Fürstenfeldbruck:Defizite bei der Gleichstellung

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Nur zehn Wochenstunden hat der Kreistag ihr bislang für die Arbeit als Gleichstellungsbeauftragte bewilligt: Annemarie Fischer (Foto: Günther Reger)

Politiker loben "frauenfreundlichen Landkreis" und bezweifeln den Sinn weiterer Verpflichtungserklärungen. Doch die Beauftragte des Landratsamts sieht ausgerechnet dort einigen Nachholbedarf - vor allem bei den Teilzeitkräften

Von Gerhard Eisenkolb, Fürstenfeldbruck

Der Landkreis sei frauenfreundlich, weshalb es kaum Gleichstellungsprobleme gebe. Und wenn, dann würden sie lokal gelöst, ohne dass es dazu der Teilnahme an der Europäischen Charta für Gleichstellung von Frauen und Männern auf kommunaler und regionaler Ebene bedürfe. So haben Politiker wie Frederik Röder (CSU) und Max Keil (parteifrei) sowie Landrat Thomas Karmasin (CSU) im Kreisausschuss kürzlich auf den Antrag von Petra Weber (SPD) reagiert, der Landkreis solle jener Europäischen Charta für die Gleichstellung auf kommunaler Ebene beitreten. Einen gewaltigen Dämpfer erhielten die Männer, die sich so geäußert hatten, prompt von der Gleichstellungsbeauftragten Annemarie Fischer.

Ihr gesteht der Kreistag zurzeit gerade mal ein Deputat von zehn Wochenstunden zu. Nüchtern und sachlich stellte die Mitarbeiterin des Landratsamtes dazu fest: "Wenn wir ein frauenfreundlicher Landkreis werden wollen, brauchen wir 1,5 Stellen." "Vorzüglich" sieht es laut Fischer noch bei den Abteilungsleiterinnen im Landratsamt aus. Kritisch sieht die Gleichstellungsbeauftragte aber die vielen Teilzeitbeschäftigten. Für diese Frauen gebe es so gut wie keine Beförderungen und auch deren Bezahlung sei schlecht. Zudem müsste das 1999 entwickelte Gleichstellungskonzept eigentlich alle fünf Jahre neu erstellt werden. Da ihre Stunden gekürzt wurden, seien diese Aufgaben, ebenso wie andere, mit zehn Wochenstunden nicht zu erfüllen. Laut Fischer werden Gleichstellungsbeauftragten in Bayern im Vergleich aller Bundesländer die wenigsten Stunden zugestanden. Mit 18 Wochenstunden sind es im Bayerndurchschnitt aber immerhin fast noch doppelt so viele wie im Brucker Landkreis. Eigentlich zielte der Antrag der Kreisrätin Weber ja darauf ab, das Stundendeputat über den Umweg der Charta der Europäischen Gleichstellung zu erhöhen. Laut Weber ist die Charta das Handwerkszeug zur Feststellung des Istzustandes.

"Ich nehme das Thema ernst", versicherte Karmasin. Er sei selbst mit einer Gleichstellungsbeauftragten verheiratet. "Die Nichtbeförderung von Teilzeitkräften wäre ein Missstand, der sofort behoben werden müsste". Weil das nicht zu dulden wäre, hätte er das gerne nachgeprüft. Unterstützung fand Karmasin bei der Verwaltung. Von dieser kam der Hinweis, erst kürzlich seien zwei Teilzeitmitarbeiterinnen der Bauverwaltung befördert worden.

Peter Falk (SPD) war sich schon vor der Stellungnahme der Gleichstellungsbeauftragten sicher, dass der Landkreis der Charta beitreten werde, schon allein wegen der unterschiedlichen Bezahlung von Frauen und Männern sei das gerechtfertigt. Zustimmung zum Beitritt signalisierte auch Martin Runge (Grüne), damit wäre der Landkreis der erste frauenfreundliche Landkreis in Bayern.

Weber findet den Weg zur Verbesserung der Gleichstellung wichtiger als die Unterzeichnung einer Charta, durch die sich der Landkreis verpflichten würde, einen Aktionsplan zur Gleichstellung zu erarbeiten. Dieser würde Ziele und Maßnahmen zur Umsetzung des Gleichstellungsauftrags von Mann und Frau definieren. Weber stimmte dem Vorschlag des CSU-Fraktionschefs Röder zu, den Beitritt zurückzustellen und vorher den Bedarf zu prüfen. Die qualitativ gute Arbeit von Annemarie Fischer lobte Röder nachdrücklich. Laut Keil herrscht Einigkeit, dass der Landkreis Fürstenfeldbruck frauenfreundlich und auf dem richtigen Weg ist. Einstimmig wurde beschlossen, den Stellenbedarf zu prüfen und das Ergebnis bei den Haushaltsberatungen vorzulegen.

Als Themenfelder, auf denen neue Ungleichheiten entstehen, nannte Petra Weber Altersarmut, Kinderbetreuung, Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Wohnraumsituation, Ehrenamt und die Betreuung der älter werdenden Bevölkerung.

Der Landkreis verfügt seit 30 Jahren über eine Gleichstellungsbeauftragte. Deren Aufgabenkatalog ist groß. Er umfasst die Überwachung des Vollzugs des Gleichstellungsgesetzes und des Gleichstellungskonzepts des Landkreises.

Die Gleichstellungsbeauftragte dient als Anlaufstelle für Anregungen und Beschwerden, sie soll Probleme auf kommunaler Ebene aufzeigen und Lösungsmöglichkeiten entwickeln, soll Selbsthilfeaktivitäten koordinieren und öffentliche Veranstaltungen organisieren, den Kontakt zu Frauenverbänden, Gewerkschaften und Berufsverbänden pflegen und die Arbeit der Frauengruppen im Frauenforum Fürstenfeldbruck koordinieren.

© SZ vom 26.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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