Fürstenfeldbruck:Drama mit offenem Ende

Lesezeit: 2 min

Zur Eröffnung der Treuhand-Ausstellung in Fürstenfeldbruck spricht Christa Luft, die vorletzte Wirtschaftsministerin der DDR, über die Fehler der schnellen Privatisierung

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Die ehemalige DDR-Wirtschaftsministerin Christa Luft ist per Video aus Berlin zugeschaltet und berichtet von ihren Erfahrungen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Christa Luft ist noch immer empört. Auch nach 30 Jahren. Als "die größte Vernichtung von Produktiveigentum in Friedenszeiten" beschreibt sie das Handeln der Treuhand bei der Privatisierung der DDR-Wirtschaft. Und Luft weiß, wovon sie spricht, war sie doch Wirtschaftsministerin und stellvertretende Vorsitzende des Ministerrats in der Regierung Modrow, der vorletzten der DDR. Zur Eröffnung der Ausstellung "Schicksal Treuhand - Treuhand-Schicksale: Wie DDR-Betriebe abgewickelt wurden" in der Stadtbibliothek in der Aumühle spricht die 82-jährige Wirtschaftsprofessorin, die von 1963 bis 1971 inoffizielle Mitarbeiterin der Stasi war, eine halbe Stunde lang über ihre persönlichen Erfahrungen und die wirtschaftliche Abwicklung der DDR, live per Videoschalte aus Berlin. Organisiert wird die Wanderausstellung, die nun bis zum 9. September in Fürstenfeldbruck Halt macht, von der Rosa-Luxemburg-Stiftung, deren Mitglied Luft ist.

Die Geschichte sei keine Komödie, denn da gebe es ein Happy End, sondern ein Drama, von dem man noch immer nicht sagen könne, wie es ausgehen werde. Es gehe ihr nicht darum, die Wirtschaft in der DDR schön zu reden oder Mängel zu verschweigen, betont sie. Aber der Zustand sei eben auch nicht so schlecht gewesen, wie im Westen behauptet. Die DDR sei zum Zeitpunkt der Wiedervereinigung nicht marode und pleite gewesen, wie es im Westen immer wieder mantraartig geheißen habe, aber sie habe auch keine Zukunft gehabt. Aber es gebe eben vieles an der Arbeit der Treuhand, was zu kritisieren sei. Mit einem klügeren Handeln hätte der Absturz des Osten nicht so heftig ausfallen müssen, wie er es letztlich getan hat.

Luft geht es darum, das Tempo und die Art der Privatisierungen durch die Treuhand zu kritisieren und dass oft kein Wille erkennbar gewesen sei, Betriebe zu sanieren, stattdessen sei eine Vermögensumverteilung in Richtung Westen erkennbar gewesen. Dazu gekommen sei eine oft überhebliche Haltung der Westpolitiker gegenüber den ostdeutschen Politikern und Bürgern. Millionen von ihnen hätten im Zuge der Privatisierungen ihre Arbeit verloren. Die 82-Jährige kritisiert aber auch die Bereitschaft der Menschen im Osten, die schnelle Umstellung auf die D-Mark und die Versprechen und das Tempo des Westens unhinterfragt mitzutragen. Immer wieder habe sie versucht, den Bürgern im Osten und den Politikern Westen die Gefahren näher zu bringen - erfolglos.

Die Ausstellung erzählt von Einzelschicksalen und großen Zusammenhängen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Lufts Ausführungen sind ein interessanter Gedankenanstoß, weil sie einen neuen Blick auf ein wichtiges und bis heute nachwirkendes Kapitel der deutschen Geschichte werfen. Natürlich sind ihre Kritik und Perspektive dabei von ihrer ehemaligen Funktion geprägt und beschränken sich fast ausschließlich auf den wirtschaftlichen Bereich. Dennoch liefert sie, übrigens seit Jahren, einen Debattenbeitrag, der unbedingt gehört werden sollte.

Doch Luft war nicht die einzige Zeitzeugin, die zur Ausstellungseröffnung sprechen durfte. Eingeladen war auch die Dolmetscherin Angela Brockmann, die für das Schwermaschinenbaukombinat Ernst Thälmann (SKET) in Magdeburg gearbeitet hat und bis Mitte der Neunziger dessen Entwicklung miterleben konnte. Sie berichtet von der Neugier und Aufbruchsstimmung unter den jungen Menschen, die zwar gespürt hätten, wie ungerecht die Entwicklungen seien, aber dennoch dem Neuen entgegengefiebert hätten. Aber auch davon, wie gering der Wille der Treuhand gewesen sei, das SKET zu erhalten, von 30 000 Mitarbeitern 1990 waren bald nur noch 5000 über, bevor die Gesellschaften komplett abgewickelt worden sind. Und von den Sorgen der Menschen, die dadurch arbeitslos wurden.

Die Ausstellung "Schicksal Treuhand - Treuhand-Schicksale" ist bis zum 9. September in der Stadtbibliothek in der Aumühle in Fürstenfeldbruck zu sehen. Ein ausführliches Interview mit Christa Luft ist auf der Seite der Rosa-Luxemburg-Stiftung unter www.rosalux.de zu finden.

© SZ vom 19.08.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: