Fürstenfeldbruck:Die Gurke am Christbaum

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Die Stadtführung im Advent beginnt Gisela Kleinle (links) in der Leonhardikirche. Dort erklärt sie den Teilnehmern auch, was es mit den bunten Häuschen am Fuße des Altars auf sich hat. (Foto: Günther Reger)

Eine "Stadtführung im Advent" durch Fürstenfeldbruck bringt viel Geschichte ans Licht. Die Teilnehmer lernen zudem einige Bräuche kennen. Dazu zählt das Luzienhäuschen-Schwimmen, das diesen Donnerstag stattfinden wird

Von Katharina Knaut, Fürstenfeldbruck

Gespannt schauen die zehn Frauen dem kleinen Papphäuschen nach, das sie eben in die Amper gesetzt haben. Von der Strömung erfasst, treibt es rasch flussabwärts, Richtung Emmering. Beinahe wirkt es, als wäre jemand zu Hause: Eine Kerze im Inneren erleuchtet die Fester aus transparentem Papier mit einem warmen Schein. Dem fließenden Wasser hält es gut stand, ohne Probleme schwimmt es unter der Amperbrücke hindurch. "Da vorne kräuselt sich das Wasser, kann sein, dass es dort stehen bleibt", meint eine Frau. Und tatsächlich. Für einen kurzen Moment dreht es sich auf der Stelle, dann treibt das kleine Haus mit dem spitzen Giebel auf das Ufer zu und verfängt sich dort. "Wer weiß, vielleicht brennt es ja noch, wenn wir später wiederkommen," sagt eine Frau.

Eigentlich findet das traditionelle Luzienhäuschen-Schwimmen in Fürstenfeldbruck erst am Donnerstag, 13. Dezember, statt. Bei der "Stadtführung im Advent", die von der Stadt organisiert wurde, können die Teilnehmer aber schon an diesem Sonntagnachmittag eines zu Wasser lassen. Dabei erklärt Gästeführerin Gisela Kleinle, was es mit dem Brauch auf sich hat. "Am 13. Dezember 1785 war Fürstenfeldbruck vom Hochwasser bedroht. Die Menschen beteten zur heiligen Lucia, der dieser Tag gewidmet ist, und setzten als Opfergabe Modelle ihrer Häuser in die Amper. Tags darauf ging das Wasser zurück." Die Tradition geriet in Vergessenheit, bis der Lehrer Georg Kachelriß sie mit seinen Schülern wieder aufleben lies. Um die Geschichte etwas anschaulicher zu machen, hat Kleinle selbst das Häuschen gebastelt, das die Teilnehmerinnen ins Wasser setzen konnten. Bis heute sei das Luzienhäuschen-Schwimmen ein sehr beliebtes Ereignis, so Kleinle, "obwohl böse Zungen behaupten, dass sie im benachbarten Emmering nur darauf warten, um die Gebäude mit Steinen zu bewerfen".

Das Luzienhäusschen-Schwimmen ist aber nur eine Tradition, von der die Besucher an diesem Tag erfahren. Eineinhalb Stunden führt Kleinle durch die Brucker Innenstadt. Sie erzählt viel über die Stadtgeschichte, aber auch über Adventsbräuche im Allgemeinen. Dabei schafft sie es auch mal, die Teilnehmer zu überraschen: "Wie viele Gurken sehen sie?", fragt die Gästeführerin, als sie vor dem Schaufenster eines Schokoladenladens an der Hauptstraße Halt macht. Mit der Hand weist sie auf die Auslage, unter der sich auch ein kleiner Tannenbaum befindet. Auffallend sind zunächst nur die roten Miniaturkugeln, die die Zweige schmücken, sieht man genauer hin, sind aber auch wenige grüne, gekrümmte Gegenstände zu erkennen. "Drei, es sind drei", sagt eine Frau. "Ja, ich sehe sie auch", meinen dann auch zwei andere Teilnehmerinnen nach eingehender Betrachtung. "Das ist ein Brauch aus Amerika", erklärt Kleinle. Angeblich habe der in Bayern geborene John Lower, als er im amerikanischen Bürgerkrieg festgenommen worden war, am Weihnachtsabend um eine Gewürzgurke gebeten, da es ihm sehr schlecht ging. Sein elender Zustand besserte sich daraufhin, er wurde wieder gesund. Als er zu seiner Familie zurückkehrte, hängte er fortan eine Gewürzgurke an den Baum. Ob sich die Geschichte tatsächlich so ereignete, ist nicht geklärt. Aber die Tradition setzte sich durch und kam auch nach Deutschland. "Die Gurke wird am Baum versteckt und derjenige, der sie findet, bekommt ein zusätzliches Geschenk", erklärt Kleinle. Die drei Frauen, die die Gurken entdeckt haben, bekommen deswegen auch einen Lebkuchen.

Aber auch die anderen gehen nicht leer aus. Kurz vor Schluss gibt es für alle eine süße Stärkung. Die können die Teilnehmer nach Wind, Regen und Kälte gut gebrauchen. Getrübt hat das Wetter die Laune nicht. In der Runde von zehn Frauen wird viel gescherzt. Es kommen immer wieder Nachfragen. Und weil man sowieso schon draußen ist, kann man danach auch gleich noch weiter zum Christkindlmarkt ziehen und die Führung bei einem Glühwein ausklingen lassen. Nur das Luzienhäuschen scheint nicht so wetterfest zu sein. Sieht man später noch einmal an der Amper vorbei, ist das Häuschen nicht mehr zu sehen.

© SZ vom 11.12.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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