Fürstenfeldbruck:Familienbande

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Kirchenführung: Ilse Aigner (blaues Kleid) mit den Brucker Parteifreunden (von links) Andreas Lohde, Erich Raff und Birgitta Klemenz. (Foto: Günther Reger)

Anlässlich des OB-Wahlkampfs spricht Ilse Aigner über die Wirtschaft in Fürstenfeldbruck - so euphorisierend, dass es einen Parteieintritt gibt

Von Julia Bergmann, Fürstenfeldbruck

Als ein Zeichen der Schwäche, als Hilfe von oben hat OB-Kandidat Erich Raff (CSU) seine Einladung an Ilse Aigner nicht verstanden wissen wollen. Dass die Staatsministerin und stellvertretende Ministerpräsidentin am Donnerstag im kleinen Saal des Veranstaltungsforums über "Wirtschaft in der Region Fürstenfeldbruck" gesprochen hat und dass sie eigens für den OB-Wahlkampf nach Bruck gekommen ist, sei viel mehr als Zeichen dafür zu werten, dass die CSU als große Familie zusammenhalte. Und es sei Beweis, dass der CSU-Ortsverband über gute Kontakte in die Landespolitik verfüge, von denen man sich breite Unterstützung auch für kommunale Anliegen erhoffen könne, sagte Raff.

Rund 100 Zuhörer erschienen am Donnerstagabend, weit weniger als die Partei erwartet hatte. Bestuhlt war laut Ortsvorsitzendem Andreas Lohde für 150 Gäste. "Vielleicht liegt es am guten Wetter. Vielleicht sind die Leute in der vergangenen Woche aber auch müde geworden", sagt Lohde. Dass offensichtlich auch ein guter Teil der CSU-Mitglieder keine Zeit gefunden hatte, die Wahlkampfveranstaltung Raffs zu besuchen, hielt Aigner während ihrer Rede aber nicht davon ab, das Wort von der Partei als Großfamilie weiter zu bemühen. "Wenn ich einen kleinen Teil dazu beitragen kann, dass es die große CSU-Familie gibt, dann ist das selbstverständlich, nein, es ist mir eine Freude", sagte sie und meinte ihre Unterstützung für Raff.

Während ihres Vortrags bot Aigner mehrmals ihre Unterstützung für Fürstenfeldbruck an, betonte, wie wichtig die Zusammenarbeit der Landes- und Kommunalpolitik sei, und geriet über die wirtschaftliche Lage des Freistaats in ausgiebiges Schwärmen. "Die Region, der Freistaat insgesamt, steht ja mehr als prächtig da", sagte sie. "Die Menschen kommen nach Bayern, kommen nach Fürstenfeldbruck, nicht weil wir sie hierher verschleppen oder unter Gewaltandrohung herbringen, sondern weil sie erkennen, dass es in dieser Region eine Zukunft für sie und ihre Familien gibt, weil die Wirtschaft prosperiert." Die niedrige Arbeitslosigkeit, das vielseitige Bildungssystem, das hohe Durchschnittseinkommen, das mache die Region unter anderem attraktiv. Zwar nahm Aigner zu Beginn ihrer Rede immer wieder Bezug auf Brucker Zahlen, erwähnte etwa die Arbeitslosenquote von 2,5 Prozent im Landkreis, recht viel detaillierter ging sie auf die Wirtschaft vor Ort und deren Charakteristika aber nicht ein. Immer wieder referierte sie über die Situation Bayerns und schaffte den lokalen Bezug lediglich mit dem Nachsatz: "Das gilt auch für Fürstenfeldbruck."

Trotzdem schaffte sie es, ihr Publikum zu begeistern. Als sie sich dafür aussprach, 27 Jahre nach der Wiedervereinigung den Solidaritätszuschlag abzuschaffen, erntete sie Applaus. Ebenso, als sie über die Erbschaftssteuer sprach, betonte, gegen Substanzbesteuerung zu sein, und erklärte, die Forderung der Grünen nach Steuererhöhungen könne sie angesichts des ausgeglichenen Haushalts nicht verstehen. Vielmehr sei es jetzt an der Zeit, Schulden zu tilgen, einen Teil der Einnahmen in den Ausbau von Infrastruktur zu investieren und einen weiteren Teil an die Leistungsträger zurückzugeben. Zum Brexit sagte sie: "Ja mei, die haben halt ihren Stolz, die kämpfen für ihr Land. Das will ich gar nicht kritisieren." Und mit Blickrichtung in die Vereinigten Staaten: "Ich werfe keinem vor, wenn er sagt, America first. Genauso sage ich: Bayern zuerst." Das sind Sätze, für die sie die Konservativen lieben. Dem Brucker Publikum entlockte sie damit Applaus.

Aigners Art, nahbar, offen, direkt, wirkte offensichtlich so euphorisierend, dass sich ein Mann aus dem Publikum noch am selben Abend zum Parteieintritt entschied und das auch lauthals kundtat: in so entschlossenem Tonfall, dass sogar Aigner für den Bruchteil einer Sekunde überrascht wirkte. Einer der Gäste nutzte schließlich die Gelegenheit, die Wirtschaftsministerin an Ort und Stelle auf ihr Unterstützungsangebot festzunageln. CSU-Stadtrat und früherer Kreishandwerksmeister Franz Höfelsauer fragte ganz direkt nach Aigners Hilfe bei der Ansiedlung neuer Firmen auf einem Grundstück in der Hasenheide, das dem Freistaat gehört. Die Staatsministerin ließ sich nicht lange bitten: "Des mach' ma", sicherte sie ihre Hilfe ohne Zögern zu. Familie verpflichtet.

© SZ vom 20.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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