Fürstenfeldbruck:Der Fluch der Leichtigkeit

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Vor allem die Flüchtlingsthematik beschäftigt Müller bei seinem Auftritt in Fürstenfeld, egal ob in Österreich oder Großbritannien. (Foto: Günther Reger)

Kabarettist Michl Müller versucht sich in Fürstenfeld an einem Protestlied

Von Karl-Wilhelm Götte, Fürstenfeldbruck

Michl Müller ist ein Lustiger. Er verspricht großen Spaß und beständiges Amüsement. Das wissen nicht zuletzt die Brucker zu schätzen, die erneut den Stadtsaal in Fürstenfeld bis auf den letzten Platz füllten. Und Müller hielt, was er versprach: Dauerlachen war auch bei seinem neuen Programm "Ausfahrt Freihalten" drei Stunden lang angesagt. Elf Jahre lang ist der heute 43-jährige Kabarettist aus dem unterfränkischen Bad Kissingen jetzt als Profikünstler unterwegs. Michl Müller sorgt nicht nur in Fürstenfeldbruck für ein volles Haus; überall, wo er 160-mal im Jahr auftritt, sind die Säle ausverkauft. Doch den überaus Erfolgreichen beschleicht scheinbar ein Unbehagen, das Lustigsein nicht mehr reicht.

Müller will nicht nur über die Fleischfachverkäuferin oder den Vollwärmeschutz der Liebe singen, sondern auch einmal ein Protestlied schmettern. "So wie Hannes Wader oder Konstantin Wecker", sagt er und dann kommt doch "nur" wieder eine Andrea-Berg-Parodie heraus oder ein Liebeslied mit den absurden Versen "Weißt du, warum ich bei dir bleibe, du hast eine Ingwerreibe". Es ist nicht so, dass sich Müller nicht an politische Themen herantraut. Die erste Viertelstunde gehört der aktuellen Tagespolitik. Das macht er an den bekannten Akteuren fest, die er glänzend parodiert oder mit plakativen Schlagworten belegt. Da gibt's den Horst Seehofer, den "alten VW-Käfer mit Fehlzündung" oder den Gabriel als "Balu der Bär", die "Dirndl-Ministerin" Aigner, das "Haubitzenröschen" Uschi von der Leyen oder Merkel "unser Heringsdösle."

Österreich ist für Müller angesichts der Flüchtlingstransporte "kein Land mehr, sondern ein Busunternehmen". Zynisch formuliert er über Großbritannien: "Die nehmen 4000 Syrer auf, hoffentlich kippt da die Insel nicht." Zur Einordnung des Flüchtlingsproblems bringt er das enorme Engagement der Umweltschützer bei der Krötenwanderung ins Spiel: "Da werden dreispurige Krötentunnel gebaut." Müller betreibt sein politisches Kabarett wie immer sehr dosiert, bindet es aber ganz bewusst und zielorientiert ein. "Ich will vor allem unterhalten", sagt er im Gespräch mit der SZ, "vielleicht bleibt so etwas hängen." Und dann kommt ein bemerkenswerter Satz: "Einmal darüber lachen ist besser als zwei Stunden drüber reden."

Lachen können die Besucher auch über Müllers Empfehlung, an Allerheiligen auf dem Friedhof zwischen den Gräbern Bier und Bratwurst zu verkaufen, damit die Veranstaltung lustvoller wird. Er versucht sich an diesem Abend aber auch immer wieder an einem Protestlied. Das gelingt nicht so recht. Müller singt über den Federweißen und über einen Schiffer, einen Seemann. Es gelingt nicht, "weil der Michl Müller ein Lustiger ist", wie er selbst auf der Bühne sagt. "Auf Hunger und Durst reimt sich bei mir nur Leberwurscht", führt er als Beispiel an und dass es ihm an Tiefgang fehle. Im Tiefgang kann man aber auch versinken, das spürt der gelernte Schlosser, der vor seiner Künstlerkarriere viele Jahre im Stahlwerk arbeitete. Müller steckt sein Publikum mit ungeheurer Spielfreude an. Im Nu bringt er auch ältere Menschen dazu, seine Refrains mitzusingen. "Sobald ich da oben stehe, habe ich Lust zu spielen", muss er nicht unbedingt sagen, weil es jeder im Saal spürt.

Müller verfügt über ein riesiges Bühnentalent, wie kaum ein anderer seiner Kollegen. Ironische Passagen wechseln mit genialen Persiflagen. Wenn es um Menschen geht mit allen ihren Unzulänglichkeiten, sind seine Attacken aber niemals lieblos, zynisch, platt, eklig oder herablassend. Er produziert Dauerlachen, aber das Lachen des Publikums ist niemals schenkelklopfend und grölend, sondern eher ein kosmisches Bauchgelächter. Um es mit seiner Figur Holger zu sagen: "Der Dalai Lama wäre zufrieden." Müller schafft es, das ganze menschliche Irren und Wirren so entlarvend und gleichzeitig liebevoll zu zeigen. Doch sein Unbehagen bleibt. Ein letztes Mal versucht er sich an einem Protestlied. "Was ist los? Es ist Krieg, und ich steh' da in der Unterhos", singt er dann und der Saal singt mit. Michl Müller will weiter lustig, aber nicht mehr der Hofnarr der Mächtigen sein? Da warten wir gespannt auf seinen finalen Auftritt bei der nächsten Fasnacht in Franken, wenn Ministerpräsident Seehofer und Söder ihre Hofnarren beklatschen.

© SZ vom 10.11.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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