Fürstenfeldbruck:Gedenken als Generationenaufgabe

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Am 46. Jahrestag des Olympia-Attentats machen Angehörige der Opfer von 1972 und Politiker klar, dass sie an der Forderung nach einem Erinnerungsort im Fliegerhorst festhalten

Von Erich C. Setzwein, Fürstenfeldbruck

Ein Jahr ist es her, dass im Münchner Olympiapark ein Erinnerungsort für die Opfer des Attentats auf die israelische Olympiamannschaft bei den Spielen von 1972 eröffnet wurde. 46 Jahre ist es her, dass in der Nacht vom 5. auf den 6. September im Fliegerhorst Fürstenfeldbruck die Befreiung der elf israelischen Geiseln scheiterte und sie und ein Polizeibeamter ums Leben kamen. Doch wie viele Jahre die Planung und Realisierung für den Erinnerungsort in der Kaserne noch brauchen werden, das kann derzeit noch niemand datieren. Am Willen des Landkreises und der Hinterbliebenen jedenfalls wird das Projekt nicht scheitern, wie sich am Mittwoch bei der alljährlichen Gedenkveranstaltung vor dem Fliegerhorst eindrücklich zeigte. Sowohl der Landkreis, vertreten durch Landrat Thomas Karmasin (CSU), als auch Anton Fliegerbauer für die Hinterbliebenen ließen in ihren Ansprachen keinen Zweifel daran, dass sie sich weiter für die Erinnerungsstätte einsetzen.

Sie wünsche sich einen "Ort der Begegnung, der Bildung und der Kommunikation, der die Tür in die Zukunft öffnet", sagte die Generalkonsulin des Staates Israel für Süddeutschland, Sandra Simovich, mit Blick auf die vom Kultusministerium und dem Landkreis verfolgten Pläne, am alten Tower, wo der Befreiungsversuch stattfand, einen Erinnerungsort zu errichten. Für Simovich ist der 5. September, wie sie sagte, "ein schmerzlicher Tag der Erinnerung", aber eben auch ein Tag, der in Erinnerung bleiben sollte. In ihrer Rede widmete sie sich nicht nur der Vergangenheit, sondern auch der Gegenwart und der Zukunft und freute sich darüber, dass in deutschen Teams Israelis mitspielten, dass Mannschaften aus Israel in Deutschland bei Turnieren gewinnen würden. Scharf kritisierte sie Praktiken wie die in Tunesien, israelische Sportler von Wettbewerben auszuschließen, und forderte internationale Standards gegen solches Verhalten.

Aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln berichteten als Zeitzeugen Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde für München und Oberbayern, und der seit September amtierende evangelische Dekan Markus Ambrosy über ihre Erinnerungen an den September vor 46 Jahren. Knobloch sprach von der Schockwirkung des Attentats, das bis in die heutige Zeit zu spüren sei: "Aus fröhlichen Spielen wurde ein Blutbad." Sie erinnerte an die elf Sportler, die in München und Fürstenfeldbruck von den palästinensischen Terroristen ermordet worden waren: "Diese Männer waren nicht in den Krieg gezogen", dennoch kehrten sie in Särgen heim. Und Knobloch machte erneut darauf aufmerksam, dass sich die Angehörigen "lange um ein angemessenes Gedenken bemüht" hätten.

Markus Ambrosy erzählte davon, wie er als Siebenjähriger die heitere Seite der Spiele von München erlebt hatte, und wie hart ihn das Attentat und die Folgen getroffen hätten, auch weil er die Zusammenhänge als Bub noch nicht habe erkennen können. Die Erinnerung an die Opfer und das Gedenken mit den Hinterbliebenen und Überlebenden sei ein "Akt menschlicher Solidarität", sagte Ambrosy. "Wir sind es den Opfern schuldig. Es ist das Mindeste, dass wir Mitgefühl haben und dem Ausdruck geben." Würde man sich nicht mehr an die Opfer von damals erinnern, würde man im Nachhinein den Terroristen den Sieg überlassen.

Diakon Anton Fliegerbauer (von links), Rabbiner Steven Langnas und Dekan Markus Ambrosy. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Seit 1999 erinnert der Landkreis an dem damals geschaffenen Gedenkort vor dem Fliegerhorst an die zwölf Opfer. Immer dabei auch die Angehörigen des getöteten Polizisten Anton Fliegerbauer, seine Witwe Maria Niedermeier und sein Bruder Alfred Fliegerbauer. Dessen Sohn Anton Fliegerbauer hat am Mittwoch zusammen mit Dekan Ambrosy und dem Münchner Rabbiner Stephen Langnas den geistlichen Teil der Gedenkveranstaltung gestaltet. In sehr persönlichen Worten deutete er die zwölf Flammenstrahlen des Gedenksteins und sagte, dass die Attentatsopfer nicht vergessen seien, dass sie die Zukunft darstellten. Er habe im vergangenen Jahr, als er die Familien der israelischen Opfer kennengelernt habe, einen großen Zusammenhalt wie bei einer großen Familie erlebt. In seinem Schlusswort bat er, wie der Diakon es nach dem Hauptgebet des katholischen Gottesdienstes tut, die Anwesenden, sich die Hände zu reichen und gegenseitig den Friedensgruß zu sprechen. Mit dem jüdischen Brauch, Steine auf den Gedenkstein zu legen, verabschiedeten sich die Gäste und Teilnehmer der Gedenkveranstaltung.

© SZ vom 06.09.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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