Fürstenfeldbruck:Bühne statt Schulbank

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Mehrere, voneinander unabhängige Szenen beschäftigen sich mit Mensch und Umwelt. Dabei schlüpft auch Amos Ostermeier (vorne) in verschiedene Rollen. (Foto: privat)

Jugendliche der Rudolf-Steiner-Schule zeigen Theaterstück

Von Lena von Holt

Gröbenzell Während sich die Zwölftklässler im Landkreis gerade im Abiturstress befinden, proben die Schüler der Rudolf-Steiner-Schule in Gröbenzell für eine Theaterinszenierung. Ein Jahr mehr Zeit bleibt den Schülern der Waldorfschule, weil sie im Vergleich zu anderen Schulen noch nach dreizehn statt nach zwölf Jahren Unterricht ihr Abitur machen. Diese Zeit nutzen sie, um mithilfe von Theaterpädagogin Kirsi Talvela das Stück "Vorher/Nachher" von Roland Schimmelpfennig auf die Bühne zu bringen.

Im Unterricht seien es immer die gleichen Schüler, die sich melden oder Verantwortung für Aufgaben übernehmen, findet Hannah Imhoff. Sie ist eine der 28 Schülerinnen und Schüler der zwölften Klasse. Beim Theaterprojekt sei das anders: "Hier bekommt jeder eine Aufgabe", erklärt die 18-Jährige. Beleuchtung, Regie, Programmheft, Bühnenbild - jeder muss zusätzlich zur Rolle auch Verantwortung für eine Aufgabe übernehmen und so seinen Teil zu dem gemeinsamen Projekt beitragen.

Seit Beginn des Schuljahres hatte die Klasse an zwei Nachmittagen in der Woche Theaterunterricht, in den vergangenen vier Wochen hat sie sich dann noch einmal ganz intensiv auf die Vorstellung vorbereitet. Statt für Mathe- oder Englischprüfungen zu pauken, standen in dieser Zeit Theaterübungen auf dem Stundenplan. Im klassischen Frontalunterricht würden einige Schüler untergehen, ist sich Hanna sicher. "Es geht darum, in der Gemeinschaft genügend Raum für den Einzelnen zu finden", meint die 18-Jährige. Beim Theatermachen könnten auch diejenigen ihre Fähigkeiten unter Beweis stellen, die sonst nicht die Chance dazu haben.

Das Theaterstück "Vorher/Nachher" haben sich die Schüler ausgesucht, weil es modern ist und die Probleme der heutigen Gesellschaft aufgreift. Die Vorstellung zeigt keine klassisch stringente Geschichte. Vielmehr ist sie collagenhaft aufgebaut und gewährt dem Zuschauer in unabhängigen Szenen Einblick in die Schicksale einzelner Menschen. Für einen ist es das Aus einer jahrelangen Beziehung, für den anderen die Erwartungen an sich selbst, die nicht erfüllt werden können. Ihnen gemein ist, dass sie vor einer Veränderung stehen. Das passt gut. Schließlich befinden sich auch die Schüler mit ihren 18 Jahren vor einem Wendepunkt im Leben.

Die Klasse wollte kein "positives Friedefreudeeierkuchen" Theater zeigen, sondern einen schonungslosen Blick auf die Gesellschaft werfen. Deshalb werden Umweltkatastrophen in der Inszenierung genauso thematisiert wie die Folgen von Kapitalismus und Industrialisierung für den Menschen. In der Vorstellung steht Schülerin Clara in ihrer Rolle als "Schönheit" auf der Bühne. Die natürliche Schönheit genügt ihr nicht mehr, deshalb schminkt sie sich immer wieder. Am Ende zerbricht die Rolle an den Erwartungen der Gesellschaft sowie an den eigenen. In den prototypisch angelegten Rollen kann sich jeder wiederfinden, findet Hannah. Weil das Stück auch surreale Szenen zeigt, die das Mitdenken der Zuschauer voraussetzen, empfiehlt Hannah, möglichst wach in die Vorstellung zu kommen.

Statt das Werk von Schimmelpfennig eins zu eins zu übernehmen, interpretiert die Klasse es neu und passt es den eigenen Interessen an. So wird aus einem Mann und einer Frau in ihrer Fassung ein lesbisches Pärchen. Immer wieder finden auch fremde Geschichten wie die aus Stephen Chboskys Buch "Das also ist mein Leben" ihren Platz und ergänzen Schimmelpfennigs Stück. So vielschichtig und aufregend die Rollen auf der Bühne sind, so reduziert kommt das Bühnenbild daher: Nur ein Abbild von Jesus, das die Wunden der Menschen symbolisieren soll, springt dem Zuschauer ins Auge.

Auch wenn die Schüler in den vier Wochen keine einzige Matheformel gelernt haben, konnten sie aus dem Projekt dennoch etwas mitnehmen, das in ihrem Leben noch einmal von Bedeutung sein könnte. Nämlich für sich selbst Verantwortung zu übernehmen. Eine Fähigkeit, die einem in keinem Frontalunterricht beigebracht wird.

"Vorher/Nachher" ist am Donnerstag, 17. und Freitag, 18. März im großen Saal der Waldorfschule, Spechtweg 1, zu sehen. Die Vorstellung beginnt jeweils um 19 Uhr.

© SZ vom 17.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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