Fürstenfeldbruck:Dokumente entlasten Sicherheitspersonal

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Bei einem Handgemenge an der Pforte der Asyl-Unterkunft am Fliegerhorst stürzt eine schwangere Frau. Dies scheint aber nicht die Ursache zu sein für die folgende Totgeburt. Einige Fragen bleiben freilich offen

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Die Kriminalpolizei Fürstenfeldbruck hat Ermittlungen aufgenommen zum Fall einer schwangeren Asylbewerberin, die nach eigenen Angaben bei einer Rangelei mit Sicherheitspersonal zu Sturz gekommen war und etwas später ihr Kind verloren hatte. Dokumente, die der SZ vorliegen, deuten darauf hin, dass es an der Pforte der Asylerstaufnahmestelle am Fliegerhorst in der Tat zu einem Handgemenge gekommen war, dass dies aber nicht ursächlich für die Totgeburt war. Gleichwohl bleiben Fragen offen.

Bei der Demonstration von etwa hundert Asylbewerbern am Samstag war der Fall erstmals öffentlich bekannt geworden und hatte hohe Wellen geschlagen. In dem Aufruf zur Demonstration wurden Vorwürfe der 33 Jahre alten Frau aus Nigeria publiziert: "Die Sicherheitskräfte schubsten mich während der Schwangerschaft. Ich wurde umgehend ins Krankenhaus gebracht, aber verlor am Ende des Tages meine Zwillinge. Ich erhielt Schmerzensgeld in Höhe von 15 000 Euro und die Regierung bat mich, Deutschland zu verlassen, obwohl mir gesagt wurde, ich solle nach sieben Jahren immer das Grab meines Babys besuchen." Huniphry Issac, 47, der Vater des tot geborenen Kindes, korrigierte am Rande der Kundgebung zwar, es habe sich nicht um Zwillinge gehandelt, sondern um ein einzelnes Kind. Die Vorwürfe Richtung Security hält er aber aufrecht.

Aus Kopien ärztlicher Dokumenten, die Issac mittlerweile der SZ übermittelt hat, lässt sich der mögliche Hergang der Ereignisse am 19. Mai ableiten. Die im sechsten Monat schwangere Frau, die bereits Mutter dreier Kinder ist, hat bei der Einlieferung in die Notaufnahme des Krankenhauses offenbar angegeben, sie sei vor einer Taschenkontrolle am Besuch der Toilette gehindert worden. Dabei sei sie zu Sturz gekommen. Die Mediziner schätzten dies als "Bagatell-Sturz" ein. Weil die Frau sich mit den Händen abfangen konnte, habe es keine Verletzungen und keine Blutungen gegeben. Der Fötus indes habe "gravierende Fehlbildungen" aufgewiesen. Das deckt sich mit der Einschätzung des Kreisklinikums, die der SZ ebenfalls vorliegt. Auch dort wird mit Blick auf die erfolgte "ambulante Behandlung" auf bereits bestehende "gravierende Fehlbildungen" des ungeborenen Kindes hingewiesen. Auf einem auf den 5. Juli datierten Überweisungsschein der Ärztin, die im Auftrag der Regierung die medizinische Betreuung der Asylbewerber übernommen hat, ist von einem "medizinisch indizierten Schwangerschaftsabbruch bei nicht lebensfähiger Fehlbildung" die Rede. Dabei wird aber auch auf die der damaligen Totgeburt folgende besorgniserregende Depression der Frau aus Nigeria hingewiesen - für sie ist der Anblick der vielen schwangeren Frauen und Säuglinge in der Unterkunft offenbar nur sehr schwer zu ertragen. Die Ärztin empfiehlt denn auch "dringend eine Unterbringung in einer kleineren Unterkunft".

Bei der Regierung von Oberbayern, die für die zur "Dependance des Ankerzentrums Manching" umgewidmeten ehemaligen Kaserne mit ihren zurzeit fast tausend Bewohnern zuständig ist, heißt es, von den Vorfällen sei nichts bekannt. Eine Sprecherin reagiert auf die Anfrage der SZ zu dem Sturz an der Pforte und dem angeblich deshalb verlorenen Kind überrascht: "Die Aussagen enthalten gravierende und völlig haltlose Vorwürfe, denen die Regierung von Oberbayern mit Entschiedenheit entgegentritt." Alle Bewohner würden mit Respekt behandelt und insbesondere die medizinische Versorgung habe hohe Priorität. Von einem möglichen Fehlverhalten des Sicherheitspersonals wisse man nichts: "Derartige Vorgänge sind der Regierung von Oberbayern nicht bekannt und ihnen würde mit allen Konsequenzen begegnet. Trotz wiederholter Nachfrage weitgehend unbeantwortet lässt die Regierung die Frage, warum der erst im Februar abgeschlossene Vertrag mit der Sicherheitsfirma bereits Mitte Mai wieder "im gegenseitigen Einvernehmen" aufgehoben worden ist und dann erneut eine andere Firma für die Betreuung der Asylunterkunft engagiert wurde. Aus "vertragsrechtlichen Gründen werden wir uns zu weiteren Einzelheiten nicht äußern", schreibt die Sprecherin der Regierung. Ähnlich wortkarg gibt sich auch die Sicherheitsfirma. Nach Eindruck des Brucker Integrationsreferenten Willi Dräxler (BBV) sind Teile des bisherigen Stammpersonals offenbar von dem neuen Dienst übernommen worden.

Eine Anzeige wegen der angeblichen Schubserei an der Pforte wurde damals von den Bewohnern nicht erstattet, wie die Polizei bestätigt. Auch behandelnde Ärzte hätten sich nicht gemeldet, wie dies im Fall einer vermuteten Gewalteinwirkung zu erwarten gewesen wäre, so Brucks Vize-Polizeichef Michael Fischer.

Fakt ist freilich, dass die Frau von Issac bis heute nicht in eine kleinere Einrichtung verlegt worden ist und damit dem dringenden Rat der Ärztin nicht nachgekommen wurde. Das tot geborene Kind ist Mitte Juni in einem Kindergrab auf dem Brucker Waldfriedhof beigesetzt worden. Die Ruhefrist dort beträgt sieben Jahre.

© SZ vom 08.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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