Fürstenfeldbruck:Form und Farbe

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Die aktuelle Ausstellung im Haus 10 zeigt Arbeiten von Gudrun Emmert und Anne Haring. Mit ihren Werken machen sie sich auf die Suche nach der Grenze zwischen Abstraktion und figürlicher Darstellung

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Die Grenze zwischen Abstraktion und figürlicher Darstellung loten zwei Künstlerinnen aktuell in einer Ausstellung im Haus 10 aus. Die Malerin Gudrun Emmert und die Bildhauerin Anne Haring nähern sich dieser Frage dabei aus verschiedenen Richtungen und ergänzen sich dabei auf interessante Weise - nicht nur in der Technik, sondern auch in den Motiven. Während Emmert in ihren Bildern über figurative Elemente, Gewebe und Streifen Stück für Stück organische Formen entwickelt, arbeitet sich Haring am menschlichen Körper ab, ohne ihn als Motiv ins Zentrum zu stellen. Vielmehr geht es ihr darum, die Verhältnisse von Körper und Raum heraus zu stellen.

Die Gemälde von Gudrun Emmert stellen die Frage nach dem Verhältnis von Form, Farbe und Raum auf der Leinwand. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Dazu hat Haring die klassische Darstellung quasi in drei verschiedene Systeme zerlegt. In der "F-Serie", gestaltet sie die Körper als geschlossene Formen, in "B-Serie zeigt menschliche Formen in fragmentierter, ebenfalls geschlossener Form. Und in der H-Serie wird der Körper zur innen hohlen Hülle. Drei nebeneinander aufgestellte, lebensgroße Skulpturen zeigen, wie sich diese Hülle lediglich durch die Variation von Farbe verändert und dabei jeweils eine ganze andere Geschichte erzählt. Die goldene Hülle etwa wirkt fast schon wie der Anzug eines Superhelden, überhöht, edel, kraftvoll. Daneben steht fast die gleiche Skulptur, allerdings in einer der menschlichen Haut ähnlichen Färbung. Sie vermittelt einen Eindruck der Geborgenheit und Vertrautheit, aufregend authentisch. In beide Skulpturen, möchte man als Betrachter geradezu hineinschlüpfen, sie als zweite Haut anlegen, sie wie eine Rüstung verwenden, um in andere Rollen zu schlüpfen.

Emmert entwickelt in ihren Bildern über figurative Elemente, Gewebe und Streifen organische Formen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Ganz anders wirkt da die graue Hüllen-Skulptur. Sie hat etwas Abschreckendes, wirkt als wäre sie der Abdruck eines versteinten Körpers, ähnlich eines menschlichen Fossils. Antik präsentiert sich auch eine etwa 20 Zentimeter große goldene Figur, die wie in einem Museum auf einem Podest aufgebaut ist. Im Grunde ist sie eine Miniatur der anderen goldenen Figur und entfaltet doch eine komplett andere Wirkung - eben eher wie ein stummer Zeuge aus einer anderen Zeit, ein historisches Dokument. Ähnlich ist es mit der Büste im kleinsten Raum des Haus 10. Gesichtslos und mit einer grün-türkisen Farbe gemalt, die an Oxidation erinnert, wirkt sie wie ein Museumsstück. Gemeinsam haben alle von Harings Skulpturen, dass sie komplett geschlechtslos sind. Kein Detail, keine Kurve, keine Wölbung gibt auch nur den kleinsten Hinweis.

Eine Skulptur von Anne Haring. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Genau das ist es, worum es der Künstlerin geht. Nicht den Körper, sondern die Wirkung, die er im Raum entfaltet, den Platz, den er einnimmt. Dazu gehört auch, dass die großen Figuren zwar massiv wirken, bei genauem Blick aber hohl sind; so entsteht im Inneren eine weitere Raumebene.

Demgegenüber also stehen die Gemälde von Gudrun Emmert. In ihnen haben Farben und Form kaum noch eine Bedeutung, obwohl sie unverkennbar dar sind. Vielmehr geht es auch bei ihr darum, nachzuvollziehen, wie sie langsam den Raum einnehmen und was dadurch passiert. Exemplarisch ist das an mehreren Bildern zu sehen, in denen jeweils mehrere Schichten transparenten Papiers übereinander gelegt sind. Auf jeder Schicht ist der Teil einer elliptischen Form gezeichnet, die alle für sich selbst stehen, am Ende aber zu etwas Gemeinsamen werden. Und so drehen sich alle ihre Werke am Ende um die Formwerdung, auch jene, in denen vermeintliche konkrete Motive zu sehen sind.

Und so ist die Ausstellung zwar nicht unbedingt etwas für Menschen, die den leichten Kunstgenuss suchen, sondern eher für diejenigen, die bereit sind, sich auf die teilweise eher schwer zugänglichen Werke der beiden aus Saarbrücken angereisten Künstlerinnen einzulassen. Aber die Auseinandersetzung lohnt sich, belohnt mit spannenden Erkenntnissen.

Ausstellung "reine Formsache" mit Werken von Gudrun Emmert und Anne Haring, Haus 10 Fürstenfeldbruck, zu sehen am Freitag, 3. August, von 16 bis 18 Uhr und Samstag und Sonntag, 4. und 5. August, jeweils von 10 bis 18 Uhr

© SZ vom 31.07.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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