Fürstenfeldbruck:Die zwei Seiten der Kulisse

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Im aktuellen Stück "Teatro Delusio" zeigt die Familie Flöz, was während einer Vorstellung auf und hinter der Bühne geschieht. Dabei entsteht ein Spiel um echte Einblicke und Täuschungen, das das Brucker Publikum sehr begeistert

Von Edith Schmied, Fürstenfeldbruck

Illusion und Desillusion, was ist wirklich, was ist echt, wo spielt sich das wahre Leben ab, vor oder hinter der Bühne? Ist es die glitzernde Theaterwelt der prächtigen Kostüme, der großen Gesten und Gefühle, der rauschende Beifall des Publikums. Oder spielt sich doch das eigentliche Leben hinter den Kulissen ab, wo unermüdliche Bühnenarbeiter für den reibungslosen Ablauf der Vorstellung sorgen? In diesem Zwischenuniversum bewegen sich die Figuren der Familie Flöz. Federleicht und ohne Worte schaffen sie mit ihrem Pantomimentheater eine Atmosphäre der anrührenden Menschlichkeit. Über allem schwebt zwar ein Hauch von Melancholie, doch kleine technische Pannen und durchaus menschlich handfeste Reaktionen bringen die Leichtigkeit zurück. Das Publikum kann befreit schmunzeln und lachen und belohnt den gelungenen Start der Fürstenfelder Theaterreihe mit donnerndem Applaus.

Bereits zum dritten Mal gastiert die Familie Flöz in Fürstenfeld und sie hat kein bisschen von ihrer Faszination eingebüßt. In immer wieder neuer, internationaler Formation finden sich Theaterschaffende aus Berlin für eine "Familienvorstellung" zusammen. Regisseur Michael Vogel ist einer der Gründer der seit 1996 existierenden Pantomimengruppe. Der Clou besteht darin, dass nicht einmal eine Handvoll Darsteller übergangslos in eine Vielzahl von Rollen schlüpft. Im aktuellen Stück "Teatro Delusio" sind es drei. Dana Schmidt, Sebastian Kauz und Daniel Matheus verkörpern brillant 30 ganz unterschiedliche Typen. Den unglaublich schnellen Wechsel macht die einfache, aber dennoch raffinierte Kulisse möglich. Die ausgeprägten, oft überdimensionalen Masken verschieben die körperlichen Proportionen. Ein paar vertikale Bretterwände, nur eine seitliche Öffnung lässt das Geschehen auf der Bühne erahnen, ein Schrankkoffer, eine Truhe, mehr ist da nicht. Aber gerade die Truhe hat es in sich. In der verschwinden die Figuren oder tauchen unvermittelt aus ihr wieder auf. Hat sie einen doppelten Boden, ein Loch - egal. Will man es eigentlich so genau wissen?

Die Musiker auf der Bühne suchen ein wenig ratlos nach dem richtigen Ton. (Foto: Günther Reger)

Lieber genießt man als Zuschauer diese beiden unterschiedlichen Welten auf und hinter der Bühne. Nur für einen kurzen Moment tauchen die einzelnen Akteure auf. Zunächst sind es etwas skurrile desorientierte Mitglieder eines Orchesters die nicht recht wissen, wo's lang geht. Ein alter gebrechlicher Primgeiger, ein Triangelspieler, der Dirigent, sie alle wirken mit ihren typischen, leicht dramatischen Theatergesten herrlich authentisch. Erst als sie sich zurechtfinden, wird aus dem Tonbrei im Hintergrund ein veritables Orchester. Die tragische Oper kann beginnen. Rokoko-Kostüme und ein wildes Degengefecht lassen auf eine dramatische Handlung voller Intrigen und heißblütiger Liebesszenen schließen. Es ist alles geboten.

Das Pendant hinter der Bühne ist viel weniger spektakulär. Gerne würden die drei Bühnenarbeiter hier mitmischen, aber sie bekommen kein Fünkchen ab von dieser Glitzerwelt. Stattdessen mühen sie sich mit Leiter und Kabelsalat ab, die voller Tücken sind. Wenn es backstage funkt, dann ist es allenfalls ein Kurzschluss. Ganz unterschiedliche Typen sind da zugange. Bernd, lang, dürr, kränklich und sensibel, flüchtet sich in die Welt eines kleinen roten Büchleins und die Liebe zu einem kuscheligen Pelztierchen. Beides ist beim Arbeiten eher hinderlich. Ganz unerwartet findet er doch noch die Erfüllung bei der verspäteten Ballerina. Bob dagegen ist klein und kräftig, ein Muskelprotz. Er hantiert mit Vorliebe mit martialischem Werkzeug. Er hat nichts anderes im Sinn als seine Muckis zu stählen um sich auf diese Weise Anerkennung zu verschaffen. Statt im Triumph endet er in der Zerstörung. Ivan, das ist der große Macher. Er hat hinter der Bühne alles im Griff. Egal welche Panne, er meistert sie lässig mit Bravour, Coolness und Lockerheit. Eine Absage in punkto Liebe kompensiert er mit Essen. Angesichts seines stattlichen Bauches ist das wohl schon öfter der Fall gewesen. Der souveräne Chef der Kulisse verliert da, wo es um Gefühle geht die Kontrolle.

Im Stück "Teatro Delusio" sind die Bühnenarbeiter damit befasst, dass beim Auftritt technisch alles in Ordnung ist. (Foto: Günther Reger)

Es sind die kleinen Gesten, die kurzen Andeutungen, die außergewöhnlichen Masken, die diese Vorstellung so liebenswert und sehenswert machen. Ein derart perfektes Spiel braucht keine Worte.

© SZ vom 04.10.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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