Fürstenfeldbruck:Brucks erster Corona-Haushalt

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Stadtrat beschließt einstimmig das eingedampfte Zahlenwerk. Offen ist,wie lange Projekte wie Viehmarktplatz oder Eishalle noch weiter verschoben werden müssen. BBV-Fraktionschef Christian Götz nutzt die Debatte für eine Abrechnung

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

In der größten Krise demonstriert der Fürstenfeldbrucker Stadtrat die größtmögliche Geschlossenheit: Der Budgetentwurf fürs laufende Jahr wurde am Dienstag einstimmig beschlossen. Abgesehen von dem im Sommer aufgestellten Nachtragshaushalt ist es der erste reine Corona-Zahlenwerk. In ihren Reden zeigen sich die meisten Fraktionsvorsitzenden vorsichtig optimistisch, dass die Kreisstadt trotz sinkender Steuereinnahmen ohne allzu große Blessuren durch die Pandemie kommt und wichtige Projekte realisiert werden können. Einzig Christian Götz (BBV) will nicht in die für dieses debattierfreudige Gremium ungewöhnliche Harmonie einstimmen. Der BBV-Fraktionsvorsitzende nutzt seine Redezeit für eine Abrechnung mit Oberbürgermeister Erich Raff (CSU) und Christian Stangl (Grüne), seinem Nachfolger seit Mai auf dem Posten des Zweiten Bürgermeisters.

Finanzmanagerin Susanne Moroff

"Dieses Jahr ist alles anders", stellt Susanne Moroff fest. Dank der vorausschauenden Politik, 15 Millionen Euro liquider Mittel in der Kasse, dem Ersatz der Gewerbesteuerausfälle durch Land und Bund sowie Schlüsselzuweisungen auf ungewöhnlich hohem Niveau verfüge man gleichwohl noch über ausreichend Handlungsspielraum. Der freilich werde in den Folgejahren schrumpfen. Denn Bruck hat einige Brocken zu schultern, so auch die mit 35 Millionen Euro kalkulierte Grundschule West. Als "allerletztes Mittel" zur Verbesserung der Einnahmesituation bezeichnet Moroff eine Erhöhung der Hebesätze für Grund- und Gewerbesteuer.

Oberbürgermeister Erich Raff (CSU)

Vor elf Monaten habe man den letzten Haushalt zwar ohne neue Schulden, aber wie gewohnt doch wieder "mit Sorgenfalten verabschiedet", sagt Erich Raff. In der Kreisstadt wird es meist eine Punktlandung, die freilich von der Kommunalaufsicht mit Blick auf eben jene Verschuldung kritisch beäugt wird. Aktuell sei der Spagat noch größer - zwischen der Verantwortung für Einrichtungen und Personal auf der einen und der angestrebten Weiterentwicklung der Stadt auf der anderen Seite. Dies sei zweifellos "der schwierigste Haushalt meiner Amtszeit", so der OB, der gleichwohl auf ein Finanzvolumen von 32 Millionen Euro verweist. Es wird also weiter investiert. Und auch die Ballungsraumzulage wird nicht angetastet. Die aktuelle Nettoneuverschuldung von 7,5 Millionen Euro hält Raff für verkraftbar, zumal es gelungen sei, das Defizit von zunächst 10,9 Millionen auf 1,76 Millionen zu drücken.

Finanzreferent Klaus Wollenberg (FDP)

Premierenredner: Klaus Wollenberg spricht erstmals als Finanzreferent, ... (Foto: Carmen Voxbrunner)

Durch ein "Neujustieren von Stellschrauben durch Stadtrat und Verwaltung" könne es durchaus gelingen, zumindest mittelfristig die finanzielle "Engstelle" zu überwinden, glaubt Klaus Wollenberg (FDP). Die Hausaufgaben habe man gemeinsam gemacht, stellt er zufrieden fest. Nun aber dürfe man mit Blick auf die kommenden Jahre nicht nachlassen. Wollenberg nennt Beispiele für Wunschprojekte, die wegen der ungesicherten Finanzierung aus der Finanzplanung bis 2024 gefallen sind: Eishalle und Viehmarktplatz. Der Finanzreferent rät davon ab, sich zu vieles gleichzeitig vorzunehmen. Möglich sei dies wohl ohnehin nur, wenn die verstärkte und effizientere Ansiedlung von Handwerk, Industrie und Dienstleistung gelinge. Auch die Neuausrichtung städtischer Einrichtungen ist für ihn nicht tabu. Und bei einem Kraftakt sei die Stadt auf die Hilfe kommunaler Partner oder gar auf Fremdkapital angewiesen - der Konversion des Fliegerhorsts.

