Flüchtlinge:Bruck sträubt sich gegen Asylzentrum

Lesezeit: 3 min

Nach Schließung der Münchner Bayernkaserne soll die Erstaufnahmestelle am Fliegerhorst deren Aufgaben übernehmen. Politiker aller Fraktionen lehnen dies ab, weil sie fürchten, dass die Stimmung kippen könnte

Von Stefan Salger, Fürstenfeldbruck

Die Kreisstadt sträubt sich gegen Pläne, die Asylbewerber-Unterkunft am Rande des Fliegerhorsts zu einer vollwertigen Erstaufnahmeeinrichtung auszubauen. Politiker aller Fraktionen fühlen sich übergangen und fürchten, dass eine Kleinstadt wie Bruck mit einer solchen Einrichtung überlastet würde und die Stimmung in der Bevölkerung kippen könnte. Sie pochen auf eine finanzielle Kompensation und fordern von der zuständigen Regierung von Oberbayern eine verbindliche Zusage, dass das Limit von 1600 Bewohnern nicht Schritt für Schritt weiter überzogen wird.

Am Mittwoch erläutert Regierungsvizepräsidentin Maria Els dem Stadtrat den Konzeptentwurf, über den letztlich das Sozialministerium entscheiden muss. Verwaltungseinrichtungen sollen aus der Münchner Bayernkaserne in die früheren Kasernengebäude rund ums ehemalige Unteroffiziersheim verlegt werden. Dann können in Bruck Asylverfahren begleitet werden und medizinische Untersuchungen sowie weitere Verwaltungsarbeiten stattfinden. Die Bayernkaserne muss vom Bezirk Ende des Jahres geräumt werden, weil München dort Wohnungen bauen will.

Werden zusätzliche Einrichtungen in den Gebäuden am Südrand des Fliegerhorsts untergebracht, müssen etwa 700 Betten ausgelagert werden. Deshalb sollen auf den Freiflächen westlich der Unterkunft, Richtung Von-Gravenreuth-Straße, Behelfsbauten in Modulbauweise errichtet oder Wohncontainer aufgestellt werden. Den Wunsch, zwei im Osten ans Unteroffiziersheim angrenzende Gebäudeflügel zu belegen, hatte die Bundeswehr zuvor abgeschlagen. Diese werden weiterhin für das Flugmedizinische Institut benötigt.

Die Regierung hat 40 jeweils mindestens 13 000 Quadratmeter große Liegenschaften in ganz Oberbayern geprüft. Am Ende sei man "bei Fürstenfeldbruck hängengeblieben", so Els. Dies auch deshalb, weil der Fliegerhorst dem Bund gehört und dieser seine Liegenschaften für die Flüchtlingsunterbringung kostenlos zur Verfügung stellt und auch noch für Umbauten bezahlt. Dadurch "wird der Haushalt Bayerns entlastet", räumt die Stellvertreterin von Christoph Hillenbrand freimütig ein.

Pläne, auf dem Gelände des Fliegerhorsts auch bis zu 300 Asylbewerber unterzubringen, die das mehrwöchige Erstaufnahmeverfahren bereits hinter sich haben, wurden mittlerweile fallen gelassen. Dies sei kurzzeitig angedacht gewesen, um die Räumung der belegten Turnhallen im Landkreis zu erleichtern, sei mittlerweile aber "vom Tisch", so Els. Der Standort am Fliegerhorst soll also "eine reine Erstaufnahmeeinrichtung" bleiben. Die Regierungsvizepräsidentin will sich nicht auf eine maximale Nutzungsdauer der Erstaufnahmestelle festlegen - beispielsweise aufs Jahr 2022. Bis dahin will die Bundeswehr endgültig abgezogen sein und die zivile Überplanung des riesigen Militärareals soll umgesetzt werden. Els sichert den Stadträten aber zu, die Nöte und Sorgen ernst zu nehmen und bei den anstehenden Verhandlungen zu berücksichtigen. Dann wird es auch darum gehen, ob der Bezirk die soziale Betreuung der Asylsuchenden ausbaut und möglicherweise die Höchstgrenze von 1600 Personen noch absenkt.

Der Tenor im Stadtrat ist trotz der moderaten Töne eindeutig. Eine "kleine Kreisstadt" könne solche Belastungen viel schwerer schultern als die große Landeshauptstadt, kritisiert Herwig Bahner. Bislang habe Bruck mit Blick auf die Aufnahme von Asylbewerber "nicht rumgezickt", nun aber darf dem CSU-Stadtrat zufolge der Bogen nicht überspannt werden. Dass die angeblich "vorübergehende Einrichtung" für 600 Flüchtlinge (Walter Schwarz, SPD) immer weiter ausgebaut worden ist, lässt bei der Dritten Bürgermeisterin Karin Geißler (Grüne) "das Gefühl aufkeimen, ausgenutzt zu werden". Ähnlich sieht das ihr Parteifreund Christian Stangl, der zusätzliche Container ablehnt und für eine Höchstgrenze von tausend Flüchtlingen plädiert, um eine "Ghettoisierung" zu verhindern. Ulrich Schmetz (SPD) "treibt die Sorge um, dass das positive Klima in unserer Stadt kippen könnte." Eine Erstaufnahmestelle sei wegen der sehr hohen Zahl der dort lebenden Menschen und der hohen Fluktuation ohnehin schon problematischer als eine "normale" Gemeinschaftsunterkunft, pflichtet Willi Dräxler bei. Wenn die Regierung sich schon viel spare durch die Nutzung von Fliegerhorstflächen, dann darf sie dem Integrationsreferenten der BBV zufolge nun nicht geizen. Klaus Wollenberg (FDP) nimmt dies zum Anlass, daran zu erinnern, dass die Stadt nach dem Abzug der Fliegerhorstfeuerwehr für etwa drei Millionen Euro eine zusätzliche Feuerwache nahe der Asylerstaufnahmestelle bauen muss.

Für weiteren Unmut sorgt bei den Stadträten der Umstand, dass bei der Stadt immer noch keine Baugenehmigung für die Asylerstaufnahmestelle eingeholt worden ist und diese deshalb streng genommen "ein Schwarzbau" (Klaus Wollenberg) sei. Els räumt Fehler ein und kündigt an, das erforderliche Verfahren nachzuholen.

© SZ vom 21.04.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: