Fürstenfeldbruck:Biomüll auf Irrwegen

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Papiertüten mit Biomüll am Straßenrand in der Kreisstadt. (Foto: oh)

Küchenabfälle landen im Landkreis immer noch in Papiertüten, die dann hundert Kilometer weit durchs Land gekarrt werden. Umweltschützer wollen eine Tonne einführen und den Rohstoff für die Energiegewinnung nutzen

Von Peter Bierl, Fürstenfeldbruck

Der Bund Naturschutz, der BUND und die Aktion "Das bessere Müllkonzept" fordern vom Landkreis Fürstenfeldbruck die Einführung einer Biomülltonne. Einwände des Abfallwirtschaftsbetriebes (AWB) weisen die drei Verbände zurück: "Das ist ein Boykott gegen Energiewende, Klimaschutz und Gesetzeslage", heißt es in dem offenen Brief an Landrat Thomas Karmasin (CSU) und den Kreistag. Die Experten unterstützen damit Kreisrat Jakob Drexler (UBV) und den Bürgermeister Josef Nefele (parteifrei) aus Egenhofen, die Biomüll und Grüngut komplett sammeln und daraus Energie, Dünger und Kompost gewinnen wollen. "Wenn wir die Energiewende schaffen wollen, müssen wir aktiv werden und nicht bis zum Nimmerleinstag warten", sagt Nefele. Das Landratsamt kündigte an, zu den Vorwürfen Stellung zu nehmen.

In Fürstenfeldbruck werden seit 1992 Papiersäcke für Biomüll ausgeteilt. Diese stehen am Straßenrand, oft zerrissen und aufgeweicht und locken Tiere an. Außerdem kann man nicht alle Speisereste in Papier aufheben. "Soll ich Suppe da rein schütten?", fragt Nefele. Solche Reste würden in die Toilette gekippt und lockten Ungeziefer an. Die Säckchen werden in eine Vergärungsanlage nach Volkenschwang bei Regensburg gekarrt. Die leeren Papiertüten werden zurück in die Müllverbrennungsanlage in Geiselbullach (GfA) gebracht. Schon diesen Transport über etwa 100 Kilometer hält Nefele für ein Unding. Das Grüngut wird seit 1987 an den Wertstoffhöfen angenommen und zu Kompost verarbeitet.

Vor einem Jahr hat der Kreistag beschlossen, dass die Bürger die Säckchen künftig zur Abholung in einem Behälter legen dürfen. Kritiker spotten über ein "Biotönnchen" und halten diese Lösung für unzureichend. Drexler und Nefele wollen, dass Biomüll und Grüngut gesammelt, abgeholt und in einer Anlage im Landkreis verwertet werden. Das sei eine wertvolle Ressource. Allein von den sechs Sportplätzen in seiner Gemeinde mit einer Gesamtfläche von 60 000 Quadratmetern falle eine große Mahd an. Daraus ließe sich Strom, Wärme und Kunstdünger gewinnen. "Die Ressource Phosphat ist in drei Jahrzehnten erschöpft, aus dem Biomüll könnten wir welchen gewinnen", sagt Nefele. Der Bürgermeister von Egenhofen hatte bereits im Herbst 2017 das neue System vorgeschlagen, war aber abgeschmettert worden. Ende August unternahm Nefele einen zweiten Anlauf. Er verweist auf das Kreislaufwirtschaftsgesetz, das für jeden Haushalt in Deutschland eine Biotonne vorsieht, aus Gründen des Arbeitsschutzes mit Rädern. Die Biomülltüten hält er für keine Alternative, schon weil weder Tüten noch "Tönnchen" die zu erwartende Menge erfassen könnten. Nefele stützt sich auf Berechnungen von Josef Seemüller aus Unterschweinbach von der Aktion "Das bessere Müllkonzept". Demnach könnte der Landkreis pro Einwohner mindestens 70 Kilo Biomüll und 70 Kilo Grüngut sammeln. Daraus könnte man jährlich 18 000 Megawattstunden speicherbares Biomethan erzeugen und verkaufen und mit Hilfe effizienter Technik 60 000 Megawattstunden Wärme liefern. Langfristig könnte eine Biogasanlage kostendeckend und gewinnbringend betrieben werden, spätestens bei weiteren Steigerungen der Energiekosten, so der Bürgermeister.

Der AWB antwortete Mitte September: Die Abfälle würden schon verwertet und das vorgeschlagene Biomüllsystem wäre zu teuer, eine Erhöhung der Müllgebühren um 70 bis 129 Prozent "durchaus realistisch". Die Zahlen, die Seemüller vorgelegt hat, hält man beim AWB für nicht nachvollziehbar. BUND, Bund Naturschutz und die Aktion "Das bessere Müllkonzept" beziehen sich in ihrem Brief auf diese Stellungnahme. Sie schreiben, dass die Behandlungskosten für eine Tonne Biomüll in anderen bayerischen Landkreisen bei etwa 70 Euro liegen. Der AWB behauptet hingegen, dass zwischen 60 und 130 Euro fällig würden. Den Hinweis des AWB auf die GfA, wo Restmüll zur lokalen Energieerzeugung genutzt wird, rügen die Verfasser des offenen Briefes als "haarsträubend". Ihren Berechnungen zufolge gehen in Geiselbullach mehr als 200 000 Megawattstunden Wärme ungenutzt verloren. Das entspreche etwa 20 Millionen Liter Erdöl.

Feuchte Küchenabfälle würden mit ihrem niedrigen Heizwert kaum zur Energieerzeugung beitragen, unter Umständen müsse sogar noch Energie zugeführt werden, heißt es weiter. Stattdessen könnte der Landkreis, wenn Grüngut mit verwendet wird, die Menge zur Vergärung in einer Biogasanlage um den Faktor sechs steigern, also von 5000 auf 30 000 Tonnen. Über speicherbares Biomethan lasse sich die Energieeffizienz noch einmal um den Faktor drei erhöhen.

Ein weiteres Argument ist, dass Landwirte auf ihren Feldern extra Mais, Gras und Saaten für ihre Biogasanlagen anbauen. Stattdessen könnten, würden im Landkreis Biomüll und Grüngut eingesammelt und in einer Vergärungsanlage genutzt, auf einer Fläche von 750 Hektar Lebensmittel für 5000 Menschen und Dünger aus Bioabfall für 10 000 Menschen gewonnen werden. Den Dünger könnte man wieder auf den Feldern ausbringen. "Dieser Stoffkreislauf funktioniert ewig, Verbrennen kann man nur einmal", sagen die Umweltexperten.

© SZ vom 17.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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