Fürstenfeldbruck:Befreiung auf Papier

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Ihre Ängste malen sich die Kinder in der Sprechstunde in Augsburg von der Seele. In einer Ausstellung im Landratsamt sind die Werke zu sehen. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Die Schau "Kindersprechstunde" zeigt Werke von Kindern kranker Eltern

Von Lisa Severin, Fürstenfeldbruck

Die Kinderzeichnungen im Foyer des Landratsamtes Fürstenfeldbruck sind bunt, aber alles andere als fröhlich. Es ist eine besondere Ausstellung mit dem Titel "Kindersprechstunde", die nur kurze Zeit zu sehen ist. Das Besondere an der Kunst: Ein einziger Blick genügt nicht, um die Bildsprache zu verstehen, man muss ein Bild lesen, um das Werk des Künstlers begreifen. Die sehr unterschiedlichen Bilder stammen von Kindern, die eine etwas andere Lebensgeschichte mit sich tragen. Es sind Kinder, deren Eltern einer schwerwiegenden psychischen Belastung ausgesetzt sind.

"Wenn Eltern an einer psychischen Erkrankung leiden, sind besonders die Kinder davon betroffen," sagt Melanie Huml, die bayerische Gesundheitsministerin. Sie ist für die von den jungen Menschen gezeichneten Kunstwerke mitverantwortlich und leitet die Kampagne. Der Hintergrund: Der 2015 aufgestellte bayrische Kindergesundheitsbericht hat gezeigt, dass es den meisten Kindern und Jugendlichen in Bayern gut geht.

Dennoch kann dem Bericht auch entnommen werden, dass etliche Kinder Unterstützung brauchen, wenn es darum geht, friedlich und gesund aufzuwachsen. Schon seit ein paar Jahren gibt es die Möglichkeit für Kinder, die in einer labilen Familie aufwachsen, eine Kindersprechstunde zu besuchen. "Es sind eigentlich immer die Erkrankten selbst, die in eine Sprechstunde kommen können, aber selten, die Menschen, die auch mit betroffen sind", erklärt Isabella Knall, Diplom Sozialpädagogin in Fürstenfeldbruck.

Die vielseitigen Bilder, die bis Montag, 20. März, besichtigt werden können und barrierefrei zugänglich sind, entstanden im Rahmen der Kindersprechstunde des Bezirkkrankenhauses Augsburg. Sie befinden sich im Besitz des bayrischen Zentrums für Prävention und Gesundheitsförderung und werden nun im zehntägigen Rhythmus in verschiedenen Städten Bayerns ausgestellt. So kam die Wanderausstellung zuletzt aus Günzburg.

"Jedes Bild berührt," sagt Isabella Knall. Diese Art von Vernetzung habe es in der Art noch nicht gegeben. "Die Eltern werden ärztlich versorgt, während ihre Kinder in der Sprechstunde betreut werden und auch mal in den Mittelpunkt treten können." Durch das Malen von Bildern drücken sie ihre Gefühle aus: Der Fantasie und vor allem auch ihren Ängsten können sie freien Lauf lassen. Manche äußern ihren Schmerz in grellen und giftigen Farben, ein Kind zeichnet das Zentrum des Rechtecks aus Papier vollkommen schwarz. Jedes Kind fühle anders und äußere dies unterschiedlich auf einem weißen Blatt Papier. "Heute sind es rund drei Millionen Kinder in Deutschland, die im Verlauf eines Jahres einen Elternteil mit einer psychischen Störung erleben," sagt Knall. Das ist eine hohe Zahl. Auch die Weite des Begriffes "psychische Erkrankung" ist nur schwer einzugrenzen. "Angefangen von einer leichten Depression bis hin zu hirnorganischen Psychosen, ausgelöst durch Alkohol oder Drogen, zählt sehr viel zum Terminus der psychischen Erkrankung. Auch Fälle, wie etwa Schizophrenie kommen hinzu."

Die meisten Erkrankungen der Eltern, mit denen die Kinder belastet sind, seien Depression, Sucht sowie Persönlichkeits- und Angststörungen. Die kindergerechte Sprechstunde in Augsburg sei noch relativ jung. Nur vereinzelt findet man derart ähnliche Angebote in Deutschland. "Es ist eine sehr wichtige Angelegenheit. Wir hoffen, dass sich viele Menschen die Ausstellung ansehen und auch zu Herzen nehmen," sagt Isabella Knall.

In Fürstenfeldbruck gibt es seit eineinhalb Jahren ein ähnliches Konzept, das auf das Wohlbefinden der Jüngsten in den Mittelpunkt stellt. Alle Kinder im Alter von acht bis zwölf Jahren, deren Eltern von einer psychischen Erkrankung oder abhängig sind, können in einer Gruppe über ihre Empfindungen und alltäglichen Herausforderungen sprechen. Das Projekt nennt sich "Kinderleicht mit Trampolin" und wird von Fachkräften der ökumenischen Beratungsstelle für Eltern, Kinder und Jugendliche, dem sozialpsychiatrischen Dienst im Caritas-Zentrum und der Fachambulanz für Suchterkrankungen im Caritas-Zentrum geleitet. Kinder dürfen und sollen sich mitteilen.

"Kindersprechstunde" im Landratsamtsfoyer, Eintritt frei, Montag bis Donnerstag 8 bis 18 Uhr, Freitag 8 bis 16 Uhr

© SZ vom 15.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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