Fürstenfeldbruck:Der Herr der Völker

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Vor den Toren seines Heimatorts hat Christian Engelschall die selbst gezimmerten Bienenkästen aufgestellt, weitere im ganzen Landkreiswesten. (Foto: Johannes Simon)

Christian Engelschall aus Aich war Kaufmann und Schreiner. Vor sechs Jahren machte er dann sein Hobby zum Beruf

Irgendwie wirkt es wie bei einem großen Automobilkonzern. Christian Engelschall hat seinen Showroom an der Brucker Straße in Aich. Da können sich Kunden einen Überblick über die große Produktpalette machen und einkaufen. Nebenan steht so etwas wie ein kleiner Musterbetrieb. Dort können Engelschalls Beschäftigte hinter einer Glasscheibe bei der Arbeit beobachtet werden. Und über den ganzen westlichen Landkreis verstreut gibt es zwölf Dependancen. Insgesamt ist der 37-Jährige Chef unzähliger Arbeiter - genauer gesagt meistens Arbeiterinnen. Engelschall ist der einzige hauptberufliche Imker im Landkreis, er besitzt um die 160 Völker. Jedes lebt in einem Bienenstock und zählt zwischen 40 000 und 50 000 Insekten. Gearbeitet wird vom späten Vormittag bis zum frühen Abend, Urlaub gibt's nur in den kalten Monaten. Gerade hat die Saison so richtig begonnen, die Pollen fliegen, die Blumen blühen - beste Produktionsbedingungen.

Christian Engelschall ist auf Umwegen zur Imkerei gekommen. Er wuchs auf dem landwirtschaftlichen Familienbetrieb in Aich auf, gab die Milchviehhaltung aber schon 2002 auf. Er lernte beim Großvater den Schreinerberuf und später dann Kaufmann. Aber er merkte, dass das nicht das Richtige für ihn war. Vor gut sechs Jahren stand er im Garten hinter dem Bauernhof unter dem großen Apfelbaum und sah den Bienen zu. Und da fiel dann die Entscheidung, es einfach zu versuchen. Damals isst er noch nicht einmal selbst Honig. Aber je länger er sich mit den Bienen, der Organisation und der Honigproduktion im Kollektiv und mit strikter Aufgabenteilung beschäftigt, desto eher wird diese Sache zur Leidenschaft. Noch heute beobachtet er am Musterbienenstock hinter dem Laden fasziniert, wie zurückgekehrte Bienen ihren Artgenossen mit dem Schwänzeltanz ganz genau "erklären", wo es eine "Nektarquelle" gibt. Zurzeit führt diese Lageskizze meist zum Löwenzahn oder zum Raps. "Es honigt erst seit einer guten Woche", sagt Engelschall. Und es sind beste Bedingungen: Mehr als 18 Grad, windstill, bodenfeucht, schwül. An guten Tagen kann ein Bienenstock zwei Kilo Honig produzieren. 250 Völker können im Jahr im Idealfall bis zu zwölf Tonnen Honig produzieren. In schlechten Jahren wie 2014, als die Blütezeit zu trocken war, können es aber auch nur drei Tonnen sein. Dann kann Engelschall weniger Honig oder Honiglikör im Hofladen verkaufen oder an den Regionalvermarkter Unser Land liefern. Immerhin ist Engelschall immer auf dem Laufenden über die Entwicklung, quasi live dabei: Alle Stöcke stehen auf sogenannten Stockwaagen, deren Messungen aufs Mobiltelefon übertragen werden. Auch an der Imkerei ist die Zeit nicht spurlos vorübergegangen. Sein Wissen hat sich der Aicher aus Büchern und natürlich auch aus dem Internet angeeignet, vor allem aber in der Landsberger Imkerschule, wo Praxis und Theorie auf dem Lehrplan stand. Das erste Bienenvolk nebst Königin kam dann mit einem Postpaket ins Haus. Es folgte vor gut zwei Jahren auf dem zweiten Bildungsweg eine Ausbildung zum Tierwirt mit der Fachrichtung Imkerei in Veitshöchheim. Voraussetzung für diesen Weg ist, dass ein Bewerber schon über Erfahrung verfügt und mindestens 80 Bienenvölker besitzt.

Langfristig will Christian Engelschall auf etwa 250 Völker aufstocken. Die braucht er für einen wirtschaftlichen Betrieb. Mehr allerdings wären auch wiederum schwierig. Denn die Imkerei ist kein Selbstläufer. Im Winter kann Engelschall zwar schon mal eine ruhigere Kugel schieben. Von März bis August kennt er dann aber kaum noch freie Tage. Es wird ausgewintert, gesäubert, bei Bedarf zugefüttert, der Honig wird geschleudert und Völker werden gezielt vermehrt. Vor allem aber müssen die Bienen im Blick behalten werden. Geht ihnen das Futter aus, dann hungert das ganze Volk gleichmäßig. Und deshalb verhungert es auch nahezu gleichzeitig. Oder es macht sich einfach aus dem Staub. So etwas passiert, wenn in einem Volk eine zweite Königin schlüpft. Dann nimmt die alte Königin einen Teil des Hofstaats mit und ist auf und davon. Deshalb sind sieben bis maximal neun Tage die entscheidende Zeitspanne für jeden Imker. Solange brauchen Weisel- oder Königinnenzellen bis zur Reife. Die Imker müssen in der Regel verhindern, dass es so weit kommt. Sonst machen sich ihre Arbeiterinnen aus dem Staub und der Chef steht ohne Honig da.

© SZ vom 16.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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