Finale des Paulaner Solo:Buhrufe für den Sieger

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Sieger Thomas Rottenbiller redet, wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Die Jury konnte er mit seinem Auftritt überzeugen. (Foto: Günther Reger)

Bei der Preisverleihung des Paulaner Solo Nachwuchswettbewerbs äußert das Publikum seinen Unmut über die Entscheidung der Jury. Moderator Helmut Schleich versucht zu schlichten und zeigt den Abend über, wie die vier Kandidaten auch, beste Unterhaltung

Von Edith Schmied, Fürstenfeldbruck

Tröstende Worte der Art, "eigentlich haben ja alle Teilnehmer einen Preis verdient" und Buhrufe lagen bei der Siegerehrung für den Paulaner-Solo-Nachwuchswettbewerb 2015 recht nah beisammen. Die Entscheidung der Jury (Rosa Wagner, Sylvia Ottes und Winfried Frey), für den Sieger Thomas "Rix" Rottenbiller war für viele überraschend und nicht nachvollziehbar. "Einen Preisträger buht man nicht aus", appellierte Moderator Helmut Schleich schließlich an die Fairness des Publikums. Der Zweitplatzierte Özcan Cosar gewann den extra dotierten Publikumspreis. Möglicherweise hatte man damit spekuliert, dass Lars Redlich ohnehin den ersten Preis gewinnt. Die Jury setzte diesen allerdings auf den vierten, Katie Freudenschuss auf den dritten Platz. Trotz der Unstimmigkeiten endet der Abend harmonisch mit einem gemeinsamen Lied der Kandidaten mit der versöhnlichen Botschaft: "Stand by me".

Thomas Rottenbiller fackelt nicht lange, er sagt wie's ist, und wie ihm der Schnabel gewachsen ist. Er haut seine Nummern raus direkt ins Publikum, brachial, barbarisch und derb. Er schont sich auch selbst nicht: "I bin a Depp und da bin i dahoam". An seiner, auch körperlichen Bühnenpräsenz kommt keiner vorbei. Die Themen kommen mitten aus dem Leben, sind voll von Missverständnissen und rufen jede Menge Schadenfreude hervor. Bei aller Derbheit versprüht der Stand-Up-Comedian einen urwüchsigen Charme mit dem er das Publikum zur Mitmachnummer animiert, indem er versucht als DJ den seltsamen Musikwunsch eines vom Alkohol Gelähmten zu erfüllen.

Özcan Cosar lebt seine türkische Herkunft genussvoll aus. "Nachwuchsasozialer", nennt er sich selbst. Inzwischen hat er sich jedoch integriert und ist laut seiner Homepage nach einem ausgeprägten Türkzorzismus seit 2009 deutscher Staatsbürger. Er begann seine Karriere als Breakdancer, das passt zu seinem Bewegungstalent. Der bereits mehrfach ausgezeichnete Comedian (Prix Pantheon 2014) ist zudem ein sprachlicher Alleskönner. Sein Auftritt ist gekonnt durchchoreografiert von der Geburt bis zum Aufstieg als Latinlover. Eine Nummer geht nahtlos in die nächste über. Urkomisch ist seine gekonnte erotische Anmache quer durch alle Nationen. Chinesisch, das erfährt man dabei, geht gar nicht, weder akustisch noch physisch.

Die beiden Sieger gehören eindeutig in die Kategorie klassische Komödie. Dagegen sind Katie Freudenschuss und Lars Redlich Musikkabarettisten. Freudenschuss' Äußeres, langes, blondes, lockiges Haar, Puppengesicht täuscht allerdings. Sie ist nicht lieb. Die putzige Melancholie in ihren Liedern ist nur das Sprungbrett für den abrupten Wechsel zur bösen Ironie. Die Songschreiberin beherrscht das Klavier ebenso wie alle stimmlichen Varianten. Im dramatischen Liederzyklus rund um das Wunder von Bern säuselt sie hingebungsvoll, dann röhrt sie wie ein Hirsch Fußballparolen. Mit grandiosem Improvisationstalent verarbeitet die Songschreiberin Reizwörter aus dem Publikum. Aus Hagebaumarkt, Stadtwerke - "sind die schön?", fragt sie - und Marthabrüll komponiert sie einen witzigen FFB-Song, aus SCF wird dabei Science-Fiction. Das muss man erst mal hinkriegen.

Lars Redlich ist eigentlich Lehrer, und unverkennbar Schauspieler und Musicalstar. Selbst eine technische Panne mit der Gitarre überbrückt er gekonnt. Dann eben das Klavier. Setzt sich hin, spielt, singt mit so viel Charme und Witz, dass es eine Freude ist ihm zuzuhören. Die poetische Ballade vom verloren gegangenen Freund Georg ist eigentlich die der einsamen Socke, die den Weg alles Irdischen, sprich Flusensieb und Abflussschacht, geht. Den Schmerzensschrei "ah, ah, ah, ah" peitscht er sehr amüsant und variantenreich durch alle Musikstile und Szenarien.

Bei allem Spaß mit den Kandidaten ist Moderator Helmut Schleich ist das Highlight des Abends. Das ist Kabarett vom Feinsten und beweist was aus einem Gewinner (1999) des Nahwuchswettbewerbes werden kann. Zuwenig CSU? Damit räumt der Strauß Imitator gehörig auf. Neben der üblichen Stoiberschelte giftet er gegen "Worthülsenvollernter" Andreas Scheuer, oder Alexander Dobrindts Gastgeschenk für Franziskus, den Papst der Armen, einen Fresskorb mit Dosenweißwürsten, Honig, Kaffee. Ja geht's noch. "Des hätt' ma früher in die DDR geschickt."

© SZ vom 27.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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