Die Regierung fordert von Asylbewerbern Geld für die Unterbringung, auch rückwirkend. Teilweise handelt es sich um mehrere Tausend Euro. Betroffen sind in erster Linie sogenannte Fehlbeleger, anerkannte Asylbewerber, die in Unterkünften leben müssen, weil sie keine Wohnung finden. Im Landkreis sind das nach Angaben des Jobcenters derzeit 915 Menschen. Weil kaum einer genügend Geld verdient, um die Gebühren zu bezahlen, wird das Jobcenter den Löwenanteil übernehmen. Die Einrichtung in Fürstenfeldbruck kalkuliert mit einer Summe von insgesamt 250 000 Euro pro Monat.
Die vierköpfige Familie A. aus Syrien war einige Monate im ehemaligen Hotel Mühlbach in Olching untergebracht, dann wurden sie in eine Unterkunft in Bruck umquartiert. Der Vater arbeitete ein paar Wochen in einem Restaurant als Aushilfe und verdiente 800 Euro. Jetzt bekam die Familie zwei Bescheide über 5000 Euro für Olching und 4000 Euro für Bruck zugestellt. "Wir finden keine Wohnung und wir können das auch nicht bezahlen", sagte die Tochter der Familie der SZ.
Die Familie A. ist kein Einzelfall. "Fast täglich kommen solche Bescheide", sagt Karl Heinz Theis vom Helferkreis in Olching. In der Unterkunft an der Hermann-Böcker-Straße habe inzwischen jeder zweite Flüchtling eine solche "Gebührenerstattungskostenaufstellung", wie es im Amtsdeutsch heißt, in Händen.
Grundlage ist die bayerische Asyldurchführungsverordnung (DVASyl) vom August 2016. Die Post kommt aus Unterfranken, weil die dortige Bezirksregierung das Geld zentral für ganz Bayern eintreibt. Allein im Mai hat die Behörde mehr als 20 000 Bescheide verschickt, sagt Pressesprecher Johannes Hardenacke. Die zuständige Abteilung sei auf 100 Mitarbeiter aufgestockt worden und laufe jetzt "im Vollbetrieb".
Die Bescheide werden seinen Angaben zufolge an zwei Gruppen von Flüchtlingen verschickt. An die sogenannten Fehlbeleger und an Flüchtlinge, deren Verfahren zwar noch läuft, die aber arbeiten. Seine Behörde habe bis Ende Juli 110 Bescheide an Fehlbeleger und 23 an nicht anerkannte Asylbewerber in Fürstenfeldbruck geschickt, sagte Hardenacke.
Die Gebühren betragen für Erwachsene 278 Euro für die Unterkunft und 33 Euro für Energie. Die Beträge für Haushaltsangehörige sind niedriger, dafür können die Beträge aber rückwirkend bis zum 1. Januar 2015 erhoben werden. Deshalb werden in den ersten Bescheiden oft große Summen für mehrere Monate in Rechnung gestellt wie für die Familie A. in Bruck. In Zukunft werde für jeden Monat ein Bescheid erstellt, erklärt der Pressesprecher der Regierung. Für Theis ist das Mietwucher. Denn die meisten Flüchtlingen müssen zu mehreren in einem Raum leben. "Das macht 30 bis 40 Euro pro Quadratmeter", rechnet er vor. Die Behörde widerspricht. "Das ist keine Miete, sondern eine Gebühr", sagt Hardenacke. Man könne in Raten zahlen und sich an das örtliche Jobcenter wenden.
Die Mitarbeiter im Brucker Jobcenter haben bislang etwa 150 Fälle bearbeitet. "Die große Welle kommt noch", sagt Claudia Baubkus, die Leiterin. Auch sie berichtet von "oft relativ hohen Beträgen", wenn Gebühren bis zu einem Jahr rückwirkend erhoben werden. Für Familien würden drei- bis viertausend Euro fällig, im Fall einer achtköpfigen Familie handele es sich um einen fünfstelligen Betrag.
Das Jobcenter prüft, ob die Betroffenen bereits Arbeitslosengeld II oder Hartz IV beziehen oder Anspruch darauf haben. In diesen Fällen übernimmt das Jobcenter die Kosten oder stockt auf, wenn die eigenen Einkünfte nicht ausreichen. Der Arbeitsaufwand sei für das Jobcenter zu meistern, sagt Baubkus, das gehöre zum Tagesgeschäft. Stromkosten müssen die Asylbewerber ohnehin selber tragen. Das bedeutet, wenn vier erwachsene Flüchtlinge in einem Zimmer in einer Unterkunft leben, kassiert der Staat insgesamt 132 Euro für Strom im Monat von ihnen.
Die Flüchtlinge seien vorher nicht ausreichend informiert worden, kritisiert Theis vom Olchinger Helferkreis. Den Hinweis auf diverse Homepages von Behörden hält er für lächerlich. Die Bescheide würden die Menschen verunsichern und die Helfer auf Trab halten. "Wir müssen die Betroffenen beruhigen und ihnen helfen, die komplizierten Bescheide zu verstehen und zu reagieren."
Die Forderungen sind in dem Monat fällig, in dem die Bescheide zugestellt werden. Der Bayerische Flüchtlingsrat rät zur Klage. Das sei prinzipiell sinnvoll, aber für die meisten Asylbewerber zu teuer, sagt Theis. Er setzt auf Musterklagen und rät den Betroffenen, sich an das Jobcenter zu wenden, wie es die Familie A aus Syrien getan hat. Bayernweit sind laut Hardenacke derzeit 124 Klagen anhängig.