Fürstenfeldbruck:Der Brückenbauer

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Was Schamane Toss Droege erzählt, ist ein Angebot. Er bittet aber darum, den Kopf und die Zweifel darin für ein paar Stunden außen vor zu lassen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Als bayerischer Schamane hat Toss Droege einen ungewöhnlichen Beruf. Was es damit auf sich hat, erfahren Besucher im Veranstaltungsforum

Von Julia BergmaNn, Fürstenfeldbruck

Zwei Frauen halten sich an den Händen, ihre Augen sind geschlossen. Getroffen haben sie sich vorher noch nie. Und es sei schon komisch, eine völlig fremde Person so zu berühren, werden beide später sagen. Komisch, aber doch nicht so schlimm, wie befürchtet. Und irgendwie war da auch so ein kribbelndes Gefühl, oder vielleicht auch ein warmes. Irgendwas war auf jeden Fall da. Nur die Worte fehlen, weil das, was sie erlebt haben, mit einem durchschnittlichen Alltagswortschatz nur schwer zu beschreiben ist.

Dass sie sich aber überhaupt in dem kleinen Seminarraum im Veranstaltungsforum getroffen haben und jetzt so beieinander sitzen, ohne zu reden und sich ein bisschen verkrampft aneinanderklammern, das haben sie Toss Droege zu verdanken. Droege ist bayerischer Schamane aus Starnberg, eine Berufsbezeichnung die man zumindest als exotisch bezeichnen kann. Nach einer Krankheit und einer Nahtoderfahrung ist der Starnberger auf den schamanischen Weg katapultiert worden, sagt er. Zuvor war er lange Zeit traditionell westlicher Familientherapeut.

Der Schamane steht also inmitten eines Sitzkreises, inmitten von vielleicht 20 Zweiergruppen und lädt sie dazu ein, ihr "Herzensfeuer" zu entfachen, ihre Aura, den Saal, ganz Fürstenfeld und schließlich die Stadt im "goldenen Schein" dieses Feuers erstrahlen zu lassen. Und bevor man noch die Gelegenheit hat, die eben gehörten Worte zu reflektieren, um zu dem Schluss zu kommen, dass das Ganze schon etwas skurril klingt, sagt Droege: "Der Kopf denkt vielleicht, was soll das? Das ist peinlich!" Und man fühlt sich ertappt. Gedanken wie diese seien normal, sagt er. Der Kopf stelle sich eben manchmal quer. Er empfiehlt, sich von diesen Gedanken zu lösen und den Ritualen unvoreingenommen zu begegnen. Alle schließen die Augen, einer der Besucher muss ein bisschen kichern.

Ganz grundsätzlich, hat Droege zuvor erklärt, gebe es drei Welten. Die mittlere, die wir alle miteinander teilen, die untere, die der Ahnen und die obere, die geistige Welt, die der Zukunft. "Der Schamane versteht sich als Brückenbauer", erklärt er. Er bitte um Informationen aus diesen Welten und begleitet mit deren Hilfe seine Gäste in eine Art Selbstheilung, hilft, ihre sogenannten Schmerzkörper aufzulösen. Es geht immer auch darum, eine Rückverbindung mit und eine Rückbesinnung auf die Natur zu erreichen. "Zu lange haben wir uns auf Äußerlichkeiten konzentriert und dabei den Bezug zu unserem Inneren und der Natur verloren", sagt er. Droege betont, dass es sich beim Schamanentum nicht um eine Religion handelt. Vielmehr sei es eine Art Ur-Heilwissen.

Man gehe davon aus, dass der Mensch in Netzwerke eingebunden ist, also in Interaktion mit allem Beseelten steht. "Und Schamanen glauben, dass auch ein Baum oder ein Stein eine Seele hat", sagt er. Jede Interaktion erzeuge einen Nachhall und man könne sich entscheiden, ob man den Weg der Angst oder der Liebe gehen wolle.

Droege erzählt davon, dass er gerade eben eine Fernheilung bei einem Hund erlebt habe. Wie das genau funktioniere - er wisse es nicht. "Ich will mich damit auch nicht brüsten. Was ich damit sagen will: seid offen für die Wunder." Droege erzählt etwa von Energien und Schwingungserhöhung, beseelten Steinen und Bäumen. Dass das für Menschen, die sich mit der Materie noch nie beschäftigt haben, absurd klingen kann, ist ihm bewusst. Damit kann der bayerische Schamane aber umgehen und so geht er auf Fragen der Besucher ein.

Unter ihnen viele Frauen, einigen davon ist das Konzept des Schamanentums fremd, andere beschäftigen sich seit Jahren damit. Manche sind aus Neugier gekommen, andere sind durchaus kritisch. Wie die Frau, die fragt: "Sie sprechen immer von Schwingungserhöhung. Woher kommt das? Und muss man das glauben?" Oder wieder eine andere, die irritiert ist von dem Ritual, bei dem sie einen Edelstein festhalten und ihm mitteilen soll, wie sie sich selbst gerne sehen würde. Einige Besucher blasen dabei auf ihren Stein, um ihm ihre Gedanken einzuhauchen. Zögerlich fragt die Frau: "Muss ich jetzt wirklich den Stein anhauchen oder geht das auch so?" Die Runde lacht, auch Droege. "Es geht auch so", sagt er. Obwohl das Einhauchen schon besser wäre.

So wird das, was der Schamane erzählt, nicht zum Zwang, es bleibt immer Angebot. Die einzige Bitte, die er mehrmals äußert, ist die, den Kopf und die Zweifel darin für ein paar Stunden außen vor zu lassen. Nun bleibt jedem Besucher überlassen, ob Rituale, wie sie Toss Droege anbietet, ihm helfen können. Auf seiner Homepage weist der Schamane mehrmals darauf hin, dass seine Angebote einen Besuch bei einem Arzt nicht ersetzen sollen. Droege liegt es offensichtlich fern, seinen Weg als den allein gültigen zu präsentieren, er nimmt sein Metier aber ernst und lädt die Besucher ein, einen Ausschnitt dieser Welt durch verschiedene Rituale zu erleben. Wo die Grenze zwischen Sinn und Unsinn verläuft, entscheidet ohnehin jeder selbst. Und so oder so bleibt am Ende immerhin eines: Ein lustiger Abend voller netter Begegnungen und drei Stunden voller meditativer Entspannung.

© SZ vom 16.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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