Fürstenfeldbruck:Eine Stadt emanzipiert sich von Kloster und Luftwaffe

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Musiker Elton John bei einem Besuch des Fliegerhorsts im Jahr 1992. (Foto: Repro: Johannes Simon)

Ein Museum im künftigen Brucker Osten könnte die Einflüsse von Kirche und Militär darstellen. Noch aber fehlt die politische Grundsatzentscheidung

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Im Treppenhaus des alten Towers hängt ein Gemälde, das ein Jagdflugzeug in luftiger Höhe über Kloster Fürstenfeld zeigt. Stilistisch ist es der naiven Malerei zuzurechnen, signiert mit dem Namen Augsberger. Bemerkenswert ist, dass der Künstler die barocke Anlage dargestellt hat, wie sie in vorindustriellen Zeiten ausgesehen haben mag, und die Stadt oder damals der Markt völlig im Hintergrund bleibt. Das Kunstwerk symbolisiert für Werner Hanak-Lettner die Geschichte Fürstenfeldbrucks: Stets wurden der Ort und seine Bürger fremdbestimmt, zuerst von der Kirche, später vom Militär. Der Chefkurator des Jüdischen Museums in Wien wählte das Bild als Ausgangspunkt für seine Überlegungen zu einer künftigen Dokumentation auf dem Fliegerhorst, die er im Mai 2014 auf einem Kolloquium im Rathaus vortrug.

Die Beiträge sind jetzt mit einer Ausnahme in einem Sammelband nachzulesen, den Stadtarchivar Gerhard Neumeier und Stadtbaurat Martin Kornacher herausgegeben haben. Der Workshop und das Buch sollen zu einer Klärung beitragen: Wie soll die Stadt mit dem historischen Erbe umgehen, in welcher Form daran erinnern? In dem Buch ist nachzulesen, wie konträr die Vorstellungen sind, dass viel Diskussionsbedarf besteht und reichlich Konfliktstoff vorhanden ist.

In der Sache ist seit dem Workshop wenig passiert. Kulturreferentin Birgitta Klemenz (CSU) hat zusammen mit Kornacher und Neumeier sowie den Leiterinnen des Stadtmuseums ein Papier ausgearbeitet, damit der Stadtrat eine Grundsatzentscheidung treffen und einen Arbeitsauftrag für ein Grobkonzept erteilen kann. Der zweite Kulturreferent, Klaus Wollenberg (FDP), protestierte wegen angeblicher Kompetenzüberschreitung. Das Papier verschwand also wieder in der Schublade.

Der Vorschlag von Hanak-Lettner, möglichst schnell Zeitzeugen zu interviewen, die sich noch an den Fliegerhorst in der NS-Zeit erinnern können, erledigt sich von selbst, je mehr Zeit vergeht. Anderen dürfte das zupass kommen, etwa Henning Remmers von der "Gemeinschaft Jagdbombergeschwader 49", die Objekte vom Flugbetrieb sammelt und im Fliegerhorst ausstellt. Er findet die nationalsozialistische Gründungsphase des Fliegerhorstes überbetont. Es laste kein "brauner Schatten" auf Fursty, schreibt er. Allerdings zeigen die Beiträge der Historiker Paul Hoser und Detlef Bald, letzterer war Direktor am Sozialwissenschaftlichen Institut der Bundeswehr in München, welch zweifelhafte Traditionspflege betrieben wurde - angefangen vom Luftwaffenehrenmal, das auf Initiative einstiger Nazi-Generäle zustande kam, bis zu Straßen, die nach Piloten der Legion Condor benannt wurden, einer Einheit, die das Massaker von Guernica anrichtete. Remmers möchte in erster Linie an die etwa 7000 Piloten erinnern, die seit 1957 ausgebildet wurden. Als Herzstück der Sammlung bezeichnet er die Gruppenfotos fast aller Lehrgänge. Dagegen schlägt Hanak-Lettner zwei Erzählstränge vor: Der eine würde die Geschichte des Fliegerhorstes anhand der Entscheidungen darstellen, die anderswo getroffen wurden, eine klassische Herrschaftsgeschichte kritisch reflektiert, sowie als zweiten Strang die Perspektive der Stadt und ihrer Bewohner. Dabei sollten die Erinnerungen eine wichtige Rolle spielen, weshalb er Zeitzeugen-Interviews empfahl, die möglichst schnell erarbeitet und in der Stadt gezeigt werden könnten. Die Dokumentation solle Teil einer neuen Identität der Stadt werden, die sich von Kloster und Luftwaffe emanzipiert. Hanak-Lettner entwickelt auch einen Fahrplan. Ein Projektteam soll eine erste Konzeption erarbeiten und einen Standort vorschlagen. Nach der Entscheidung des Stadtrates würde eine Architektenwettbewerb stattfinden, entweder für einen Neubau oder einen Umbau, anschließend ein Feinkonzept entwickelt.

Die Vertreter der Luftwaffe machten klar, dass das Militär sich weder finanziell noch als Träger beteiligen werde, allerdings ihr Wissen beisteuern könnte. Peter Popp, Erinnerungsbeauftragter der Offizierschule, plädierte für einen Standort, der historische Bausubstanz repräsentiert. Im Gegensatz zu Remmers empfiehlt Ralf-Gunther Leonhart, Leiter des Militärhistorischen Museums Flugplatz Berlin-Gatow, eine Ausstellung, die den Flugplatz als Teil der Ortsgeschichte präsentiert. Die Geschichte einzelner militärischer Einheiten zu schildern, etwa des Jagdbombergeschwaders, "greift hier zu kurz", schreibt Leonhart klipp und klar. Er rät, die Trennung von Olympia-Attentat und Geschichte des Fliegerhorstes "zu überdenken", weil beide Aspekte untrennbar miteinander verbunden seien.

Sowohl Leonhart als auch Hanak-Lettner plädieren dafür, eine Dokumentation der Geschichte des Fliegerhorstes als Abteilung des Stadtmuseums zu führen, allerdings mit eigenem Personal. Hanak-Lettner weist daraufhin, dass dem renommierten Museum ein zeithistorisches Kapitel völlig fehlt. Eine neue Abteilung über die "Stadt des Himmels und der Erde" könnte dieses Defizit beheben.

Gerhard Neumeier, Martin Kornacher, Gelebte Geschichte. Der Fliegerhorst und die Stadt Fürstenfeldbruck - Geschichte, Erinnerung und Zukunft, Fürstenfeldbruck 2015, 168 Seiten, 19,90 Euro

© SZ vom 06.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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