Fürstenfeldbruck:Flugkünste im Stadtpark

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Das Quidditch-Turnier im Fürstenfeldbrucker Stadtpark findet nur scheinbar am Boden statt. (Foto: Günther Reger)

Der Verein Turmgeflüster lässt Kinder in die Harry-Potter-Welt eintauchen

Von Dorothea Gottschall, Fürstenfeldbruck

Bereits von Weitem zieht das besondere Ereignis alle Aufmerksamkeit auf sich, als die sonst übliche Ruhe des Brucker Stadtparks mit schallendem Jubel gefüllt wird. Und nicht zuletzt die Harry-Potter-Fanartikel des vorbeiradelnden Elternpaars lassen vermutlich den einen oder anderen Beobachter stutzig dreinschauen. "Applaus, das zweite Quidditch-Turnier kann beginnen!", ruft Christine Dietzinger euphorisch in die Zuschauermenge und gibt hiermit zeitgleich Auskunft über das vermeintlich rätselhafte Treiben.

Sie und ihre Tochter Anita Dietzinger sind Vorstandsmitglieder des Lese- und Theatervereins "Turmgeflüster" und Organisatorinnen des zweiten Quidditch-Turniers in Fürstenfeldbruck. Das vom Verein geplante Event lehnt an die Sportart an, der die Harry Potter-Romane gegen Ende der neunziger Jahre zu weitreichender Bekanntheit verhalfen. Da sie in der Welt der Autorin J.K. Rowling nur von Personen mit Besenflugkünsten und anderweitig magischen Kräften praktiziert werden kann, entwickelte Turmgeflüster gemeinsam mit den jungen Brucker Fans ein Konzept, um Quidditch auf alltagstaugliche Weise spielbar zu machen.

Hierbei werden sowohl eine Reihe an Ballarten als auch Spielpositionen unterschieden, ein wendiger Rennbesen zwischen den Beinen ist jedoch unverzichtbar. Letztlich gehe es immer darum, möglichst viele Tore für das eigene Team zu erzielen und den Schnatz - ein besonders flinker und kleiner Ball - vor der anderen Mannschaft zu fangen. Dann sei das Spiel nämlich vorbei, erklärt Christine Dietzinger. Bei dem einzigartigen Konzept des Vereins kommt ein passiv teilnehmendes Publikum nicht in Frage. Viel eher brachte die Leidenschaft für Interaktion die Pädagogin auf die Idee, auch den Zuschauern Aufgaben zu geben, die elementar für die Dynamik des Spielflusses sind - beispielsweise wenn es um ein geeignetes Versteck für den gefragten Schnatz geht. Insgesamt vier Teams zu je sechs Spielerinnen und Spielern traten an diesem Samstagnachmittag gegeneinander an. Deren Namen - Gryffindor, Ravenclaw, Slytherin und Hufflepuff - ergeben sich aus den Häusern der romaninternen Hogwarts-Schule und begegneten sich in spannungsreichen K.-o-Runden auf dem Quidditch-Feld im Stadtpark.

"Go, go, Gryffindor!", ruft die rot gekleidete Mannschaft motiviert, bevor das erste Match beginnt. Zu ihrem Bedauern muss sie die Erfahrung machen, dass sich die Spieldynamik rasant wenden kann - binnen weniger Minuten und ein paar schneller Pässe und Torwürfe hält Benedikt Thiel von der gegnerischen Ravenclaw-Mannschaft den gefangenen Schnatz siegessicher in die Höhe. Doch so rasch gelingt es nicht jedem Team. Beim dritten Spiel beispielsweise muss Christine Dietzinger eingreifen und schlägt den Mannschaften Slytherin und Gryffindor eine Pause vor, bevor sie sich erneut auf Schnatz-Suche begeben und Slytherin triumphierend das Feld räumt. Tosender Applaus.

Unter den knapp 40 Zuschauerinnen und Zuschauern sind auch Antje und Oliver Strömsdörfer. Sie berichten, ihre zwei Töchter hätten die Romanreihe gleichermaßen verschlungen, "und das, obwohl sie einen recht großen Altersunterschied haben. Die Zeit scheint stehen geblieben zu sein, noch heute können sie sich für die Geschichten der Zauberwelt begeistern." Über die Aktivitäten des Vereins seien die beiden damals eher zufällig gestolpert, "aber nachdem unsere ältere Tochter das erste Event besucht hatte, entwickelte sich das ganze gewissermaßen zum Selbstläufer."

Das Turnier ist vorbei und die in gelb gekleidete Hufflepuff-Mannschaft Gesamtsiegerin aller Spiele. Ravenclaw muss sich in diesem Jahr mit dem zweiten Platz zufriedengeben, kurz vor den anderen Mannschaften Slytherin und Gryffindor. Im Gespräch mit den jungen Quidditch-Spielern ergibt sich ein Muster, das offenbar allen gemein zu sein scheint: Sie haben die Romanreihe in mindestens einer Sprache gelesen und teilen eine reflektierte Sichtweise auf die sozialen Medien. Dennoch sei der Quidditch-Sport etwas für jedermann, betont der Spieler Emil Helmers.

Nicht von ungefähr fangen viele Heranwachsende die Harry Potter-Bücher mit elf Jahren zu lesen an, also genau in der Lebensphase, in welcher die Hauptfigur in "Der Stein der Weisen" ihre ersten Zaubereierfahrungen sammelt. Sie könnten sich nur zu gut mit Potters Sichtweise auf sein Umfeld identifizieren, so die jungen Spieler. Nun scheinen zahlreiche Themen allerdings brennglasartig in Profilen bei Tik Tok oder Instagram ausgehandelt zu werden. "Vielen Mitschülern geht es in der virtuellen Welt nur um Follower und Likes. Das finde ich ziemlich schade", kommentiert Zoe Braun.

Für Rebecca Neuhauß und Audrey MacWilliams würden die Charaktere Hermine Granger, Luna Lovegood oder gar Elf Dobby genau die Charaktereigenschaften besitzen, die sie sich von so manchem Influencer wünschen würden. Lea Weishaupt jedenfalls spricht schon jetzt von der kommenden Quidditch-Veranstaltung. "Vielleicht sogar mit einem kleinen Fest im Anschluss?", spekuliert die Spielerin aus der Gewinnermannschaft, bevor sie mit dem Rennbesen zum Rest des Teams hinüberläuft. Oder fliegt?

© SZ vom 30.09.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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