Fürstenfeldbruck:Fatale nächtliche Begegnung

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Am Landgericht München II sitzt ein 28-Jähriger auf der Anklagebank. Er soll in Fürstenfeldbruck in den frühen Morgenstunden eine 51-Jährige vergewaltigt haben. Den Sex gibt er zu, aber nach seiner Meinung war er freiwillig

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck/München

Brutale Vergewaltigung oder einvernehmlicher Sex? Diese Frage müssen die Richter der 1. Strafkammer am Landgericht München II beantworten. Seit Dienstag sitzt dort ein 28 Jahre alter Mann aus Nigeria auf der Anklagebank. Er lebte im vorigen Jahr eine Zeitlang in der Erstaufnahmeeinrichtung im Fliegerhorst. In dieser Zeit soll er eines Nachts auf dem Nachhauseweg eine 51-jährige Fürstenfeldbruckerin mit Gewalt zum Sex gezwungen haben. So lautet der Vorwurf der Anklage. Der junge Mann erklärte vor Gericht, er habe mit der Frau geschlafen. Aber auf ihre Bitte hin.

Die Staatsanwaltschaft wirft dem 28-Jährigen vor, am 2. November in den frühen Morgenstunden die 51-Jährige auf der Straße getroffen und angesprochen zu haben. Er habe sie auf einen Kaffee zu sich nach Hause eingeladen. Auf dem Weg dorthin sei man in einen Feldweg abgebogen. Dort, so der Vorwurf aus der Anklageschrift, habe er sich auf die Frau gestürzt und sie trotz Gegenwehr vergewaltigt. Etwas kurios an dem Geschehen: Die beiden nahmen sich danach auf Wunsch der Frau ein Taxi, welches sie direkt zur Polizei fuhr. Ob die Frau dem Taxifahrer plötzlich während der Fahrt dieses Ziel nannte oder der Fahrer selbst entschied dorthin zu fahren, nachdem sie plötzlich von Vergewaltigung sprach, darüber gibt es widersprüchliche Aussagen. Der Angeklagte jedenfalls durfte nach Sicherung aller Spuren und Aufnahme eines Protokolls die Polizeiinspektion verlassen. Anfang dieses Jahres kam er dann in Untersuchungshaft, als die Auswertung der Spuren ergab, dass die beiden Sex miteinander hatten.

Auch der Angeklagte, der Anfang 2014 aus seiner Heimat über Italien als Wirtschaftsflüchtling nach Deutschland gekommen ist, räumte von vorneherein ein, mit der Fremden geschlafen zu haben. Der Sohn einer Lehrerin und eines Kfz-Mechanikers betonte allerdings, dass er nichts gemacht habe, was gegen den Willen der 51-Jährigen gewesen sei. "Sie war sehr betrunken und sagte, ich soll Sex mit ihr haben", übersetzte die Dolmetscherin seine Worte aus dem Englischen. Er habe weder selbst die Initiative ergriffen noch sie gestoßen und zu Boden gedrückt, wie es ihm vorgeworfen werde. Der Vorsitzende Martin Rieder - die anderen drei Richter sind Frauen - erkundigte sich, weshalb er bei der Polizei und der ersten Ermittlungsrichterin den Sex geleugnet hatte. Aus Angst, man werde ihm nicht glauben, erwiderte der 28-Jährige. "Wie kann das sein? Erst fragt sie mich nach Sex und dann fährt sie mich zur Polizei."

Aus Rücksicht auf die Privatsphäre der Geschädigten schloss das Gericht während ihrer Vernehmung die Öffentlichkeit aus. Davor allerdings monierte der Vorsitzende bereits Widersprüche in ihrer Aussage. "In der ersten Vernehmung, sie hat sich nicht gewehrt", in der zweiten dann schon. Auch Schmerzen habe sie zuerst nicht erwähnt, dann schon. Warum er diese Widersprüche bei seiner Vernehmung nicht angesprochen habe, wollte der Richter vom ermittelnden Kriminalbeamten wissen, der die Frau erst einige Tage nach dem Vorfall befragte. Der Beamte erwiderte, die Frau habe sehr glaubwürdig auf ihn gewirkt, sie sei noch Tage später unter dem Eindruck des schrecklichen Erlebnisses gestanden.

Einige andere Polizeibeamte aus Fürstenfeldbruck, welche die 51-Jährige oder auch beide direkt am 2. November erlebt hatten, beschrieben ihren Eindruck von ihr ganz anders. Sie habe nicht den Eindruck gehabt, die Frau sei soeben vergewaltigt worden, sagte eine Beamtin. Die Frau habe auch nicht über Schmerzen geklagt. In diese Richtung gingen auch die Aussagen ihrer Kollegen. Da alle Polizisten an jenem Morgen nicht glaubten, einen brutalen Vergewaltiger vor sich zu haben, ließen sie ihn wieder laufen. Wie der Vorsitzende zudem verlas, hat die Rechtsmedizin bei der Untersuchung der 51-Jährigen direkt nach der mutmaßlichen Vergewaltigung keine Spuren entdeckt, die zweifelsfrei auf eine Vergewaltigung schließen lassen würden. Auch die Testergebnisse der Blutalkoholkonzentration der Beteiligten gab er bekannt. Die Frau hatte demnach knappe zwei Promille, der Mann lediglich einen leicht erhöhten Wert. Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.

© SZ vom 02.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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