Fürstenfeldbruck:Besondere Stadtführung

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Dieter Schramm (links) informiert die Mitfahrer über Spielsucht. (Foto: Günther Reger)

Caritas-Mitarbeiterin zeigt soziale Brennpunkte und Hilfsprojekte

Von Ariane Lindenbach, Fürstenfeldbruck

Armut, Alter, Scheidung, Spielsucht oder Obdachlosigkeit - es gibt viele Faktoren, die Menschen an den Rand der Gesellschaft drängen. Die meisten sind Tabuthemen: Keiner möchte gerne darüber reden, dass er Pfandflaschen sammeln geht, um sich am Ende des Monats noch etwas zu essen kaufen zu können oder dass er Schweißausbrüche bekommt, wenn er nicht zweimal in der Woche an einem Spielautomaten sitzt. Solche Tabus aufzulösen, das haben sich die Mitarbeiter von Caritas und Diakonie zur Aufgabe gemacht. Im Rahmen des ersten Ökumenischen Kirchentages haben die Wohlfahrtsverbände am Samstagvormittag zu einer Stadtrundfahrt eingeladen.

Der Titel "Soziale Brennpunkte und Lichtblicke" hatte gut 50 Teilnehmer angelockt, etwa die Hälfte hatte sich zuvor angemeldet. "Wir wollten ein bisschen das Flair des Kirchentags", deshalb habe man bewusst auch spontane Mitfahrer zugelassen, erklärte Heidi Schaitl von der Caritas. Wenn der Bus dann zu voll gewesen wäre, hätten die zuletzt Gekommenen eben auf die Teilnahme verzichten müssen. Es passte aber perfekt: Der Bus war fast komplett besetzt und keiner musste wieder nach Hause geschickt werden. Die für drei Stunden angesetzte Fahrt in einem Reisebus führte durch die ganze Stadt Fürstenfeldbruck, vom Asylbewerberwohnheim bis zur Schuldnerberatung. Es wurden aber auch positive Einrichtungen angefahren, etwa das sozialökologische Projekt "Fürstenacker" oder die Wohnberatung der Diakonie für Ältere und Menschen mit Behinderung.

Die erste Station war die Asylunterkunft am Hardtanger, wo zwei Flüchtlinge aus Eritrea in einem kurzen Interview von ihrer Flucht und dem Leben hier berichteten. Vor allem in Libyen sei es sehr schwierig gewesen. Der eine verbrachte dort ein Jahr, der andere drei Monate. Beide waren zeitweise im Gefängnis oder in den Händen der Mafia, erfuhren Gewalt. Wie Bernd Hein vom Kreis der Asylhelfer erläuterte, herrscht in ihrer Heimat seit 20 Jahren Krieg, die Verhältnisse dort seien für uns unvorstellbar. Beide hätten viel Schlimmes auf ihrem Weg nach Deutschland erlebt, über das sie aber nicht sprechen wollen. Sie seien so froh und dankbar, nun in einem demokratischen, freien Land wie Deutschland leben zu dürfen und so viele nette und hilfsbereite Menschen kennenzulernen, beteuerten die Beiden.

Da sich gegenüber der Containeranlage ein Spielcasino befindet, wies Dieter Schramm von der Caritas-Suchtberatung auf die wachsende Zahl von Spielsüchtigen hin. "Mit einer steigenden Zahl von Spielcasinos gibt es auch mehr Spielsüchtige." Aufklärung sei hier die beste Prävention, am besten sollten schon Kinder und Jugendliche über die Gefahren von Spielautomaten aufgeklärt werden, empfahl er. Zudem wüssten viele nicht, dass es Hilfsangebote wie die Beratungsstelle gebe.

Auf dem Weg zur Obdachlosenhilfe Kap der Caritas erläuterte Katharina Weyer von der Stadt Fürstenfeldbruck die Idee der Fürstenacker: Das Prinzip ist ähnlich wie bei den Sonnenäckern, nur dass die ersten speziell für Menschen mit wenig Geld und ohne Garten oder Balkon gedacht sind. "Es kann jeder mitmachen, der Spaß am Gärtnern hat", warb Weyer für das kostenlose Angebote, über das man sich unter www.fuerstenacker.de informieren kann.

In der Kap in der Kapuzinerstraße können Menschen unterkommen, wenn sie ihre Wohnung verloren haben. Dort gibt es vier Zimmer mit je zwei Betten. Zurzeit lebt dort ein polnisches Ehepaar, dem die Papiere geklaut wurden. Daraufhin verloren sie Arbeit und Wohnung. Nun müssten sie alles wieder über das Konsulat beantragen, aber das dauere sehr lang, erklärte der Mann. Er dankte für die Unterstützung seitens der Kap-Mitarbeiter und überhaupt der Möglichkeit dort zu leben. Denn wie Schaitl ausführte, bietet die Stadt München Wohnungslosen zwar viele Angebote an. Doch Übernachtungsmöglichkeiten für Paare gebe es nicht. Generell ist die Lage auf dem, Wohnungsmarkt Schaitl zufolge im Landkreis ähnlich angespannt wie in München. 2014 gründeten Awo und Caritas die vom Landkreis finanzierte Fachstelle Wohnen; sie wurde von 600 Hilfesuchenden aufgesucht.

© SZ vom 22.06.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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