SZ-Schulratgeber:Die erste große Hürde

Lesezeit: 3 min

In der vierten Klasse jagt eine Probe die nächste. Im Mai entscheidet sich, wer an Gymnasium oder Realschule wechseln darf. Ausschlaggebend sind die Noten in Deutsch, Mathematik und Sachunterricht.

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

In der vierten Klasse ist Schluss mit lustig. Im Alter von gerade einmal neun oder zehn Jahren stellen Kinder dann entscheidende Weichen. Mag es auch später noch so viele Querverbindungen zu weiterführenden Schulen geben: die vierte Klasse wird vor allem von den Eltern als ganz wichtiger Meilenstein im Leben wahrgenommen.

In die fünfte Klasse des Gymnasium dürfen ohne weitere Auflagen nur die Viertklässler, die im Übertrittszeugnis auf einen Notenschnitt von 2,33 kommen. Für den Übertritt an die Realschule muss es mindestens ein Schnitt von 2,66 sein. In die Berechnung fließen aber mitnichten alle Zeugnisnoten ein. Mag ein Schüler auch noch so gut in Musik, Werken oder Sport sein: am Ende zählt nur ein Dreigestirn aus Mathematik, Deutsch und Heimat- und Sachunterricht. Das heißt, fürs Gymnasium braucht man mindestens zwei Zweier und einen Dreier oder zwei Dreier und einen Einser. Und für die Realschule mindestens zwei Dreier und einen Zweier.

SZ-Schulratgeber
:"Es bringt nichts, nur auf die Defizite zu schauen"

Wenn es um den Übertritt auf eine weiterführende Schule geht, wächst der Druck auf Kinder enorm. Muss das sein? Sabine Polster, Leiterin der schulpsychologischen Beratungsstelle, kennt Strategien, die Leistungsdruck erträglicher machen können.

Von Stefan Salger

Seit Beginn des letzten Grundschuljahrs folgte vor allem in diesen Kernfächern meistens eine (angekündigte) Probe auf die andere, 21 werden es insgesamt sein, die meisten im Fach Deutsch. Fast in jeder Woche gibt es solche "Leistungsnachweise". Hinzu kommt eine Vielzahl mündlicher Noten. Bereits im Januar und damit viele Wochen vor dem üblichen Termin vor den Faschingsferien haben die Viertklässler eine Art Zwischenzeugnis erhalten. Es soll der ersten Orientierung dienen, ob die Mädchen und Buben auf einem guten Weg sind, die selbst - manchmal aber auch eher von den Eltern - gesteckten Ziele zu erreichen.

Entscheidend ist dann das Übertrittszeugnis, das es Anfang Mai gibt. Es enthält eine "Schullaufbahnempfehlung" sowie eine Bewertung des Sozial- sowie des Lern- und Arbeitsverhaltens. Dass jene Bewertung letztlich nicht entscheidend ist, bedauert der Fürstenfeldbrucker Schulamtsdirektor Karl Hans Grünauer. Er ist ein Kritiker der rein "leistungsorientierte Pädagogik" und würde sich wünschen, dass beispielsweise soziale Kompetenzen, die sogenannten "Soft Skills", eine größere Rolle spielen. Auch Grünauers Vorgänger Joachim Linkert galt immer als großer Kritiker des dreigliedrigen Schulsystems.

Plädoyer für eine längere gemeinsame Schulzeit

Mit seinen öffentlichen Plädoyers für eine achtjährige gemeinsame Schulzeit war er auch Konflikten mit dem Kultusministerium nicht aus dem Weg gegangen. Eine längere gemeinsame Schulzeit, so sein Credo, bedeute mitnichten zwangsläufig einen Verzicht auf innere Differenzierung noch Gleichmacherei, biete aber einen viel größeren pädagogischen Spielraum. Zudem würden sich dadurch "Hilfskonstruktionen" wie "Probeunterricht, Mindestnotenschnitt, Aufnahmeprüfung oder Abfrage des Elternwillens" erübrigen, so Linkert 2012 in einem SZ-Interview.

So lange aber die von vielen Pädagogen herbeigesehnte Novellierung des Lehrplans weiter auf sich warten lässt, bleibt es dabei: Beim Übertritt zählen nur Fakten, Fakten, Fakten. Auch Lehrern bleibt da kein Spielraum. Ricarda Kicherer, Konrektorin der Grund- und Mittelschule Nord, leitete selbst im vergangenen Jahr eine vierte Klasse. Sie weiß, welchem Druck sich Kinder und Eltern oft ausgesetzt fühlen. Daran ändert auch das Konzept der Grundschulen wenig, Schüler möglichst frühzeitig, lange vor der vierten Klasse individuell zu fördern. Kicherer empfiehlt Eltern, ihren Kindern auch in dieser schwierigen Phase Raum für Freizeit und Entspannung zu lassen: "Täglich eineinhalb Stunden für Hausaufgaben und Lernen sollten reichen."

Bei schlechten Noten hilft auch der Elternwille nichts

Schülern, die an die Realschule oder ans Gymnasium wechseln wollen, den entsprechenden Notendurchschnitt aber verpasst haben, bleiben freilich noch Auswege. Sie können auf Antrag der Eltern an ihrer Wunschschule einen Probeunterricht an drei Vormittagen, vom 19. bis zum 21. Mai, in Deutsch und Mathematik absolvieren, in dessen Verlauf es schriftliche und mündliche Noten gibt. Schaffen sie in einem dieser beiden Fächer mindestens eine drei und in dem anderen mindestens eine vier, dann dürfen sie in die fünfte Klasse des betreffenden Gymnasiums oder jene der Realschule übertreten.

Erreichen sie in beiden Fächern eine vier, dann können die Eltern entscheiden. Bei schlechteren Noten nützt auch der Elternwille nichts. Damit soll vermieden werden, dass Schüler an weiterführende Schulen wechseln, obwohl sich bereits abzeichnet, dass sie den Anforderungen nicht gewachsen sind und letztlich doch wieder - frustriert nach dem gescheiterten Anlauf - auf die Mittelschule zurückkehren müssen. Diese kann zudem mit mehr Praxisnähe punkten und sei für manches Kind auch eine gute Wahl, betont Ricarda Kircherer.

Unter dem Titel "Der beste Bildungsweg für mein Kind" informiert das Bayerische Kultusministerium mit einer 35 Seiten starken Broschüre, die es auch online gibt, über die Vielfalt der Bildungsmöglichkeiten und die verschiedenen Wege, die bei Bedarf bis an die Universität führen.

© SZ vom 28.02.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: