Erneuerbare Energien:Flecken auf der weißen Klimaweste

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Das Turbinenkraftwerk der Fürstenfeldbrucker Stadtwerke produziert Öko-Strom. Für die Energiewende müssen die regenerativen Energien ausgebaut werden. (Foto: Johannes Simon)

Die Stromversorger im Landkreis wollen auf einem hart umkämpften Markt den Anteil der Eigenerzeugung mittels erneuerbarer Energiequellen ausbauen. Aktuelle Zahlen deuten darauf hin, dass es noch viel zu tun gibt

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Die Energieversorger im Landkreis werben gerne mit dem hohen Anteil regenerativer Energieträger bei der Stromproduktion. Experten wie Manfred Sengl (Grüne) sprechen den Brucker und Olchinger Stadtwerken sowie der Komm-Energie Erfolge bei der Umstellung vor allem auf Wind- und Sonnenstrom nicht ab, mahnen aber zur Differenzierung: Nur wer sich nicht auf den Lorbeeren wie längst abgeschriebenen Wasserkraftwerken ausruht, sondern permanent in neue Anlagen investiert, macht in Zeiten des fortschreitenden Klimawandels seine Hausaufgaben. Sengl ist promovierter Wissenschaftler, Mitarbeiter im bayerischen Umweltamt sowie Umweltreferent des Puchheimer Stadtrats. Er würde sich an einigen Stellen freilich durchaus noch etwas mehr Engagement wünschen. Noch kritischer äußerte sich jüngst der frühere Mammendorfer Bürgermeister Johann Thurner (Freie Wähler) im Kreistag.

Einen deutlichen Impuls bei der Umstellung auf eine nachhaltige Stromproduktion müssten vor allem Bund und Länder geben, sagen sowohl Sengl als auch Falk-Wilhelm Schulz, Chef der Olchinger Stadtwerke, mit Blick auf das Erneuerbare Energiengesetz (EEG) oder die in Bayern geltende 10-H-Mindestabstandsregelung für Windräder. Weil gerade auf dem liberalisierten Strommarkt ein harter Konkurrenzkampf herrscht, können die kommunalen Versorger auch die höheren Kosten einer umweltfreundlichen Stromproduktion nicht immer an den Kunden weitergeben.

Beispiel Brucker Stadtwerke: Die hundertprozentige städtische Tochter befindet sich in einer Zwickmühle. Sie soll möglichst CO₂-neutral produzieren, gleichermaßen aber die millionenschweren Defizite für die städtischen Bäder und das Eislaufstadion erwirtschaften und möglichst auch noch einen Gewinn an die Stadt ausschütten. In Konkurrenz steht sie dabei mit Versorgern, die nicht so viel Rücksicht auf Umwelt oder Kommunen nehmen wollen oder müssen. Als Leuchtturmprojekte gelten die beiden Windräder, die auf dem Gemeindegebiet von Mammendorf und Maisach gebaut wurden und jeweils Strom für etwa 2000 Haushalte liefern. Ein herber Rückschlag war freilich, dass die Genehmigung für ein drittes Windrad bei Puch kassiert wurde, weil dadurch nach Auffassung des Verwaltungsgerichts der Denkmalschutz der Sankt-Sebastian-Kirche zu stark beeinträchtigt worden wäre.

Die von den Stadtwerken vorgelegten Zahlen zeichnen dennoch ein Bild, das mit den Zielen des Klimagipfels in Paris vereinbar zu sein scheint. Den dortigen Beschlüssen zufolge soll von 2050 an weder Öl noch Gas noch Kohle verfeuert werden. Den Anteil am Strom, der mittels erneuerbarer Energiequellen produziert wird, beziffern die Stadtwerke auf ziemlich genau zwei Drittel. Kernenergie und Kohle steuern ebenso wie "weitere fossile Energieträger jeweils um die zehn Prozent zum Energiemix bei. Damit liegen die Stadtwerke nach eigenen Angaben deutlich unter dem bundesweiten Durchschnitt bei der Stromerzeugung. Dass in ganz Deutschland auf die subventionierten Energieträger Kohle gut 45 Prozent und Kernkraft fast 17 Prozent entfallen, ist einer der Gründe für die sehr niedrigen Preise an der Leipziger Strombörse, die Versorgern ebenso wie Verbrauchern als Richtschnur dient. Ganz ohne Zukäufe von "Atom- und Kohlestrom" kommen auch die Brucker Stadtwerke nicht aus, mögen sie es auch als Erfolg bewerten, dass sie mit der Emission von 134 Gramm CO₂ pro Kilowattstunde (KWh) deutlich unter den 508 Gramm des Bundesdurchschnitts liegen.

Stadtwerkechef Enno Steffens bleibt dabei, dass "die Eigenerzeugung ein wesentlicher Bestandteil unserer Firmenphilosophie ist". Um diesem Ziel näher zu kommen, bedürfte es aber eines weiteren Ausbaus. Derzeit versorgen die Stadtwerke 44 000 Kunden, darunter etwa 200 "Großabnehmer" - auf einem 300 Quadratkilometer großen Gebiet, das sich von Bruck nach Kaltenberg, vom Ammersee bis nach Hörbach und vom Wörthsee bis nach Malching erstreckt. Etwa jede siebte der 250 Millionen verkauften Kilowattstunden im Jahr 2014 wurde selbst erzeugt, der Rest zugekauft - darunter auch die in der Müllverbrennungsanlage Geiselbullach erzeugten 50 Millionen Kilowattstunden. Die 36 Millionen KWh Eigenproduktion gliedern sich auf in die beiden nahezu gleich großen Bereiche Fotovoltaik, Wasserkraft und Windkraft sowie die Kraft-Wärme-Kopplung, bei der in Hackschnitzel- oder biogasbefeuerten Blockheizkraftwerken Strom erzeugt und die Abwärme fürs Heizen verwendet wird.

Einen Umstand kann sich Steffens kaum erklären: Lediglich drei Prozent der Kunden entscheiden sich für den "FFB-Natur-Strom und damit für eine hundertprozentige nachhaltige Erzeugung. Und dies, obwohl die Differenz zum Normaltarif relativ gering ist - ein Modell-Vierpersonenhaushalt mit einem Verbrauch von etwa 4000 kWh würde statt 1090 Euro 1130, also lediglich 40 Euro mehr bezahlen. Sein Olchinger Kollege Schulz sieht sich dadurch bestätigt in der Sichtweise, dass der Preis entscheidend ist und sich die regenerative Energieerzeugung weltweit nur dann durchsetzen kann, wenn sie sich auch rechnet - so wie das im Heizungsbereich mit der preisgünstigen Fernwärme der Müllverbrennungsanlage bereits funktioniert. Die Kunden müssten heute schon Verbrauchssteuern und die EEG-Umlage bezahlen, da sei die Bereitschaft für weitere Opfer gering.

Die Olchinger Stadtwerke liefern dennoch, ebenso wie die Komm-Energie, ausschließlich Ökostrom und setzen darauf, dass die Kunden die regionale Erzeugung und eine Anlaufstelle vor Ort zu schätzen wissen. Seit der Gründung vor fünf Jahren wurde die Eigenproduktion auf mehr als zwei Millionen kWh ausgebaut. Große Fotovoltaikanlagen wurden auf den Dächern von Martinschule, Sozialzentrum und Feuerwehrhaus Geiselbullach installiert. Ebenso wie bei den Blockheizkraftwerken soll auch dieser Bereich ausgebaut werden. "Die Entwicklung wird so weitergehen", sagt Schulz mit Blick auf den geplanten Ausbau von Kraft-Wärme-Kopplung und Fernwärmenetz sowie das große Potenzial für Fotovoltaikanlagen im Gewerbepark.

Ähnlich sieht man das bei der Komm-Energie, dem vor sieben Jahren gegründeten Gemeinschaftsunternehmen der Gemeinden Eichenau, Gröbenzell und Puchheim sowie des Mehrheitsgesellschafters Bayernwerk AG, das zu hundert Prozent auf Wasserkraft-Strom setzt. Die Komm-Energie betreibt zudem seit 2010 Fotovoltaikanlagen in Puchheim, Gröbenzell und auf der Starzelbachschule in Eichenau. Wählen Kunden den Tarif "Komm-Strom Öko-Invest", dann fließt ein Cent pro kWh in den Ausbau regenerativer Energien in der Region. Auch hier ein nicht allzu gewaltiger Mehrbetrag, den laut Sengl aber nicht viele Kunden zahlen wollen. Und das, obwohl gerade hier Neuinvestitionen garantiert werden und es im Versorgungsgebiet noch genügend für Fotovoltaikanlagen geeignete Dächer gibt.

Es ist also noch ein langer Weg bis zur Energiewende, zu der sich der Landkreis verpflichtet hat. Bis zum Jahr 2030 soll der Energieverbrauch in Relation zum Basisjahr 2000 auf die Hälfte reduziert werden und ausschließlich aus regenerativen Quellen aus der Region gedeckt werden - mittels Wasserkraft, Geothermie, Biogas, Pflanzenöl, Holz, Fotovoltaik und Windkraft. Johann Thurner stellte der Kommune in seiner jüngsten Haushaltsrede freilich kein gutes Zeugnis aus. Fortschritte durch den Einsatz energiesparender Technik, wie LED-Lampen, würden durch den Einsatz zusätzlicher Elektrogeräte aufgezehrt. Die Konzessionsabgaben der Netzbetreiber legen Thurner zufolge den Schluss nahe, dass der Stromverbrauch mitnichten zurückgeht.

Auch beim Ausbau der Erneuerbaren rangiere der Landkreis gerade im Strombereich "auf dem 20. Platz von 23 Gebietskörperschaften" in Oberbayern, so Thurner unter Berufung auf die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie. Die räumt eine unsichere Datenlage ein, will auf ihrer Internetseite Energymap.info aber dennoch möglichst genau aufzeigen, wie nahe die einzelnen Regionen dem Ziel von hundert Prozent Erneuerbaren Energien bereits gekommen sind. EEG-Strom decke im Landkreis Fürstenfeldbruck lediglich zwölf Prozent des Strombedarfs und damit deutlich weniger als beispielsweise im Nachbarlandkreis Dachau (27 Prozent) - allerdings mehr als in Starnberg (fünf Prozent). Auf Gemeindeebene reicht das Spektrum von Gröbenzell (ein Prozent) über die Stadt Fürstenfeldbruck (acht Prozent) bis Mammendorf (58 Prozent). Im Bundesdurchschnitt liegt der Anteil bei 26 Prozent.

Den jährlichen Stromverbrauch des Landkreises beziffert die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie (Stand August 2015) auf 1,5 Millionen Megawattstunden (MWh). Dem steht die Stromproduktion von 176 700 MWh aus erneuerbaren Energiequellen gegenüber (alle Zahlen gerundet). Dazu leisten 4180 Solaranlagen ihren Beitrag in Höhe von 93 300 MWh. Auf vier Windkraftanlagen entfallen 5200 MWh, auf 13 Wasserkraftwerke 16 900 MWh, auf 25 Biogasanlagen 54 500 MWh, auf zwei Klärgasanlagen 67 MWh und auf 18 Geothermieanlagen die verbliebenen etwa 6700 Megawattstunden.

© SZ vom 07.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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