Fürstenfeldbruck:Bayerisches Wesen

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Thomas Grasberger hat drei Bücher über die Bayern geschrieben. Bei allem Humor spricht aus ihnen einen liebevolle Zuneigung. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Unterhaltsame Lesung in Fürstenfeld

Von Henning Vetter, Fürstenfeldbruck

Er ist ein freundlicher Mensch. Thomas Grasberger tritt ganz ohne Allüren auf mit seinem Holzfällerhemd, dessen Ärmel ein bisschen nach oben gekrempelt sind. Ein Bayer ist er und über die Bayern schreibt er. Drei Bände sind in den letzten vier Jahren erschienen, jeweils mit einem Aspekt des deutschen Südens. Der Grant, der Stenz und der Flins. Diese drei Bücher zur Ergründung des bayerischen Wesens waren Gegenstand seiner Lesung im mit rund 100 Zuhörern gut gefüllten Säulensaal des Veranstaltungsforums. Es war zugleich der Auftakt zur dritten Saison der Reihe "Literatur in Fürstenfeldbruck".

Der Grant, das ist der Blues des Südens, so vermittelt es der Buchtitel. Eine Urbefindlichkeit des Bayern sei er, weit mehr als eine bloße Haltung, ja vielmehr angewandte bayerische Philosophie. "Pessimismus oder der Grant als Stufe der Reife", heißt eine Unterüberschrift in dem 2012 erschienenen Buch. Thomas Grasberger erklärt das an dem Beispiel des Satzes "Ja mei, es hilft ja eh nix." Es ist die notwendige Antwort auf die Frage nach der Befindlichkeit des Gegenübers, um zu vermitteln, dass das Schicksal unumstößlich ist und es zudem auch nichts am Leben gibt, durch das es einem gut gehen könnte. Das ist wirklich bayerisch-philosophisch und tief schürfend, umso mehr, wenn es der Grant schafft, all den Weltschmerz mit einem knappen "Ja mei, es hilft ja eh nix" zum Ausdruck zu bringen. "Er geht an den Rand des Dunkels. Dabei ist er am Ende gar nicht so pessimistisch, sondern bewahrt Größe und Haltung, auch im Angesicht des Dunkels", referiert der Autor. "Denn wo ein Dunkel ist, ist auch ein Helles", schließt er seine Betrachtung.

Das Bild, das Grasberger zeichnet, ist humorvoll und doch erkennt man in der Beschreibung die liebevolle Zuneigung, die der 52-jährige Autor für das bayerische Wesen hegt. Oft nimmt er Sätze auseinander und führt sie ad absurdum. Diese Art des Besserwissertums ist zwar vielleicht nicht jedermanns Humor, aber sie passt zum Bild, das er zeichnen möchte. Er ist ein grummliger, hinter der pessimistischen Fassade jedoch lebensbejahender Typ Mensch. Er lebt nicht drauflos, sondern ist von Grund auf skeptisch. Es ist der Xaverl, der nach langem Schweigen dem Resl gesteht "I red ni gern", unbeholfen und vielleicht gerade deshalb liebenswürdig. Es ist der Bazi, Hallodri, Strizi und Pharisäer.

Nach jedem gelesenen Kapitel gibt es ein musikalisches Intermezzo. Das Duo aus Akkordeon und Gitarre, in manchen Fällen Kontrabass, spielt bayerische Volksmusik. Die Stücke kommentieren das Gelesene humorvoll, nachdenklich oder grotesk. Bayerisch eben.

Es folgen die Komplexe Liebe und Erotik - Stenz genannt - und Flins. "Der Flins ist etwas mehr oder weniger wertvolles. Es blendet und verblendet", so die abermals philosophische Definition. Danach wird Grasberger etwas allgemeiner: "In Bayern geht es oft um das Geld" und "es gibt solche und solche." Mit zunehmender Dauer flaut die etwas Lesung ab. Viele Anreihungen von Zitaten aus vergangenen Jahrhunderten, hier und da eine harmlose Spitze gegen die CSU: "In Bayern gibt es viele Stenze, manche werden sogar Könige oder Ministerpräsidenten." Schließlich noch ein Ratgeber zum Grantl und zum Stenz, von welchem Tipp 11 und 17 vorgetragen werden. Die raten unter anderem zum Besuch der Wiesn - "gehen's aufs Ganze, gehen's auf die Wiesn" - und eines Kochkurses - "Wer kocht, der kocht bald auch ein."

Die Zitate, Ratgeber und Anekdoten nehmen der Lesung in ihrer Fülle allerdings etwas die Struktur. Aber fast immer, wenn Grasberger anfängt, selbst zu beschreiben und Worte zu sezieren, wird das Bild des Bayern wieder deutlich und vielschichtig. Dabei geht auch der Witz nicht verloren, denn den hat er unbestritten.

© SZ vom 24.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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