Fürstenfeldbruck:Der eigenen Lebenszeit voraus

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Talentiertes Duo: Die Geigerin Cleophea Matthes, begleitet von Flavia Metzner am Klavier. (Foto: Johannes Simon)

Konzert der Streicherakademie begeistert mit äußerst hohem Niveau

Von Klaus Mohr, Fürstenfeldbruck

Seit einem knappen halben Jahr gibt es sie nun, die "Streicher Akademie" des Puchheimer Jugendkammerorchesters (PJKO). Die Idee gründet auf der Erfahrung, dass musikalisch begabte Kinder bereits möglichst früh intensiv gefördert werden sollten, weil der Zeitpunkt des Studienbeginns dafür eigentlich zu spät ist. Nachwuchsförderprogramme anderer Länder seien da viel besser aufgestellt als die Verhältnisse in Deutschland, erzählte Simone Burger-Michielsen, eine der Initiatoren der Streicher Akademie, bei der ersten Konzertveranstaltung im kleinen Saal des Veranstaltungsforums Fürstenfeld. Gemeinsam mit ihrem Mann Peter Michielsen betreut sie seit fast einem Vierteljahrhundert Kinder und Jugendliche, die Geige oder Bratsche erlernen möchten. Der Erfolg vieler Schüler beim jährlichen Wettbewerb "Jugend musiziert" bestätigt das Engagement des Ehepaares. Regelmäßig tritt das Puchheimer Jugendkammerorchester auch im Landkreis auf und wird bei Orchesterwettbewerben mit Preisen ausgezeichnet.

Ziel der Streicher Akademie ist es daher, den Kindern zumindest alle drei Wochen eine Zusatzunterrichtsstunde zukommen zu lassen, damit sie ihre Technik gezielt verbessern können. Auch eine professionelle Klavierbegleitung gehört zum Programm, weil Musik für Streicher nur selten solistisch komponiert ist. Kammermusik, mindestens monatliche Auftritte und eine Fundierung durch Theorieunterricht, der in Kooperation mit der Jugendakademie der Hochschule für Musik und Theater München stattfindet, runden neben dem Orchesterspiel das Förderpaket ab. Es ist klar, dass das alles nicht zum Nulltarif zu bekommen ist, und weil die Förderung von Kindern nicht vom Geldbeutel der Eltern abhängen soll, werden derzeit händeringend Geldgeber gesucht. Was bislang an Zusagen vorliegt, summiert sich zu eher bescheidenen Beträgen.

Im Konzert am Sonntagabend waren insgesamt acht Kinder und Jugendliche zu hören. Begabung und Leistungswille waren in dieser Stichprobe offensichtlich vornehmlich weiblich, denn zu den jungen Künstlerinnen Cleophea Matthes, Sophia Wagner, Amanda Zhu, Maya Wiechert, Elisabeth Buchner (auf der Viola), Friederike Kampick und Clara Shen gesellte sich genau ein männlicher Geiger, nämlich Alban Beaujean. Auf dem Programm stand fast ausschließlich Virtuosenliteratur, womit die größten Komponistennamen der Musikgeschichte sämtlich fehlten. Das hatte wohl damit zu tun, dass sich die Schüler alle erste Preise im Regionalwettbewerb bei Jugend musiziert erspielt haben.

Im Grunde war von außen betrachtet alles so, wie man es von Schülervorspielen kennt: Kinder in hübschen Kleidern und mit gestylten Haaren traten etwas schüchtern auf die Bühne, spielten ihr Stück mit Klavierbegleitung, verbeugten sich und verließen die Bühne wieder. Die anwesende Verwandtschaft applaudierte eifrig. Allerdings überstieg das Niveau der Stücke bei weitem und bei allen das, was man sonst gewohnt ist. Spiel in allen Lagen, komplexe Doppelgriffe, differenziertes Vibrato, Sinn für Klang und Spannungsbögen zeichneten alle jungen Musiker aus, auch wenn der Grad der Beherrschung dieser technischen Herausforderungen je nach Alter durchaus variierte. Verspieler oder Aussetzer kamen jedoch gar nicht vor. Damit legten die Kinder ein beredtes Zeugnis für ihren Einsatz, aber auch für ihren ausgezeichneten Unterricht ab. Da Bildungsprozesse auf lange Zeitspannen hin ausgerichtet sein müssen, wäre es allerdings vermessen, das Leistungsniveau schon jetzt der verstärkten Förderung in der Streicher Akademie zuschreiben zu wollen. Sollen solche Impulse mehr als ein Strohfeuer sein, dann werden sie sich erst in einiger Zeit auswirken können.

Interessant dürfte es insofern sein, die Entwicklung zu beobachten: Dann wird sich zeigen, inwieweit das zu beobachtende artistisch-virtuose Moment auch eine Hilfestellung bei der Bewältigung eines Werks von Bach oder Mozart sein kann. An Musik für Kammerbesetzungen dürfte ablesbar sein, inwieweit die Kommunikation mit den Mitspielern und dem Publikum dann schon vorangeschritten ist. Eine in jeder Hinsicht ermutigende Auftaktveranstaltung war das Konzert auf alle Fälle.

Eines jedoch sollte man nicht aus den Augen verlieren: Gelingen wird der Lebensweg der jungen Musiker nur dann, wenn außer dem Üben und Musizieren auch viele andere alterstypische Betätigungen ihren angemessenen Platz finden. Motivation, Fleiß und Erfolge auf dem Feld der Musik sind bei diesen jungen Künstlern schon jetzt in hohem Maß vorhanden. Dies allein rechtfertigt bereits die intensive Förderung durch die Streicherakademie. Dennoch sollten alle Beteiligten nicht dem Trugschluss erliegen, dass dadurch bereits ein geeigneter Beruf gefunden ist. In aller Regel kann eine berufliche Perspektive als Geiger nicht das Ziel sein: Angesichts dessen, dass der größte Teil der Absolventen an deutschen Musikhochschulen in den Orchesterinstrumenten ihren Traumberuf im Orchester angesichts fehlender Stellen nicht verwirklichen kann, ist die Entscheidung für ein ambitioniertes Hobby zur richtigen Zeit in den meisten Fällen die bessere Alternative. Ebenso hoch wie die Motivation für die Musik sollte daher die Weichenstellung für ein glückendes Leben eingeschätzt werden. Die Begeisterung für die Musik prägt junge Menschen in jedem Fall nachhaltig.

© SZ vom 22.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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