politik heiße, immer einen Kompromiss zu finden. ecs

Derzeit nicht wählbar

Nach 62-jähriger Mitgliedschaft hat nun der frühere Puchheimer CSU-Stadtrat Ludwig Kippes erkannt, dass die CSU "derzeit für mich nicht mehr wählbar" ist. "Dies vor allem wegen ihres zunehmenden anti-europäischen, national-egoistischen, unsolidarischen und im zwischenmenschlichen Bereich höchst grenzwertigen Verhaltens", hat Kippes in einem Brief an den CSU-Parteivorsitzenden Horst Seehofer und Generalsekretär Markus Blume geschrieben. Kippes hegt aber die Hoffnung, dass sich "Vernunft, europäisches Denken und solidarisches Handeln in einiger Zeit wieder in der CSU durchsetzen". ecs

Kritik an Lega-Nord-Strategie

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(Foto: Günther Reger)

Scharfe Kritik an Seehofer, Söder und Dobrindt äußert Gerald Kurz, Fraktionssprecher der CSU in Grafrath. Alles sei im Koalitionsvertrag geregelt. Stattdessen werde die CSU gespalten, weil die drei Herren "die Lega Nord spielen müssen". Eine liberale Minderheit stehe einer Mehrheit gegenüber, die einen "Hau-drauf-Kurs" verfolge. Sollte die Union zerbrechen, würde der liberale Flügel der CSU zur CDU wechseln. Der Schengen-Raum ohne Binnenkontrollen sei für die Wirtschaft elementar, nationale Alleingänge hingegen kontraproduktiv. Kurz prognostiziert, dass ein Streit um die Europapolitik folgt. bip

Vereinbarung ist erst der Anfang

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(Foto: Günther Reger)

Er sei hervorragender Stimmung, die Vereinbarung zwischen Seehofer und Merkel ein "erster Anfang", sagt Thomas Karmasin, Landrat und CSU-Kreisvorsitzender. Er möchte am liebsten, dass über Asylanträge in Nordafrika entschieden wird. In Europa sollten Flüchtlinge nach einem bestimmten Schlüssel verteilt werden, anstelle der Dublin-Vereinbarung, die Staaten mit Außengrenzen belastet. Eine Spaltung der CSU wegen des Streits vermag er nicht zu erkennen. Verantwortlich für die Eskalation sei die Kanzlerin. "Merkel ist wenig kooperativ", sie weigere sich seit Jahren in Sachen Migration einzulenken. bip

Bundeskanzlerin als Problem

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(Foto: Günther Reger)

So ganz in Ordnung sei das nicht gewesen, findet Ludwig Gascher, stellvertretender Kreisvorsitzender der Senioren-Union der CSU. "Solche Divergenzen gehören intern ausgetragen", findet Gascher. Ein Mitglied der Senioren-Union sei deshalb ausgetreten. Dass es zu diesen "Muskelspielen" gekommen sein, liegt seiner Meinung nach an der Bundeskanzlerin. "Frau Merkel ist das Problem." Das Ergebnis sei in Ordnung, doch insgesamt hat Gascher kein gutes Gefühl. Dass die AfD so stark sei, habe auch mit den Zwistigkeiten in der Union zu tun, "man wird es bei der Landtagswahl merken". ecs

© SZ vom 04.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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