Fürstenfeldbruck:Die richtige Balance von Lob und Tadel

Lesezeit: 2 min

Jan Borchert von der evangelischen Jugend zieht am 6. Dezember wieder als Nikolaus von Haus zu Haus. (Foto: privat)

Kommt ein Nikolaus ins Haus, begegnen ihm Kinder mit Respekt und Angst. Für Jan Borchert ist das eine Gratwanderung

Von Julius Nindl, Fürstenfeldbruck

An den fast schon obligatorischen erhobenen Zeigefinger können sich einige vielleicht immer noch erinnern. Mal gab es wenig Anlass für tadelnde Gesten, mal hätte das vergangene Jahr das goldene Buch vom Nikolaus vollständig füllen können. So ist die Balance zwischen Strafpredigt und Lob immer noch eine Gratwanderung für die Person hinter dem weißen Vollbart. Auch das äußere Erscheinungsbild veränderte sich in den vergangenen Lahrzehnten nur wenig. Eine auf dem Kopf thronende Mitra verleiht dem Nikolaus ebenso Autorität, wie eine tiefe Stimme, die freundlich und einschüchternd zugleich wirken kann.

"Ich probiere es schon ein bisschen, manchmal funktioniert es besser, manchmal auch nicht", erzählt Jan Borchert über die Versuche, seine Stimmlage zu verstellen. "Aber das ist für die Kinder auch nicht so wichtig", so seine Einschätzung. Der 18 Jahre alte Fürstenfeldbrucker ist einer der Nikoläuse, die am 6. Dezember und am Vorabend davor wieder zahlreiche Familien im Landkreis besuchen werden. Bereits zum dritten Mal wird er dann zum Bischofsstab greifen und an einem Abend zwischen vier und fünf Haushalte besuchen. Sein jugendliches Aussehen kann Borchert zwar mit den roten Gewändern der Kostümierung kaschieren, trotzdem gelingt es ihm nicht immer, seine wahre Identität zu verbergen. "Gerade die älteren Geschwisterkinder bemerken natürlich, dass ich jemand bin, der seine Rolle nur spielt. Das ist klar."

Begleitet wird der 18-jährige in der Regel von einem Engel, auf einen Krampus verzichten er und seine Kollegen von der evangelischen Jugend der Erlöserkirche. Nach seiner Einschätzung hätten Kinder nämlich schon genug Angst vor der Person mit dem weißen Vollbart. Die Engelsbegleitung ist folglich der Gegenpol zum strengen und autoritären Nikolaus. Bereits einige Wochen vor dem abendlichen Besuch übermitteln ihm die Eltern sowohl Lob als auch Tadel über ihren Nachwuchs. Einige besonders eifrige Erziehungsberechtigten fertigen sogar ein vollständiges Manuskript an. "Manche Eltern haben da sehr klare Vorstellungen", berichtet er mit einem Schmunzeln. Am Abend des 6. Dezember erhält Borchert telefonisch letzte Instruktionen, damit er ja die Geschenke und Süßigkeiten, die meist unweit der Haustüren deponiert sind, finden kann. Das Feedback der Familien ist in den vergangenen Jahren immer positiv ausgefallen. Obwohl er den Respekt und manchmal auch die Angst spürt, "freuen sich die Kinder eigentlich immer über den Nikolaus". Der prall gefüllte Jutesack über der Schulter hat für einige Kinder vermutlich nicht unwesentlich dazu beigetragen.

Eine richtige Vorbereitung auf die Nikolausrolle gibt es nicht. Dennoch, ergänzt Jan Borchert, fänden natürlich Besprechungen in den Jugendgruppen der Gemeinde statt. "Man muss schon improvisieren können", gibt der Jugendliche zu bedenken. Wenn er am Abend des 6. Dezember in leuchtende Kinderaugen blickt, fügt er die Fakten und eigenen Anekdoten zu einer lobenden oder auch tadelnden Rede zusammen. Der Spaß, mit Kindern zu arbeiten, bewog den 18 Jahre alten Schüler auch in diesem Jahr noch einmal dazu, in die rote Verkleidung zu schlüpfen. Es wird vielleicht sein letztes Mal sein. Nach dem Abitur möchte er andere Pläne verwirklichen. Trotzdem will Jan Borchert seine Erfahrungen an die zukünftigen Nikoläuse der evangelischen Jugend weitergeben. Genauso wie bei ihm damals.

© SZ vom 05.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: