Fürstenfeldbruck:Der Preis der weißen Weste

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Bruck erstattet Anwohnern, deren Straßen umbenannt werden sollen, die Hälfte der Mehrkosten

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Einen kritischen Umgang mit der Geschichte gibt es nicht immer zum Nulltarif. Wer meint, Straßennamen, über denen dunkle Schatten liegen, einfach austauschen zu können, der hat die Rechnung ohne die Rechnung gemacht. Letztere könnten Anwohner mehrere Fürstenfeldbrucker Straßen stellen, deren Adresse sich durch die Umbenennung ändern soll. Etwa 600 Brucker wohnen heute an der Eschenauer-, Ederer-, Josef-Priller-, Kögel-, Zenetti-, Von-Gravenreuth-, Langbehn-, Hindenburg- und Wernher-von-Braun-Straße. An welcher Straße sie zukünftig wohnen werden, steht noch nicht fest - bei drei Versammlungen sollen sie noch Stellung nehmen können zu Vorschlägen eines Arbeitskreises und des Kulturausschusses, die allerdings erst noch gefunden werden müssen. Um die konkreten neuen Schilder geht es am Donnerstag im Kulturausschuss noch gar nicht, auch wenn bereits Namen wie Wolf Graf von Baudissin, Gustav Weißkopf, Gerhard von Scharnhorst, Wilhelm Ketteier, Ludwig Quidde, Bertha von Suttner oder Dietrich Bonhoeffer kursieren. Nach fast einem Jahr Stillstand beschäftigen sich die Stadträte noch gar nicht mit diesem heißen Eisen, das in die Zeit zurückreicht, als weder sie selbst noch die Bundesrepublik geboren waren. Als Zeitgenossen lebten wie Julius August Langbehn (1851-1907), dem Stadtarchivar Gerhard Neumeier bescheinigt, ein Antisemit sowie "ein geistiger Vorläufer des Nationalsozialismus" zu sein - auch wenn sich die Anwohner vehement gegen die Umbenennung sträuben.

An diesem Abend geht es zunächst um ein anderes Eisen, das in der chronisch verschuldeten Stadt per se immer heiß ist: die Kosten. In der Sitzungsvorlage plädiert die Verwaltung zunächst dafür, den betroffenen Anwohnern die durch eine solche Umtaufe verursachten Mehrkosten zu erstatten. Denn mit dem Abschrauben der alten Schilder und dem Anschrauben der neuen Schilder ist es ja nicht getan. Es geht um neue Personalausweise, Briefköpfe, Visitenkarten, Ummeldungen bei Behörden und Versicherungen. Für Frank Thurner, Inhaber und Geschäftsführer von zwei an der Wernher-von-Braun-Straße ansässigen Firmen, würde es knüppeldick kommen. Müsse er die Stammdaten bei internationalen Konzernen und Gremien ändern, dann koste das einen vierstelligen Betrag. Zudem rechnet er im Zuge der Umstellung von Rechnungsköpfen mit verspäteten Zahlungen seiner Kunden.

Dass die Stadt grundsätzlich erst einmal die Bürger zu der ganzen Sache anhört und für die Neuausstellung von Personalausweisen nichts berechnet, ist Konsens. Umstritten aber ist, wie viel der restlichen Kosten sie übernehmen soll. Klaus Quinten (BBV) will mit Blick auf die kaum zu kalkulierenden Zuschüsse gar keinen Prozentsatz und keine Höchstsumme vorgeben und es der Verwaltung überlassen, in Einzelfällen auf Antrag zu entscheiden. Markus Droth und Simone Koch (beide CSU) plädieren ebenso wie Verwaltungschef Roland Klehr für einen vorgegebenen Rahmen, Klaus Wollenberg (FDP) sieht die Stadt eigentlich gar nicht in der Pflicht, so etwas zu bezuschussen. Und Franz Neuhierl (Freie Wähler) hält eine Übernahmen von 50 bis 80 Prozent für angemessen. Letztlich entscheidet sich das Gremium für einen pragmatischen Mittelweg: Auf Antrag sollen bis zu 50 Prozent der Kosten erstattet werden, Härtefälle können auch großzügiger behandelt werden.

© SZ vom 18.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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