Fürstenfeldbruck:Bewährungstrafe für Kindesmissbrauch

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58-Jähriger gesteht am zweiten Prozesstag, sich an der damals achtjährigen Nichte vergangen zu haben. Das Opfer hat bis heute psychische Probleme

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Das Geständnis kam spät, aber es kam. Am zweiten Verhandlungstag hat ein 58 Jahre alter Familienvater aus dem Landkreis gestanden, dass er vor rund 20 Jahren im gemeinsamen Urlaub seine damals acht Jahre alte Nichte sexuell missbraucht hat. Ein Richter am Amtsgericht Fürstenfeldbruck verurteilte den Angestellten nun deshalb zu einer einjährigen Haftstrafe, für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Nur einen Tag zuvor hatte ein Brucker Schöffengericht in einem ganz ähnlich gelagerten Fall - allerdings ging es um Tochter und Nichte und um mehrere Fälle - eine zweijährige Bewährungsstrafe ausgesprochen.

Der Angeklagte ist verheiratet und hat einen Sohn. Seine Frau hat zwei Geschwister, einen Bruder und eine Schwester. Damals, als es zu dem Übergriff kam - es muss zwischen 1996 und 1998 gewesen sein, genau lässt sich das nicht mehr nachvollziehen - verbrachten die drei Geschwister mit ihren Ehepartnern und den damals noch kleinen Kinder den Sommerurlaub oft gemeinsam in Italien. An einem Nachmittag nach dem Mittagessen soll der 58-Jährige der Anklage zufolge zu der heute 28 Jahre alten Nichte ins Bett gestiegen sein, sie im Intimbereich gestreichelt und dabei onaniert haben.

Während der Angeklagte am ersten Prozesstag im November alles bestritten und keine weiteren Angaben gemacht hatte, änderte er am Mittwoch seine Strategie und räumte alle ihm zur Last gelegten Vorwürfe ein. Vermutlich hatte ihm sein Verteidiger erläutert, dass ein Geständnis sich strafmildernd auf das Urteil auswirkt . Insbesondere in einem Missbrauchsverfahren, wo es den Opfern die leidvolle Erfahrung ersparen kann, in aller Öffentlichkeit aussagen zu müssen. Je früher das Geständnis, desto besser für die Geschädigten; auch polizeiliche Vernehmungen zu diesem Thema sind gewiss unangenehm.

In diesem Verfahren nun hatte die in Hanau lebende Geschädigte bereits im November aussagen müssen, weil ihr Onkel alles abstritt. Auch hier wieder eine Parallele zu dem am Dienstag zu Ende gegangenen Missbrauchsprozess: Jener Angeklagte hatte ebenfalls alles geleugnet, bis ihn die vielen belastenden Zeugenaussagen am zweiten Prozesstag zu einem Geständnis bewegt hatten. In beiden Verfahren waren den Geschädigten also die peinigenden Vernehmungen vor Gericht nicht erspart geblieben.

Am Mittwoch nun verlas Richter Johann Steigmayer die Aussage der 28-Jährigen vom November. Detailreich schilderte sie damals die Situation in dem Schlafzimmer. Sie war im Ehebett gelegen, die beiden jüngeren Kinder auf einer Matratze am Boden, als der Onkel sich zu ihr legte und begann, sie zu streicheln. Er dachte, sie schlafe. "Ich wollte nicht, dass er weiß, dass ich wach bin. Ich wusste ja nicht, was da passiert", zitierte der Richter. Die Nichte hatte auch gravierende psychische Probleme erwähnt: ein Burnout mit 26 und Schlafstörungen. "Nach der Strafanzeige habe ich endlich wieder schlafen können."

Innerhalb der Familie war der Missbrauch bereits vor circa 15 Jahren bekannt geworden: Die Hanauerin und ihre Cousine, eine weitere Nichte des Angeklagten, hatten beide von solchen Erlebnissen berichtet. (Ein Ermittlungsverfahren wegen Missbrauchs der zweiten Nichte wurde inzwischen eingestellt.) Die Eltern stellten den Angeklagten seinerzeit zur Rede, der leugnete alles. Die bis dahin so eng verbundenen Familien der Geschwister sahen sich kaum noch. Aus Briefen, die die Frau des Angeklagten ihrer Schwester, der Mutter des Opfers, schon vor Jahren geschrieben hatte, las der Vorsitzende vor: "Er hat alles zugegeben", und sie hoffe, die Familie könne ihm irgendwann einmal verzeihen. In dem Schreiben zeigte sich auch die große Angst der Ehefrau davor, ihr Sohn könne von den Vorfällen erfahren. Wie der Verteidiger vor Gericht erläuterte, ist dies inzwischen geschehen. Der 25-Jährige habe sich zeitweise vom Vater abgewendet, ebenso die Ehefrau, schilderte er, während sic h sein Mandant mit einem Taschentuch die Tränen aus den Augenwinkeln wischte. "Das hat unsere Ehe sehr belastet", nuschelte dieser. Nun versuche man die Beziehung zu kitten.

Mit seinem Urteil folgte der Richter dem Antrag der Staatsanwältin. Die hielt dem Angeklagten vor, "dass die Geschädigte immer noch unter der Tat leidet". "Wir hatten bereits eine Hauptverhandlung durchführen müssen", rügte Steigmayer das späte Geständnis, "das war keine einfache Vernehmung, für die Geschädigte erst recht nicht." Er verhängte 2000 Euro Geldbuße und legte dem Angeklagten eine Sexualtherapie auf.

© SZ vom 21.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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