Fürstenfeldbruck:Geld von der Pharmaindustrie

Lesezeit: 3 min

Eine Datenbank listet auf, welche Ärzte von Unternehmen bezahlt werden. Darunter sind auch fünf Mediziner und vier Einrichtungen aus dem Landkreis. 2015 erhielten sie Summen bis zu 5355 Euro

Von Lena von Holt, Fürstenfeldbruck

Schon immer wurde das Abhängigkeitsverhältnis zwischen Ärzten und Pharmaindustrie kritisch gesehen. Bisher war weitgehend unbekannt, wie viel Pharmaunternehmen Ärzten in Form von Vortragshonoraren, Fortbildungen oder Reisespesen zahlten. Jetzt haben einige Pharmaunternehmen ihre Geldflüsse offen gelegt. Unter den Begünstigten befinden sich auch im Landkreis Fürstenfeldbruck praktizierende Ärzte. Insgesamt sind es fünf Ärzte und vier medizinische Einrichtungen, die im vergangenen Jahr Summen zwischen 5355 und 58,69 Euro erhielten.

Erstmals legten Ende Juni 54 Pharmaunternehmen offen, wer von ihnen Geld bekam. Auf Grundlage der Daten, die die einzelnen Pharmaunternehmen auf ihren Internetseiten publizierten, erstellte das gemeinnützige Recherchezentrum Correctiv eine öffentliche Datenbank. Dort kann nun jeder Patient selbst nachsehen, ob die Industrie seinen Arzt bezahlt und wie hoch diese Summe ist. Insgesamt flossen im vorigen Jahr in Deutschland 575 Millionen Euro von Pharmakonzernen an 71 000 Ärzte und Medizineinrichtungen.

Mit der Veröffentlichung möchte sich die Pharmaindustrie transparent geben, um eine höhere Akzeptanz der Zusammenarbeit zwischen Ärzten und Arzneimittelherstellern in der Öffentlichkeit herzustellen. Aber so wirklich transparent war das Ergebnis nicht: Nur etwa ein Drittel der Ärzte erklärte sich damit einverstanden, dass ihre Namen in der Datenbank veröffentlicht werden. Eine von ihnen ist Astrid Beck, Ärztin für innere Medizin und Allgemeinmedizin in Fürstenfeldbruck. 1556 Euro gingen 2015 an Beck, 1345 Euro davon kamen von Bristol-Myers Squibb, einem Pharmaunternehmen, das unter anderem Medikamente zur Behandlung von Krebs oder Hepatitis C herstellt. "Die Honorare waren für mehrere wissenschaftliche Vorträge, die ich auf Fachkongressen in München oder Berlin gehalten habe", erklärt die Ärztin. Dort hatte sie in Expertenrunden über die Behandlung von Suchterkrankungen gesprochen - eines ihrer Fachgebiete. 211 Euro erhielt sie für entstandene Reisekosten von AbbVie. Beck weiß die Expertise der beiden Pharmaunternehmen zu schätzen: "Sie kennen sich im Bereich Suchtbehandlung gut aus und haben gute Medikamente." Allein aus diesem Grund verwende sie diese und bei weitem nicht ausschließlich. Anwendungsbeobachtungen führe sie keine durch. Vor allem die sind umstritten: Für solche Studien würden Ärzte pro Patient Summen im vierstelligen Bereich erhalten. Kritiker sehen darin einen Anreiz, die Medikamente öfter als üblich zu verschreiben.

Auch Werner Kainzinger, Vorsitzender des ärztlichen Kreisverbandes Fürstenfeldbruck, kritisiert die von Pharmaunternehmern finanzierten Studien: "Das ist reines Marketing und hat wissenschaftlich kaum einen Nutzen." Seit zehn Jahren habe der Kreisverband schon keine solchen Studien mehr durchgeführt. Im vergangenen Jahr bezog der Kreisverband 5355 Euro von den Pharmakonzernen Mundipharma, Roche Pharma und Astra Zeneca. Das Geld hätte der Verband für Fortbildungsveranstaltungen erhalten, die alle vier bis sechs Wochen stattfinden und für die ein Veranstaltungsort gemietet und Referenten bezahlt werden müssten. Nicht immer finde sich ein Sponsor, so Kainzinger. Dann werde die Summe, die pro Veranstaltung bis zu 1500 Euro kostet, aus der Mitgliederkasse bezahlt. Hin und wieder würde der Referent Empfehlungen aussprechen. Grundlegend sei der Verband aber gegenüber der Bundesärztekammer dazu verpflichtet, Referenten nach ethischen Kriterien auszuwählen. Die Vorträge müssten neutral geführt, Produktnamen dürften nicht genannt und neben dem favorisierten Medikament müssten auch Alternativmedikamente einbezogen werden, erklärt Kainzinger. So will die Bundesärztekammer sicherstellen, dass die Unabhängigkeit der Ärzte nicht gefährdet wird. "Früher wurden Ärzte noch zu Reisen eingeladen. Das hat sich geändert", stellt der Vorsitzende des Kreisverbandes fest. Dass weniger Pharmavertreter zu den Ärzten kommen, könne aber auch daran liegen, dass der allgemeinmedizinische Bereich für die Pharmaindustrie uninteressant geworden ist.

Mit etwas mehr als 5000 Euro auf die 850 Mitglieder des Kreisverbandes sieht Kainzinger den Umfang des Sponsorings noch nicht als ethisch bedenklich an. Auch Astrid Beck fühlt sich von den Konzernen, die ihr im vergangenen Jahr eine vierstellige Summe überwiesen haben, nicht beeinflusst. Die meisten Reisekosten zahle sie selbst. Sie glaubt auch nicht, dass Ärzte gewisse Medikamente verschreiben würden, nur um mehr Geld zu bekommen, sondern allein deshalb, weil sie am besten für den Patienten seien. Die Transparenzinitiative befürwortet die Medizinerin trotzdem. Deshalb habe auch sie das Sponsoring öffentlich gemacht.

© SZ vom 27.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: