Fürstenfeldbruck:Die verschleppte Wende

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Die Umstellung auf erneuerbare Energien gestaltet sich schwierig. Sie funktioniert nur in kleinen Schritten und wird wohl länger dauern als jene 30 Jahre, die der Landkreis dafür vorgesehen hat

Von Heike A. Batzer, Fürstenfeldbruck

Die Energiewende im Landkreis hat massiv an Tempo verloren. Bis 2030 wollte der Landkreis unabhängig von fossilen Energieträgern sein und seinen Energiebedarf vollständig aus erneuerbaren Ressourcen decken. Das hatte er sich zumindest im Jahr 2000 vorgenommen. Doch schon zur Halbzeit vor einem Jahr waren Zweifel aufgekommen - unter anderem von Experten der Technischen Universität München -, ob das ehrgeizige Vorhaben überhaupt noch zu schaffen ist. Die Zweifel mehren sich nun, vor allem auch seit das für die Begleitung der Energiewende gegründete Zentrum Innovative Energien im Landkreis (Ziel 21) in die Kritik geraten ist.

Wie viel Energiewende nach 16 von 30 Jahren schon umgesetzt ist, darüber lassen sich keine genauen Angaben machen. Es gebe dazu "aktuell keine gesicherten Daten", heißt es aus dem Referat Räumliche Planung und Entwicklung im Landratsamt. Erst die für kommendes Jahr geplante CO₂-Bilanz werde den Stand der Energiewende hervorbringen und die Entwicklung seit den im Klimaschutzkonzept vorgelegten Daten von 2010 aufzeigen. Auch der Verein Ziel 21, in dem der Landkreis Gründungsmitglied und Landrat Thomas Karmasin stimmberechtigtes Mitglied ist, bestätigt die durchwachsene Zwischenbilanz: "Es gibt dazu leider noch keine konkreten Zahlen", schreibt der neue Ziel-21-Vorsitzende Gottfried Obermair. Steigende Einwohnerzahlen, neue Gewerbeansiedlungen und die Aufnahme von Flüchtlingen hätten dazu beigetragen, dass es in der Gesamtbilanz wohl zu keinen großen Energieeinsparungen gekommen sei. Obermair und auch die Kreisverwaltung hatten umfangreiche schriftliche Antworten gegeben auf Fragen von SPD-Kreisrat Peter Falk. Der hatte kritisiert, dass die vom Kreistag 2007 beschlossene Durchführung von Klimakonferenzen und regelmäßiger Berichterstattung kaum umgesetzt werde.

Neue Energie für den Landkreis: die beiden Windräder, vom Maisacher Ortsteil Germerswang aus gesehen (Foto: Günther Reger)

Der Landkreis Fürstenfeldbruck scheint indes nicht allein zu stehen mit seinem eher mäßigen Umsetzungserfolg. Gerade hatte auch die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft bemängelt, dass "die Energiewende fest steckt", wie ihr Präsident Alfred Gaffal sagte, und der Freistaat Bayern als auch der Bund ihre Ziele bei Energieeffizienz, dem Ausbau erneuerbarer Energien und bei der Einsparung von CO₂-Emissionen verfehlten. Dabei hatte sich der Landkreis Fürstenfeldbruck in einem Kreistagsbeschluss von 2007 noch gerühmt, dass der Verein "Ziel 21 von vielen Kommunen bundesweit als Lokomotive für kommunalen Klimawandel wahrgenommen wird". Und jetzt? "Vom Vorreiter sind wir ins Hintertreffen geraten und mittlerweile in Oberbayern an viertletzter Stelle", beklagt Freie-Wähler-Kreisrat Johann Thurner. Und "warum stehen wir dort, obwohl wir diesen Verein haben?", erlaubt sich Norbert Seidl, SPD-Kreisrat und Bürgermeister von Puchheim, zu fragen. Die schlechte Platzierung des Landkreises ist der "Energie-Map" der Deutschen Gesellschaft für Sonnenenergie zu entnehmen, die das Fürstenfeldbrucker Land mit nur zwölf Prozent Anteil an EEG-Strom führt. Der Nachbarlandkreis Starnberg liegt demnach sogar nur bei fünf Prozent, die Kreise Erding und Freising hingegen finden sich mit 39 und 35 Prozent im oberbayerischen Spitzenfeld. Bayern- und bundesweit beträgt der Anteil an EEG-Strom 26 Prozent. "Wenn der Verein und wir nicht alle anschieben, wird das Ziel nicht zu erreichen sein", warnt Thurner.

Die Kreisverwaltung schränkt freilich ein, dass die zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel dabei den Handlungsspielraum vorgeben würden. 2015 hat in Person von Monika Beirer erstmals eine Klimaschutzmanagerin im Landkreis die Arbeit aufgenommen, doch sie allein könne zusammen mit der ihr zugeordneten halben Assistentenstelle "unmöglich" 82 Maßnahmen aus sechs verschiedenen Handlungsfeldern aus dem Klimaschutzkonzept gerecht werden, heißt es in der Antwort auf die Fragen Falks. Für die Zeit von 2015 bis 2017 sind die ersten 15 Projekte in Bearbeitung, fünf davon sind bereits umgesetzt, zehn laufen noch, darunter Radwegekonzept, Solarkataster, Thermografierundgänge.

