Fürstenfeldbruck:Geboren aus einem Gerichtsurteil

Lesezeit: 2 min

Pluralität in der Beratung von Schwangeren (v.l.): Waltraut Sedlmeier, Heike Reeb, Christian Reisenberg, Renate Pater, Judith Leunissen und Gabriele Grasse auf der Zehn-Jahr-Feier von Pro Familia. (Foto: Günther Reger)

Die Schwangerenberatungsstelle von Pro Familia in Bruck feiert ihr zehnjähriges Bestehen

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Es ist etwas kurios, wenn einer Schwangerenberatungsstelle aus Anlass ihres zehnjährigen Bestehens eine "sehr erwünschte, aber schwere Geburt" bescheinigt wird. So geschehen am Mittwochabend bei der Zehn-Jahr-Feier von Pro Familia in Fürstenfeldbruck. Mit den Worten von der schweren Geburt spielte die Münchner Vorsitzende des Vereins, Hanna Premien, auf die gerichtliche Auseinandersetzung an, die der Gründung dieser vierten Beratungsstelle im Landkreis - neben staatlicher, katholischer und evangelischer - voranging. Explizit erwähnte sie den Rechtsstreit aber nicht, der damals bis zum Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ging. Stattdessen überbrachte Premien bei der Feier im Säulensaal des Veranstaltungsforums Fürstenfeld Glückwünsche und Dank an die Beraterinnen, Kolleginnen aus anderen Beratungsstellen, und Vertreter aus der Politik. Überhaupt gab es an diesem Abend viel Lob und Dank, einige der fast ausschließlich weiblichen Gäste brachten Blumensträuße und ein paar Geschenke zu der Feier mit.

Auch wenn es am Mittwochabend nicht deutlich erwähnt wurde: Der Rechtsstreit des Pro-Familia-Kreisverbandes mit dem Freistaat Bayern hatte damals landesweite Bedeutung. Es ging um die Frage, ob mit dem vorhandenen Angebot an Schwangerenberatungsstellen, abgedeckt durch Gesundheitsamt, Diakonie und Brucker Forum, der Pluralität genüge geleistet war. Die Richter entschieden 2005 im Sinne des konfessionell und politisch unabhängigen Vereins Pro Familia. Im Jahr darauf, 2006, eröffnete in Fürstenfeldbruck die erste Beratungsstelle. Außenstellen wurden in den Nachbarlandkreisen Dachau, Landsberg und Starnberg eingerichtet. Träger ist der Verein Pro Familia. Die beteiligten Landkreise finanzieren 30 Prozent der Kosten, den Großteil übernimmt das Familienministerium. Neben Dank und Glückwünschen enthielten die Grußworte auch Hinweise auf die gesellschaftliche Entwicklung der vergangenen zehn Jahre und die aktuelle Situation.

Immer wieder klang an, dass der Beratungsbedarf stark gestiegen ist. Laut Statistik ist die Zahl der Beratungsstunden von 200 vor zehn Jahren auf mehr als 1200 im Vorjahr gestiegen. "Das Bild von Familie ist recht vielfältig geworden", verwies die stellvertretende Landrätin Martina Drechsler auf die unterschiedlichen Formen des Zusammenlebens mit Kindern: von der klassischen Familie über alleinerziehende Mütter (manchmal sind es auch Väter), Patchworkfamilien oder homosexuelle Paare. "Pro Familia trägt dazu bei, auf bestehende Veränderungen aufmerksam zu machen", betonte Drechsler.

"Ich wünschte mir, dass in dieser Runde mehr Männer sind", sagte Drechslers Kollegin aus Dachau, Marianne Klaffki. Auch Männer seien gleichermaßen von einer Schwangerschaft betroffen, "vielleicht aus einer anderen Perspektive". Die Vize-Landrätin stellte in diesem Zusammenhang Nachholbedarf fest und betonte, dass sie hoffe, die Beraterinnen bekämen bald wenigstens einen männlichen Kollegen. Dass Klaffki mit diesem Wunsch durchaus den Nerv der Zeit getroffen hat, belegen auch Berichte aus dem Beratungsalltag: Sowohl bei Schwangerschaft als auch bei Paar- oder Sexualproblemen kommt es inzwischen immer öfter vor, dass die Initiative zum Aufsuchen der Pro-Familia-Beratungsstelle von den Männern ausgeht.

© SZ vom 02.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: