Fürstenfeldbruck:Gewappnet gegen Hitze und Trockenheit

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Im Wald der Zukunft wachsen nicht nur Fichten, sondern viele Baumarten. Sie müssen gepflanzt und beschützt werden. Was die Förster für die nächsten zehn Jahre planen

Von Ingrid Hügenell

Der neue Wald ist knapp hüfthoch. Die Förster müssen gut auf ihn aufpassen, damit er nicht von Brombeeren überwuchert oder von Rehen aufgefressen wird. Deshalb ist er eingezäunt, zwischen den Bäumchen wird ein-, zweimal pro Jahr gemäht. Die knapp zweijährigen Eichen wachsen gut. Darüber freut sich Robert Bocksberger, Leiter des Forstbetriebs Landberg am Lech, zuständig für den Landkreis Fürstenfeldbruck.

Es ist idyllisch im Forstrevier Schöngeising, an dessen Beispiel Bocksberger erklärt, wie der Plan für den Wald für die nächsten zehn Jahre aussieht. Neben sich hat er seinen Jagdhund Arthus, der wirkt wie eine Kreuzung aus Dackel und Beagle - eine Dachsbracke. Über der Rothschwaige, der Einöde südwestlich von Fürstenfeldbruck, kreist ein Rotmilan, Schmetterlinge und Hummeln sind unterwegs. Vögel zwitschern. Aber wird der Wald in zehn Jahren noch idyllisch sein? Wird es ihn in 50 Jahren überhaupt noch geben?

Bocksberger hofft, dass es gelingt, die Wälder zu retten. Denn sie erfüllen wichtige Zwecke: Sie liefern Holz als Rohstoff, dienen als Erholungsort, sind wichtig für die Trinkwassergewinnung und schützen vor Hochwasser. Der Förster erklärt: Je mehr Bäume, umso weniger Wasser kommt auf dem Boden an. Viel bleibt hängen an Blättern und Nadeln und verdunstet gleich wieder. Man kann das an diesem Morgen gut sehen. Überall hängen noch die Wassertropfen des Gewitterregens vom Abend zuvor. Was am Boden ankommt, fließt nicht ab, sondern versickert. Gesunde Waldböden wirken wie ein Schwamm, nehmen viel Wasser auf.

Der Fichtenwald ist verschwunden, er war zu stark geschädigt. Nun sollen neben dem Bahndamm bei Schöngeising Eichen wachsen. Zum Schutz vor hungrigen Rehen sind die Flächen eingezäunt. (Foto: Ingrid Hügenell)

Doch der Klimawandel mit Dürrejahren, stärkeren Stürmen, in der Folge Schädlingen, neuartigen Pilzerkrankungen und der Gefahr von Bränden bedroht das Ökosystem Wald. Robert Bocksberger hat nicht nur den Auftrag, sondern auch den festen Willen, es zu retten, zumindest in dem Gebiet, für das er zuständig ist. Das sind die Wälder im Besitz des Freistaats Bayern zwischen Darching bei Augsburg im Norden, Ingenried bei Schongau im Südwesten und eben Schöngeising und Fürstenfeldbruck im Osten.

In dem Plan für die Jahre bis 2031 steht, wie die Wälder umgebaut werden sollen, damit sie den sich verändernden Bedingungen standhalten und ihre Aufgaben erfüllen können. Dabei hat der Wald hier es leichter als der etwa in Oberfranken. "Wir leben im Land der Glückseligen", sagt der Forstdirektor. Im Alpenvorland gebe es auch in Trockenjahren noch verhältnismäßig viele Niederschläge. Mehrere Trockenjahre hintereinander seien aber "ein Riesenproblem. Dann kann es sein, dass massiv Altbäume absterben".

Unter dem Schirm der alten Bäume wachsen Elsbeeren heran. Die Bäumchen stecken in schützenden Kunststoffhüllen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Besonders empfindlich reagieren Fichten auf Wassermangel, die bei weitem häufigsten Bäume. Das ist so, weil die Menschen über viele Jahrzehnte Fichten angebaut haben. Natürlicherweise wäre Deutschland weitgehend von Buchenwäldern bedeckt. Nun sollen Mischwälder entstehen, um Hitze und Trockenheit zu trotzen. Generell wollen die Forstleute möglichst viel die Natur selber machen lassen.

Ältere Bestände sollen dem Zehn-Jahresplan zufolge zu Wäldern mit mindestens vier Baumarten umgebaut werden, wie Bocksberger erklärt: Eiche, Buche, Elsbeere, Spitz- und Bergahorn sowie Tanne und Lärche zählen dazu, auch die Edelkastanie und die nordamerikanische Douglasie, ein Nadelbaum. Bocksberger ist überzeugt, dass ein kleiner Anteil fremdländischer Arten sich nicht störend auf das Ökosystem Wald auswirken wird.

Der Anteil von Laubbäumen soll erhöht werden, für Schöngeising von derzeit 42 auf 55 Prozent. Künftig sollen Bäume verschiedener Arten, unterschiedlichen Alters und Höhen beieinander wachsen. Noch gibt es Bereiche, in denen nur Bäume einer Art und eines Alters stehen, die alle gleich hoch sind. So kann ein starker Sturm den ganzen Bestand umwerfen. Ein strukturreicherer, naturnäherer Wald ist widerstandsfähiger.

