Fürstenfeldbruck:Das Klischee vom fremden Täter

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Nach dem sexuellen Missbrauch an einer Grundschülerin durch einen Fremden betonen Experten, wie selten das ist

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Ein Fremder spricht ein Kind an und belästigt es sexuell. Der Alptraum vieler Eltern ist am Freitag in Fürstenfeldbruck Realität geworden: Eine Grundschülerin ist auf dem Nachhauseweg von einem Mann angesprochen und sexuell belästigt worden. Der mutmaßliche Täter, ein 27-jähriger Brucker, sitzt bereits in Untersuchungshaft. Ihm wird sexueller Missbrauch an einem Kind vorgeworfen, die Ermittlungen dauern an. Experten von Polizei und Beratungsstellen betonen jedoch, ohne den Fall herunterspielen zu wollen, dass Kinder von Fremden eher selten sexuell belästigt werden.

"Dieses Bild herrscht ja schon lange vor: Es ist ein Fremder, ein Mann", der die eigenen Kinder belästige oder missbrauche. Diese Klischeevorstellung vieler Eltern kritisiert Andrea Bergmayr, Leiterin der auch für den Landkreis zuständigen Münchner Beratungsstelle für Mädchen und junge Frauen " Imma". "Nein, es ist eher umgekehrt", betont die Sozialpädagogin, nur ein Viertel der Mädchen und 30 Prozent der Jungen werde Opfer eines Fremden. Die meisten würden von Menschen aus dem eigenen sozialen Umfeld sexuell missbraucht. "Fremde sind bei sexuellem Missbrauch eher die Ausnahme", bestätigt Jürgen Weigert, Sprecher der Polizei Oberbayern. Für 2014 weist die Statistik der Kriminalpolizei für den Landkreis Fürstenfeldbruck 28 Fälle von sexuellem Missbrauch an Kindern aus. Darin enthalten sind aber auch exhibitionistische Handlungen oder Chats im Internet mit nicht jugendfreien Inhalten. In welchem Verhältnis Opfer und Täter standen, erläutert die Statistik nicht.

Dass der böse Fremde mehr der Fantasie denn der Realität entspricht, bestätigen auch Michael Fischer, Sprecher der Polizeiinspektion Fürstenfeldbruck, und der Leiter des Amts für Jugend und Familie im Landratsamt, Dietmar König. "Man weiß ja, dass Täter sich gezielt bestimmte Spielwiesen suchen", spielt König auf Vereine und spezielle Jugendgruppen an.

Um Kinder vor derartigen Erlebnissen zu bewahren, empfehlen Bergmayr und Fischer ein enges, vertrauensvolles Verhältnis zu den eigenen Kindern. Neben häufigen Gesprächen sollte der Nachwuchs lernen, dass Erwachsene nicht alles und Kinder Nein sagen dürfen, wenn ihnen etwas nicht passt. Dazu müsse man ihr Selbstvertrauen stärken und ihnen klar machen, dass sie unter keinen Umständen mit Fremden sprechen sollten - egal, ob die mit Süßigkeiten oder kleinen Häschen lockten, unterstreicht Fischer. Wichtig sei generell, den Kindern nicht ständig Vorwürfe zu machen, da sie sonst automatisch das Gefühl entwickeln würden, an allem Schuld zu sein und dann womöglich einen derartigen Vorfall aus Schuldgefühlen verschweigen würden, erläutert Fischer. Bergmayr empfiehlt Kindern und Jugendlichen in einer solchen Situation wegzulaufen, sofern das möglich ist, oder Erwachsene anzusprechen und um Hilfe zu bitten. Wenn sich ein Kind einem Erwachsenen anvertraue, sollte man es auf jeden Fall ernst nehmen, betont sie.

Das könne bisweilen in Hysterie ausarten, sodass aus einer subjektiven Beobachtung ein Gerücht entstehe, erklärt Fischer. Er erinnert an einen Fall in Mammendorf, wo sich wie ein Lauffeuer verbreitete, dass ein alter Mann um die Schule schleiche und Schüler anspreche. Die Ermittlungen der Polizei ergaben schließlich, dass es ein Großvater war, der seinen Enkel abholen wollte. Auch wenn solche Mitteilungen der Polizei unnötige Arbeit bescheren, unterstreicht der Polizeisprecher: "Lieber einmal zu viel angerufen als zu wenig."

Betroffene können sich an die Erstberatung im Landratsamt (08141/51 95 99) wenden, die an die jeweiligen Münchner Beratungsstellen Imma und Kibs weitervermittelt.

© SZ vom 09.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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