Fürstenfeldbruck:Ebenmaß der Chöre

Lesezeit: 2 min

Weihnachtszeit ist Klangzeit, Chormusik steht vielerorts auf dem Programm. Kirchenchöre unterliegen aber einem Strukturwandel, auch in der Region. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Stimmungsvolle Aufführung von Bachs Weihnachtsoratorium

Von Klaus Mohr, Fürstenfeldbruck

Was gibt es für eine bessere Idee, als das Weihnachtsfest mit dem Besuch einer Aufführung des "Weihnachtsoratoriums" von Johann Sebastian Bach zu verbringen? Das dachten sich wohl viele Besucher, die in den Stadtsaal gekommen waren, um dem aus gut 80 Sängern bestehenden Philharmonischen Chor Fürstenfeld und dem Seraphin Ensemble München bei vier Teilen aus diesem Werk zu lauschen. Als Solisten waren Judith Spiesser (Sopran), Theresa Holzhauser (Alt), Andreas Hirtreiter (Tenor) und Matthias Winckhler (Bass) zu hören. Die Gesamtleitung hatte Andreas Obermayer.

Der berühmte Eingangschor zum ersten Teil "Jauchzet, frohlocket" überzeugte durch ein ausgeglichenes musikalisches Ebenmaß: Das frische Tempo war schön auf den Taktschwerpunkten gefedert, der Klang eher trocken und punktgenau gehalten. Auf dieser Basis erzeugte die Imitation Präzision im Zusammenspiel und wirkte die Textdeklamation als deutlich strukturbildendes Element. Diese Maximen kamen der Interpretation auch in anderen Nummern zu Gute, etwa beim Chor "Ehre sei Gott". Polyphone Verschränkung und Koloraturen waren gut bewältigt, weil das gewählte Tempo einen organischen musikalischen Fluss ermöglichte. Der Eröffnungschor zu Teil VI "Herr, wenn die stolzen Feinde schnauben" begann im gleichen Duktus, doch konnte die hohe Konzentration hier nicht ganz bis zum Ende konsequent aufrechterhalten werden.

Andreas Obermayer erwies sich als Dirigent, der seinen Musikern weite Spielräume lässt. Seine weichen Dirigierfiguren gaben das Tempo vor, formten aber vor allem Bögen. Die Choräle gelangen allesamt in sattem Legato-Klang, gerieten aber nie zu dick. "Wie soll ich dich empfangen" erhielt dadurch eine meditativ-beruhigende Grundstimmung, während "Brich an, o schönes Morgenlicht" durch die etwas kraftvollere Dynamik einen auffordenden Charakter annahm. Im Schlusschoral "Nun seid ihr wohl gerochen" ergab sich in der Kombination mit der konzertanten Orchesterführung ein veritabler Kontrast. Die Secco-Rezitative dirigierte Obermayer nur teilweise und schuf damit einen Freiraum für den Evangelisten und das Continuo, individuell aufeinander zu reagieren. Mit Andreas Hirtreiter war ein sehr erfahrener Evangelist zu hören, der den Text mit klar verständlicher Deklamation vortrug. Seine Qualitäten als lyrischer Tenor konnte er, sekundiert von zwei Oboen d'amore, in der Arie "Nun mögt ihr stolzen Feinde" unter Beweis stellen.

Wunderbare Höhepunkte der Aufführung waren manche Arien. Die Alt-Arie "Schließe, mein Herze" erfüllte Theresa Holzhauser mit ihrer warmen Stimme und idealer Balance mit der Solovioline. Im "doppelten" Duett "Herr, dein Mitleid" ergänzten sich einerseits die glockenhelle Stimme von Judith Spiesser und der klare Ton des Basses Matthias Winckhler, andererseits die beiden Oboen d'amore in beglückendem Einverständnis. Die gewichtige Bass-Arie "Großer Herr, starker König" brachte die Stimme von Matthias Winckhler in Korrespondenz mit der Trompete ausgezeichnet zum Leuchten. Die Klarheit seiner Diktion, die Flexibilität in seinen Koloraturen und das Volumen seiner Stimme verschmolzen hier ganz mit einer samtig-weichen Tongebung. Auf das Seraphin Ensemble München mit seinen detailliert abgestimmten Phrasierungen war in der ganzen Aufführung absoluter Verlass.

Am Ende gab es lang anhaltenden Beifall für eine rundum gelungene und solide Gesamtleistung. Dafür war auch die stimmige Dramaturgie der Interpretation verantwortlich: Chöre, Choräle, Rezitative und Arien waren in allen vier Teilen so aufeinander bezogen, dass sie zwar gegensätzlich, aber stets als Einheit aufzufassen waren.

© SZ vom 29.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: