Fürstenfeldbruck:Dr. Grillmeister

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Andreas Ströhle hat Philosophie studiert und über Zufall und Willensfreiheit promoviert. Seit Eröffnung des "Klubhouse" ist er dort abends der Mann für die Burger. Mit dem Nebenjob finanziert der BBV-Stadtrat sein Engagement in einem regionalen Startup

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Eigentlich arbeiten sie ganz leidlich zusammen - der Brucker Stadtrat Andreas Ströhle von der BBV-Fraktion und sein Kollege Florian Weber von der Fraktion Die Partei und Frei. Beide sitzen nur ein paar Meter auseinander hinter den dunkel furnierten Holztischen im Sitzungssaal des Rathauses. Ähnliches Bild im Klubhouse gegenüber der Leonhardskirche. Auch dort arbeiten sie gut zusammen - auch dort nur ein paar Meter voneinander getrennt: Weber, 31, zapft Bier, Ströhle, 39, bedient den Burgergrill.

Damals noch am Burgergrill: Andreas Rothenberger 2018 als nebenberuflicher Küchenchef des Klubhouse. (Foto: Carmen Voxbrunner)

An einem Abend Anfang Januar steht der promovierte Philosoph Ströhle (Thema der Doktorarbeit: "Zufall und Willensfreiheit") in der kleinen Küche und schnippelt Salat. Das ist sein freier Wille - nunja, jedenfalls fast. Der verheiratete Vater dreier Kinder - sechs, acht und 14 Jahre alt - nimmt gemeinsam mit Partnern gerade den zweiten Anlauf mit dem Brucker Netz, einem Internetdienstleister, der die Produkte kleiner Geschäfte aus dem Landkreis auf einer Internetplattform vermarktet. Und weil bei einem solchen Startup in der Anlaufphase immer das Geld knapp ist, entschied sich Ströhle für einen weiteren Nebenjob - über die ehrenamtliche Arbeit als Stadtrat hinaus, für die es keine allzu üppige Aufwandsentschädigung gibt. Tagsüber sitzt er im Büro und programmiert. Abends blieben also Tankstelle oder Gastronomie. Ströhle kocht zu Hause viel. Außerdem hat er in seiner Studentenzeit regelmäßig in Kneipen bedient, war zehn Jahre Barkeeper im früheren Unterhaus und lange Zeit Springer in der einstigen Oase am Fliegerhorst. Deshalb war das mit der Tankstelle eher eine rhetorische Frage. Als Florian Weber gemeinsam mit seinem Spezi Sebastian Pittrich am 1. September die Kneipe am Leonhardsplatz übernahm, da war ausgemachte Sache, wer hinterm Grill steht. Ausgemachte Sache war auch, was es dort vorzugsweise gibt: Burger, die so etwas wie das Spezialgebiet Ströhles sind. Ist das frühere Mitglied der Piratenpartei im Stadtrat Referent für Bürgerbeteiligung, so wird er im Klubhouse schon mal spaßeshalber "Referent für Burgerbeteiligung" genannt.

Wo zuvor die Alte Liebe zu Hause war, wurde vor sechs Jahren das Klubhouse eröffnet. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Freundschaft hin oder her - natürlich gab es vor seinem Engagement einen Probeburger. Der mundete dem Profi-Gastwirt Florian Weber, der bis zu seinem Abriss den Squashpalast in der Buchenau sowie im vergangenen Sommer den Unterhaus-Biergarten geleitet hat. Für Ströhle keine Überraschung, werden doch die zentrale Zutaten wie Fleisch, Semmel und Senf von regionalen Lieferanten bezogen. Der promovierte Grillmeister bietet neun Standardvarianten - wie etwa den Bairisch Crowd - sowie zahllose weitere an, die auf Kundenwunsch ("Bau dir deinen Burger") zusammengestellt werden.

Wie man Burger brät, das hat sich der BBV-Stadtrat autodidaktisch angeeignet: Mit Internetrecherche kennt er sich ja aus, außerdem hat er in der Oase früher ein paar mal als Küchenhilfe gearbeitet. Drei bis 40 Burger brutzelt er am Abend, je nach Wochentag und Andrang. "Bisher habe ich vier- bis fünfmal die Woche hier gearbeitet, da ist praktisch keine Freizeit mehr geblieben", sagt Ströhle. Sein Ziel ist es, die Burgergeschichte auf ein Mal die Woche zu reduzieren, um über Internetjob und Politik hinaus wieder etwas mehr Luft für die Familie zu bekommen.

Natürlich zapft der Chef hier auch selbst (Florian Weber, Mitte), was bleibt ihm auch anderes übrig? (Foto: Carmen Voxbrunner)

An diesem Abend jedenfalls ist mal wieder ziemlich Land unter. Die Spülmaschine ist kaputt. Und auf die Frage, wer denn nun abwasche, verdreht der Mann im roten Küchenzweireiher etwas gequält die Augen: "Na wer wohl?" Den Ärger mit der Spülmaschine bekommt jetzt erst mal das Hackfleisch zu spüren, das mit der Burgerpresse ordentlich eins übergebraten bekommt - weshalb es zischt und der Chefkoch kurzzeitig in einer Dampfwolke verschwindet.

Im September war Oberbürgermeister Erich Raff (CSU) kurz nach der Eröffnung da, CSU-Stadtrat Markus Droth hat auch schon vorbeigeschaut. Und Ströhles Fraktionskollege Karl Danke ist Stammgast (Leibspeisen: Currywurst und Käsebällchen mit Sauerkraut ). Das freut natürlich auch Florian Weber, der darauf hofft, dass die Kneipe zum Erfolg wird. Die Chancen scheinen nicht nur wegen der sehr ordentlichen Bewertungen im Internetportal Tripadvisor recht gut zu sein. In den ersten Monaten nach der Öffnung hat sich Weber bei abendlichen Ausschusssitzungen häufig von seiner Fraktionskollegin Alexa Zierl vertreten lassen, "aber jetzt geht's langsam und alles hat sich eingespielt". Eingespielt haben sich auch die Probleme mit den altertümlichen Schraubsicherungen, die anfangs fünf Mal am Tag durchbrannten - wenn mal wieder ein hoffnungsloser Optimist Spülmaschine und Fritteuse gleichzeitig angeschaltet hatte.

Dem Team gehören ein Festangestellter und fünf Aushilfen an. Vor allem muss Kompagnon Sebastian Pittrich mit anpacken - der hat zuvor die Akquise für eine Möbelspedition gemacht und weiß, wie das geht. Noch ein paar Jahre früher hat Pittrich Philologie studiert, was man in der Kneipe etwa genauso dringend braucht wie Webers legendäre rote Stadtrats-Krawatte. Nicht klar ist, warum sich ein Sprachwissenschaftler nicht gegen den Namen der Kneipe zur Wehr setzt, der weder Fisch noch Fleisch ist, also nicht Klubhaus oder Clubhouse, sondern im besten Denglisch eben Klubhouse.

Wichtiger sind aber ohnehin Pittrichs Connections in der Musikszene - er spielt bei der Band Cheerio Joe mit, nach der nun sogar einer der Burger benannt ist. Viele befreundete Musikgruppen aus der Region treten im Clubhouse auf, ergänzt wird das Live-Programm durch das aus dem Squashpalast bekannte Pub-Quiz alle zwei Wochen, die Karaokenacht alle zwei Monate sowie das Montagsbingo. Zudem werden an Wochenenden Bundesligaspiele sowie American Football gezeigt und wochentags Spiele der Champions League.

Bei solchen Events nimmt sich dann auch schon mal der politisch und philosophisch beschlagene Küchenchef eine kurze Auszeit - und verputzt dabei einen seiner Burger.

Klubhouse, Öffnungszeiten Sonntag bis Donnerstag 17 bis 1 Uhr, Freitag, Samstag und vor Feiertagen 17 bis 3 Uhr (bei wichtigen Fußballspielen wird bei bedarf früher geöffnet). Nächste Karaokenacht am Freitag, 26. Januar; nächstes Pub-Quiz am Mittwoch, 31. Januar.

© SZ vom 24.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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