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(Foto: Johannes Simon)

"Wir sind ins Hintertreffen geraten und mittlerweile an viertletzter Stelle in Oberbayern." FW-Kreisrat Johann Thurner

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(Foto: Johannes Simon)

Gottfried Obermair.

Ein Problem für die Energiewende bleiben die Bestandsbauten. "Wir kommen in den Altbestand nicht wirksam rein", sagt Johann Thurner. Doch viele Gemeinden im Landkreis würden inzwischen eigene Gebäude nur noch im Passivhausstandard bauen, "also deutlich besser als der Bundesgesetzgeber fordert", weiß Alexa Zierl, die frühere Vorsitzende von Ziel 21. Außerdem würden immer mehr Kommunen ihre Straßenbeleuchtung auf die stromsparende LED-Technik umstellen. Zierl betont auch, dass der Landkreis Fürstenfeldbruck mit den beiden Windrädern bei Mammendorf und Maisach "vielen anderen Landkreisen im Großraum München deutlich voraus" sei. Ihr Nachfolger Gottfried Obermair spricht davon, dass "wir auch ein drittes und viertes Windrad wollen". Und wie hält es der Landkreis selbst mit seinen Liegenschaften? Stromlieferverträge, die zum 1. Januar 2017 neu ausgehandelt werden, werden allesamt auf 100 Prozent erneuerbare Energien umgestellt. Als weitere, bereits erfolgte Maßnahmen zur Energieeinsparung zählt die Verwaltung auf: Hackschnitzelheizung und Sonnenkollektoren zur Brauchwassererwärmung am Brucker Schulzentrum Tulpenfeld, der Anschluss des Gymnasiums Olching, der Realschule und der Wittelsbacher Halle in Fürstenfeldbruck, der alten Berufsschule und der neuen Landwirtschaftsschule in Puch an Fern- oder Nahwärmesysteme sowie Fotovoltaikanlagen auf den Dächern von Landwirtschaftsschule, der neuen Berufsschule und der neu geplanten Turnhallen in Maisach und Puchheim. Das im nächsten Sommer in Betrieb gehende Gebäude zur Ganztagsbetreuung der Realschule Unterpfaffenhofen wird mittels Grundwasserwärmepumpe beheizt werden, der Neubau der Berufsschule soll Fernwärme und kontrollierte Raumlüftung erhalten.

Wie viel Energie bei älteren Bauwerken eingespart werden könne, hänge von deren Zustand sowie Art und Umfang der Eingriffe ab, schreibt die Verwaltung. Der Handlungsbedarf ist bekannt, vor allem beim Viscardi-Gymnasium, den Gymnasien in Olching und Gröbenzell, beim Förderzentrum West in Fürstenfeldbruck und beim Landratsamt. Dennoch hatten sich die Kreisräte vor Jahren entschieden, lediglich schrittweise bei der Sanierung der Liegenschaften vorzugehen. Damit freilich verschieben sich auch Modernisierung und Energieeinsparung in die Zukunft. Mehrere Schulen waren in der Vergangenheit im Rahmen von Energiemanagement-Projekten untersucht worden, um dort vor allem mit kleinen Maßnahmen die Anlagentechnik so zu optimieren, dass die Energiekosten sinken. Doch das eine Projekt läuft derzeit nur auf Sparflamme weiter, andere Projekte wurden wegen fehlender personeller Kapazitäten der Verwaltung erst einmal verschoben.

Klima- und Ressourcenschutz umfasst auch Fragen der Mobilität. Die Kreisverwaltung verweist auf diverse Radverkehrsprojekte und den ÖPNV. Dort habe man als erster MVV-Landkreis Hybridbusse für einen regulären Linienbetrieb ausgeschrieben. Derzeit würden die Einsatzmöglichkeiten von Elektrobussen auf einer innerstädtischen Linie geprüft.

Der Energiewende in Gemeinden und Landkreisen wurden freilich immer wieder neue gesetzliche Vorgaben aufgezwungen. Mit der EEG-Novelle 2014, so schimpft die Deutsche Gesellschaft für Sonnenenergie, sei "so viel Chaos und Unsicherheit geschaffen" worden, "dass die Fehlinvestitionen in Kohlekraftwerke und andere veraltete und überholte Geschäftsmodelle bis auf weiteres abgesichert sind". Auch der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND) und Greenpeace bemängeln nun bei den EU-Gesprächen zur Umsetzung des Pariser Klimaschutzabkommens, dass die Pläne für erneuerbare Energien und Energieeffizienz hinter dem klimapolitisch Notwendigen zurück blieben. Das EEG "zum x-ten Mal zu novellieren" hält auch Gottfried Obermair für unsinnig. Besser sei, zu sagen, "jetzt brauchen wir es nicht mehr, jetzt müssen sich die Kräfte auf dem freien Markt durchsetzen". In diesem Umfeld nun sollen die kommunalen Ebenen die Energiewende vollziehen. Ist das überhaupt möglich? "Die große Politik", sagt Ziel-21-Vorsitzender und Freie-Wähler-Kreisrat Obermair, "setzt momentan nicht die Zeichen dafür - im Gegenteil.

© SZ vom 03.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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