Andreas Lohde (CSU)

Die Freude von Andreas Lohde über die Schlüsselzuweisungen auf oberbayerischem Rekordniveau (7,9 Millionen Euro) hält sich in Grenzen, sind dies doch "Förderungen des Freistaats für Kommunen, die besonders bedürftig sind". Und darauf, dass man mit gut 86 Millionen Euro Erträgen die diesjährigen Ausgaben nicht decken kann, sondern auf 1,8 Millionen Euro Rücklagen angewiesen ist, kann man nicht wirklich stolz sein. Sorgen bereiten Lohde die sinkenden Gewerbeanmeldungen bei gleichzeitig steigenden Mieten. Er plädiert für forcierte Digitalisierung vor allem an den Schulen, moderate Nachverdichtung, Wohnungsbau und Ansiedlung von Zukunftstechnologie und Gewerbe.

Christian Götz (BBV)

... Christian Götz als Fraktionschef, ... (Foto: Carmen Voxbrunner)

Nachdem mit dem langjährigen SPD-Finanzreferenten Walter Schwarz ein profilierter Raff-Kritiker dem Stadtrat mittlerweile nicht mehr angehört und ein anderer in seinem Ehrenamt verstummt sei (gemeint ist Zweiter Bürgermeister Christian Stangl), nutzt der BBV-Fraktionschef Christian Götz die Gunst der Stunde und die zehnminütige Redezeit für eine Abrechnung mit der Stadtspitze - jenseits jeder Zahlenakrobatik und in bester Fastenpredigermanier. Scheinbar habe sich "die Corona-Käseglocke gnädig über das ein oder andere Fettnäpfchen" gelegt, in das der OB zuvor getreten sei. Zurzeit werde allzu oft ein zu düsteres Bild der Lage gezeichnet, die "fetten Jahre" seien angeblich vorbei. Dabei gerät dann auch mal das Positive aus dem Blick - wie etwa der verhinderte Kahlschlag im Rothschwaiger Forst, für den Götz selbst durch Verhandlungen mit einem Grundbesitzer den Boden bereitet hat. Viel zu viel sei aber wieder verschoben worden. Auch Götz nennt als Beispiel den Viehmarktplatz. Vor allem die externe Vergabe des durchaus rentablen sozialen Wohnungsbau am Sulzbogen sei Beleg für eine verfehlte Stadtpolitik, die der OB zu verantworten habe. Besonders ärgert sich Götz über Stangl, der das alles vor seiner Amtsübernahme immer sehr ähnlich vorgebracht und von "einem strukturellen Problem namens Raff" gesprochen habe - nun aber verstummt sei. Darüber, dass Bruck quasi "auf dem Girokonto" viele Millionen hat, die man nun gut gebrauchen kann, will sich Götz nicht freuen - sei das doch Beleg dafür, "wie wenig entschlossen wir Projekte angehen, allen voran der OB." Sorge bereitet Götz vor allem "die Verlagerung vom Corona-gebeutelten Einzelhandel hin zu Großkonzernen à la Zalando.

Jan Halbauer (Grüne)

Das Geld ist knapp, aber Jan Halbauer warnt davor, die Zukunft buchstäblich kaputtzusparen. Dabei hat er vor allem den Fliegerhorst im Sinn. Den gelte es "zu einem ökologischen Musterstadtteil" zu machen - in Abstimmung mit den Nachbarn, aber nicht in Abhängigkeit von ihnen. Grundsätzlich begrüßt Halbauer es, dass die Stadt trotz knapper Mittel weiter investiert - gerade auf den Feldern Klima, Umwelt und Naturschutz sei das dringend erforderlich und man sei es den Bürgern schuldig, Angebote wie Fahrradparkhaus oder Mobilitätsstationen bereit zu stellen. Halbauer erinnerte daran, dass man unter einem OB Sepp Kellerer noch viel tiefer in der Verschuldung gesteckt hatte.