Ein weiteres Ziel: So viel Naturverjüngung wie möglich. So nennen es die Förster, wenn die Bäume sich selbst aussäen. In 39 Prozent der älteren Wälder klappt das laut Bocksberger nicht, weil die gewünschten Baumarten gar nicht vorhanden sind. Dort werden sie gepflanzt. Wie in der Rothschwaige: Unter älteren Bäume gedeihen trockenresistente Elsbeeren. Kunststoffhüllen schützen sie vor Verbiss.

Robert Bocksberger erklärt, welchen Weg der Forstbetrieb gehen will, um einen klimaresistenten Mischwald zu schaffen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

In jüngeren Beständen sollen Mischbaumarten gezielt gefördert werden, etwa, indem Fichten gefällt werden, die ihnen Licht und Raum nehmen. Auf zwölf Prozent der Fläche ist zum Schutz der Natur gar keine Nutzung vorgesehen wie im Naturwaldreservat Schönwald bei Kottgeisering und in den Moorwäldern des Haspelmoors. Überall sollen Biotop- und Höhlenbäume erhalten werden, außerdem die großen "Methusaleme", alte Bäume mit mehr als 100 Zentimetern Stammdurchmesser, die ökologisch besonders wertvoll sind.

Ein weiteres Ziel ist, mehr Totholz in den Wäldern liegen zu lassen. "Der aufgeräumte Wald gehört der Vergangenheit an", sagt Bocksberger. Totholz ist ein wichtiger Lebensraum für allerlei Insekten, in den Höhlen stehender toter Bäume leben Spechte und Eulen oder Marder, Siebenschläfer und Fledermäuse.

Den Anteil des toten Holzes zu erhöhen, ist indes nicht ganz einfach. "Wenn wo eine schöne Buche liegt, wollen die Leute das Holz als Brennholz mitnehmen", sagt Bocksberger und seufzt. Ein toter Baum, der nicht verwertet werde, sei zudem für den Forstbetrieb ein wirtschaftlicher Verlust. Das Ziel des Forstbetriebs, den Wald möglichst mit Gewinn zu nutzen, gerät in Konflikt mit dem Ziel des Naturschutzes.

Der angepeilte Umbau kann allerdings nur klappen, wenn es gelingt, den Klimawandel zu begrenzen. "Die politische Diskussion um den Klimawandel macht mir Hoffnung", sagt der Förster. Maßnahmen müssten rasch folgen. "Alle Landnutzer wissen das." Nicht nur Forstleute, auch Bauern, Gärtner oder Winzer sehen die Gefahr laut Bocksberger seit Jahren, wenn nicht seit Jahrzehnten. Schon in seiner Studienzeit sei der stetig steigende Kohlendioxidgehalt der Luft Thema gewesen. Bocksberger ist 57 Jahre alt.

Zurück in den idyllischen Wald des Schöngeisinger Reviers, wo Arthus interessiert schnuppert und immer wieder das Bein hebt. Dort kann man sehen, wie viel der Forstbetrieb für den Naturschutz tut. An der südwestlichen Ecke der Rodungsinsel der Rothschwaige liegt ein Biotop des Landesbunds für Vogelschutz. Von dort bis zum knapp einen Kilometer entfernten Damm der Zugtrasse im Süden haben Forst und LBV entlang des Wegs heimische Wildpflanzen angesät und so einen Wanderweg für Tiere geschaffen. Auch der Bahndamm ist ein Biotop, das der LBV pflegt. Bocksberger und Arthus wandern schnellen Schrittes Richtung Bahntrasse. Immer wieder bleibt der Förster stehen, erklärt eine Baumgruppe, begutachtet eine Pflanzung, zeigt auf einen vor sich hinmodernden Baumstamm.

An der Bahntrasse wächst der junge Eichenwald. Hunderte kleine Bäumchen wurden 2019 auf einer fast zwei Hektar großen Fläche gepflanzt. Die Fichten, die dort zuvor standen, waren stark geschädigt und mussten gefällt werden. Einige Kiefern und Eichen blieben erhalten. Unter dem Schirm der hohen, alten Bäume gedeihen die Jungbäume besser. Insgesamt sei die Fläche fast etwas zu groß und zu sonnig, sagt Bocksberger. Den künftigen Wald haben die Förster eingezäunt. Sonst würden die Rehe die Eichen schnell abfressen. "Wenn man die Pflanzenfresser nicht reguliert, gestalten sie unsere Umwelt."

Da Rehe fast alle Jungbäume schmackhafter finden als die sehr stacheligen Fichten, blieben ohne Schutz genau die Bäume übrig, die die Förster zurückdrängen wollen. Bocksberger spricht sich deshalb für eine "ökosystemorientierte Jagd" aus mit recht hohen Abschusszahlen. "Die Jagd ist eine Zukunftsfrage." Arthus, den Jagdhund, interessiert das gerade nicht. Er hat ein saftiges Büschel Gras gefunden, auf dem er nun genüsslich kaut.

© SZ vom 17.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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