Fürstenfeldbruck:Die Keimzelle

Lesezeit: 2 min

Das Haus 10 hat nicht nur das Kunstverständnis der Brucker revolutioniert, sondern war auch Vorbild für andere Kultureinrichtungen. Von Anfang an ging es den Verantwortlichen dabei um mehr, als nur Bilder an die Wand zu hängen

Von Florian J. Haamann

Schaut man sich heute die relativ vitale und breit gefächerte Kulturlandschaft in der Kreisstadt an, dann mag man es kaum glauben, dass Fürstenfeldbruck vor gerade einmal 25 Jahren absolutes künstlerisches Ödland war - zumindest einmal für den Bereich der bildenden Kunst. Bezeichnend dafür ist das Zitat eines ehemaligen Kulturreferenten (!), von dem die erste Chronik des Haus 10 berichtet. Für ihn hörte die Kunst mit dem Impressionismus auf. Nach dem Verständnis des städtischen Beauftragten also war es mit der Kunst seit knapp 100 Jahren vorbei. In dieser Atmosphäre also haben sich die Mitglieder der IG Kultur und der Künstlervereinigung entschlossen, eine Kulturwerkstatt auf den Weg zu bringen.

Dieser Begriff und das, wofür er steht, sind den Verantwortlichen bis heute wichtig. Macht er doch deutlich, dass es sich nicht um einen einfachen Ausstellungsraum oder eine Galerie handelt, sondern um mehr - einen Ort zum experimentieren, lernen, ausprobieren. Herumwerkeln eben. Dazu gehört auch, dass bereits 1993 eine Radierwerkstatt eingerichtet wurde, ein Jahr später folgte eine Werkstatt für plastisches Gestalten. Auch heute noch gehören drei Werkstätten zum Haus 10, eine für Druck, eine für Malerei und eine für Bildhauerei.

1 / 5
(Foto: Günther Reger)

Als durchaus abrissreif konnte man die Räume, in denen heute die Kulturwerkstatt sitzt, vor ihrer Renovierung bezeichnen.

2 / 5
(Foto: Günther Reger)

Heute ist sie nicht nur ein einfacher Ausstellungsraum, sondern mehr - ein Ort zum experimentieren, lernen, ausprobieren.

3 / 5
(Foto: Günther Reger)

Bereits auf dem Plakat der Eröffnungsausstellung im Februar 1991 sind Künstler zu finden, die bis heute zum Haus 10 gehören.

4 / 5
(Foto: Günther Reger)

Ein historischer Moment war die Unterzeichnung des Nutzungsvertrags kurze Zeit davor.

5 / 5
(Foto: Günther Reger)

Von Anfang an ging es den Mitgliedern darum, nicht nur Werke zu zeigen, sondern mit der Gesellschaft zu interagieren.

Genauso wichtig wie der Begriff Werkstatt ist der zweite Bestandteil des Wortes: "Kultur"- und nicht Kunst. Von Anfang an ging es den Mitgliedern darum, nicht nur Werke zu zeigen, sondern mit der Gesellschaft zu interagieren, politische Themen aufzugreifen und sie in mehr Formen als nur "Flachware", also Werken, die man an die Wand hängt, zu verarbeiten. Beispiele dafür sind Projekte wie "Gewalt - Jugendliche beziehen Stellung", das, wie der Name schon sagt, von Jugendlichen, die auf die schiefe Bahn geraten sind, mit gestaltet wurde oder eine Ausstellung gemeinsam mit Amnesty international, bei der die Künstler Themen der Menschenrechtler, die auf große Plakate gedruckt waren, visuell gestaltet haben.

Dass gerade der innovative Ansatz vor allem in den Anfangsjahren nicht überall gut angekommen ist, lässt sich in der Ausstellung sehen, mit der das Haus 10 die Feierlichkeiten zu seinem 25-jährigen Bestehen eröffnet. Auf 25 Tafeln sind dort Presseberichte aus jedem Jahr gesammelt. In den konservativen Medien wurden die Ausstellungen im besten Fall als "belanglos" bezeichnet. Die Presseschau dokumentiert aber auch, wie sich die Wahrnehmung und Rezeption in der Öffentlichkeit nach und nach gewandelt hat, bis das Haus 10 irgendwann eines der kulturellen Lieblingskinder der Stadt war.

Das Haus 10 hat aber nicht nur das Kunstverständnis der Brucker revolutioniert, sondern es war auch Vorreiter für andere Kultureinrichtungen, wie etwa das benachbarte Haus 11. Außerdem dienten die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft, die das Haus betreibt, bald als kompetente Ansprechpartner für Mitarbeiter der Stadt und des Landratsamtes - etwa bei der Frage nach Vergabekriterien für den Kunstpreis oder Kunst im öffentlichen Raum.

Von Anfang an hat sich das Haus 10 dabei nicht als elitäre Einrichtung verstanden, in der die Mitglieder ihre Werke zeigen, sondern auch als Ort, an dem Interessierte selbst verschiedene Techniken kennen lernen dürfen. Auch heute noch finden deshalb in den Werkstätten regelmäßig Kurse statt. Diese Offenheit, so vermutet Georg Trenz, einer der Mitgründer des Haus 10, sei es auch gewesen, die dem Projekt den Weg geebnet hat. Denn bei einem Treffen habe der damalige CSU-Stadtrat Lukas Drexler gefragt, ob beispielsweise auch seine Tochter vorbei kommen könnte, um das Malen zu lernen. "Wir haben dann gesagt: sicher, jeder ist hier willkommen. Ich glaube, da hat er gemerkt, dass wir kein elitärer Haufen sind. Und von da an, und das rechne ich ihm hoch an, hat er sich gegen den Widerstand seiner Fraktion bedingungslos für uns eingesetzt." Am 6. März 1990 entschied dann der Stadtrat mit 13 zu 10 Stimmen, die Räume freizugeben. Am 22. Februar 1991 eröffnete dann die erste Ausstellung. Der Rest ist Brucker Kulturgeschichte.

© SZ vom 02.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: