Fürstenfeldbruck:Außenpolitik zum Ascherdonnerstag

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Birgit Thomann (von links) mit Gastredner Rainer Stinner und Hendrik Grallert. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Bei seinem Streifzug durch die Weltpolitik bezeichnet der FDP-Politiker Rainer Stinner den SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz als "Segen für Deutschland"

Von Karl-Wilhelm Götte, Fürstenfeldbruck

Fischessen am "Ascherdonnerstag" hat der Kreisverband der FDP seine Veranstaltung im Brucker Hotel "Post" getauft, die sich mit Außenpolitik beschäftigte. Redner Rainer Stinner streifte bei seiner Tour durch die Welt sämtliche Problem- und Konfliktfelder. Der ehemalige Bundestagsabgeordnete erwies sich als profunder Kenner außenpolitischer Prozesse. Bei einem innenpolitischen Schlenker bezeichnete der Liberale den SPD-Kanzlerkandidaten Martin Schulz als "Segen für Deutschland".

Das ließ die FDP-Mitglieder unter den 15 Besuchern etwas erstaunt raunen. Doch Stinner erklärte sich sofort. "Ich wähle ihn nicht, aber wir bekommen mit Schulz endlich wieder einen richtigen Wahlkampf." Die CDU habe auf Schulz bisher keinerlei Antwort gefunden. Kanzlerin Angela Merkel habe ihren Zenit überschritten. "Für einen Neuanfang ist sie nicht die richtige Person", meinte Stinner. Der FDP riet der 69-jährige Politiker, sich wieder um Steuerpolitik zu kümmern. Er kritisierte, dass bereits Arbeitnehmer, die um die 4000 Euro brutto monatlich verdienten, in die höchste Progression fallen würden. Laut Stinner sollte der Betrag für den Spitzensteuersatz von jährlich 52 000 auf 80 000 Euro angehoben werden.

Nach dem Brexitvotum der Briten plädierte der Redner dafür, die Briten nicht zu bestrafen. Auch gegenüber dem neuen US-Präsidenten Donald Trump sollten Deutschland und Europa nicht mit dem moralischen Zeigefinger agieren. In Sachen Mauerbau verwies er auf die neun Meter hohen Zäune der spanischen Exklaven Melilla und Ceuta an der marokkanischen Mittelmeerküste zum Schutz vor afrikanischen Flüchtlingen. "Wir zahlen auch die Türkeimauer an der syrischen Grenze", so Stinner. China betrachtete er als den künftigen großen Player in der Weltpolitik. Der FDP-Politiker sagte überzeugt: "Die Kündigung des transpazifischen Handelsabkommens TCP durch Trump hat China voll in die Karten gespielt." China werde seine ökonomische Einflusssphäre in Asien und über die neue Seidenstraße nach Europa weiter vergrößern. Dort habe China mit neuen Eisenbahnstrecken eine Transportalternative nach Europa geschaffen. Schon jetzt erreiche alle vier Tage ein chinesischer Zug Duisburg.

Stinner sieht, was das weltwirtschaftliche Gleichgewicht anbetrifft, auch Deutschland in der Verantwortung. Die dauerhaft hohen Exportüberschüsse würden zu Verwerfungen führen. Der Politiker ist sich sicher: "Die anderen Länder zahlen die Importe durch Schulden." Er kritisierte die Subventionierung der EU-Agrarexporte nach Afrika und forderte mehr Importe nach Deutschland. Das könne durch große Infrastrukturprojekte in Deutschland geschehen, von denen andere Länder profitierten. Der EU empfahl Stinner einen Neustart. Dann könnte man mit Europa in einer multipolaren Welt "ein Pfund auf die Waage legen". An einen Bundesstaat Europa glaubt Stinner nicht. Er wandte sich gegen den überall auftretenden Nationalismus, meinte aber, dass "die Nation für die Menschen mit gemeinsamer Sprache und Kultur immer noch ein identitätsstiftendes Merkmal" ist.

© SZ vom 04.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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