Markus Droth (Freie Wähler) "Überraschend einvernehmlich" seien die Haushaltsberatungen im Schatten von Corona verlaufen, findet Markus Droth. Da man am Wind nichts ändern könne, gelte es nun, die Segel neu zu setzen - was übertragen wohl bedeutet: neue Schwerpunkte setzen, sparen, wo es geht, aber auch an wichtigen Investitionen festhalten. Stillstand dürfe es auch in der Krise nicht geben, warnte der Fraktionsvorsitzende der Freien Wähler. Akzente wünscht er sich vor allem von der Bauverwaltung, die es zu stärken gelte. Für ein Unding hält er es, dass der aus den Siebzigerjahren stammende Flächennutzungsplan bis heute noch nicht grundlegend überarbeitet wurde.

Philipp Heimerl (SPD)

Wie ein "wütender Zerberus" habe der Finanzreferent darauf geachtet, dass man sich bei Wünschen und Forderungen zurückgehalten habe, sagt Philipp Heimerl. Da schwingt ein bisschen Spott, aber auch Anerkennung mit. Der Wohnungsbau bleibe aber ein wichtiges Feld, ebenso wie der Umbau "auf resiliente und soziale Strukturen". Der Haushalt zeige mit seinen liquiden Mitteln auf den Konten nicht zuletzt, dass man schneller werden müsse. Vor allem aber, dass die Steuereinnahmen zu gering sind. Das Gebot der Stunde: Wirtschaftsbetriebe und Arbeitsplätze ansiedeln und mehr profitieren von der Lage in einer leistungsfähigen Region! Positiv: Mit einer Investitionsquote von fast 23 Prozent liege man nur knapp unter dem bayerischen Schnitt.

Alexa Zierl (ÖDP)

Den Brucker Haushalt vergleicht Alexa Zierl mit einem Wetterbericht, "der stets absolutes Sauwetter vorhersagt, dann aber strahlt die Sonne vom blauen Himmel". Wie bereits in den Vorjahren, so kritisiert Zierl erneut die aus ihrer Sicht übervorsichtige Finanzpolitik und ein "Worst-Case-Szenario". Weil viele Bauprojekte nicht vorankommen, bleibe regelmäßig Geld in der Kasse übrig, das der Stadt dann letztlich aus der Klemme hilft. So hätten sich Ende 2020 29 Millionen Euro "auf dem Girokonto" befunden, mit denen die Schuldenlast reduziert wurde. Zierl glaubt nicht, dass sich der Schuldenberg bis 2024 wirklich auf 60 Millionen Euro summiert. Zudem rechnet sie damit, dass der Risikoaufschlag für die Schule West wegschmelzen wird, je näher der Baubeginn rückt. Statt 35 rechnet sie mit lediglich 26 Millionen Kosten. Zudem gebe es beispielsweise für viele Radverkehrsprojekte stattliche Zuschüsse. Spielraum sieht sie deshalb durchaus noch bei der Umgestaltung der Skateranlage und des Amperufers sowie des Viehmarktplatzes.

Adrian Best (Die Linke/Die Partei)

Adrian Best ist seit einem Jahr Vorsitzender der Subkultur und außerdem parteiloser Stadtrat in Fürstenfeldbruck. (Foto: privat)

"Keine leichte Lektüre" war der mehrere Hundert Seiten dicke Budgetentwurf für Adrian Best. Er warnt davor, gerade soziale Projekte zu stark zu beschneiden und spricht sich ebenfalls ausdrücklich für den Umbau des Skaterparks aus. Es gelte, vorhandene Rücklagen sinnvoll zu nutzen, negative Folgen für die "Corona-Generation" zu vermeiden. "Die Zukunft beginnt jetzt."

© SZ vom 25.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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