Fürstenfeldbruck:Ausgepowert

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Leere Übungsräume, ungewisse Aussichten: Vier Betreiber von Fitnessstudios erzählen, wie sie durch die Pandemie kommen. Von der Politik erwarten sie nicht viel, ihr Überleben verdanken sie den Kunden, die weiterhin Beiträge bezahlen

Von Sabrina Jansen, Fürstenfeldbruck

Kurzzeitig durften die Fitnessstudios im Sommer wieder ihre Türen für Sportbegeisterte öffnen. Doch seit November herrscht gähnende Leere in Muckibuden und Wellnessoasen. Die Fixkosten müssen die Betreiber der Studios trotzdem decken. Vier Fitnessstudio-Betreiber aus Fürstenfeldbruck und Umgebung schildern ihre Situation im zweiten Lockdown.

Allein im eigenen Fitnessstudio: Evelyn Lemberski von Mrs.Sporty in Fürstenfeldbruck. (Foto: Günther Reger)

Auch im Landkreis haben die Betreiber von Fitnessstudios mit den Auswirkungen der pandemiebedingten Schließungen zu kämpfen. Evelyn Lemberski ist erst seit zwei Jahren in der Branche tätig und betreibt den "Mrs. Sporty Club" in Fürstenfeldbruck. Von ihrem Bürojob im Online-Marketing hatte die 41-Jährige genug. Sie wollte ihrer großen Leidenschaft, dem Sport, auch beruflich nachgehen. "Ich war mein ganzes Leben lang schon bewegungssüchtig", erzählt sie. Ihren Start in die Fitnessbranche habe sie sich aber ganz anders vorgestellt. Im Gegensatz zu Lemberksi ist Heiko Schneider nach 14 Jahren bereits ein alter Hase im Geschäft. Als gelernter Vertriebsleiter arbeitet er heute als Geschäftsführer des "Le Studio"-Sportsclubs in Puchheim. Auf den rund 150 Quadratmetern seines Studios können normalerweise bis zu 20 Leute gleichzeitig schwitzen, doch seit mehr als fünf Monaten bleibt das Studio geschlossen.

Schneider und Lemberski bieten vorerst Online-Kurse an. Ihre Mitglieder können entweder live gemeinsam mit dem Trainer oder der Trainerin üben oder später die Aufzeichnung verfolgen. Doch besonders für ihre betagteren Kundinnen seien die Online-Kurse eher schwierig, erzählt Lemberski. Deshalb möchte sie Personal-Training im Freien anbieten. Dabei trifft sich jeweils eine Trainerin mit einer Kundin an einem Ort ihrer Wahl, und die beiden trainieren dann zusammen, erklärt Lemberski. Schneider versucht ebenfalls, seinen Mitgliedern das Training in den eigenen vier Wänden etwas abwechslungsreicher zu gestalten und verleiht daher Fitnessgeräte wie Langhanteln und Aerobic Stepper. Sogar 25 Indoor Cycling Bikes habe der 52-Jährige mit dem Sprinter ausgefahren, erzählt er. "Ich dachte mir: Wie sollen die Leute denn ihren Sport ohne das richtige Equipment machen? Außerdem sind die Preise für Fitnessgeräte während Corona regelrecht explodiert. Deswegen biete ich den Verleihservice an."

Heiko Schneider vom Le Studio in Puchheim. (Foto: Günther Reger)

Die Mitglieder halten die Fitnessstudiobesitzer in der Corona-Zeit über Wasser. "Dass es uns noch gibt, liegt nur daran, dass die Hälfte unserer Mitglieder noch ihre Beiträge zahlt", erklärt Benjamin Dasch. Der 31-Jährige ist Franchise-Partner und besitzt mehrere Studios, unter anderem das Bodystreet in Olching. Die Fixkosten für seine zehn Studios belaufen sich dabei auf 150 000 Euro. Er ist dabei vor allem auf Mitgliedsbeiträge angewiesen, um diese Summe bezahlen zu können. Dabei arbeiten er und andere Studiobetreiber mit einem Gutschein-Prinzip. So auch Anna Klinke im Hardy's. Ihre Familie betreibt mehrere Studios, zwei davon befinden sich in Fürstenfeldbruck. "Der Beitrag wird trotz Schließung bei den Mitgliedern abgebucht, damit wir weiterhin liquide bleiben können", erklärt die 29-jährige Geschäftsführerin. "Sonst hätten wir schon nach zwei Monaten keine Gehälter mehr zahlen können. Die Mitglieder geben uns sozusagen einen Kredit, bis die Hilfen von der Regierung kommen. Wenn wir wieder öffnen dürfen, bekommen die Mitglieder dann Freimonate von uns."

Seit Februar können Unternehmen und Selbständige, die wegen der Pandemie mindestens 30 Prozent weniger Umsatz im Vergleich zum Vorjahr gemacht haben, die Corona-Überbrückungshilfe III beim Bundesfinanzministerium beantragen. Dazu zählen auch Fitnessstudiobetreiber. Doch die Hilfe dauert zu lang, erklärt Schneider. "Wir müssen zwei Monate in Vorauszahlung gehen. Die Hilfe vom November kam am 25. Januar und die vom Dezember erst Ende Februar." Noch dazu seien die Zahlungen durch Betrugsversuche vorerst vollständig eingefroren. Besonders für kleinere und neue Studios sei diese Zeit besonders schwer. "Man hangelt sich von Monat zu Monat und steht kurz vor der Zahlungsunfähigkeit", sagt Schneider.

Anna Klinke vom Hardy's ist derzeit selten im Trainingsanzug zu sehen. Sie studiert Pläne für den Umbau des Gebäudes. (Foto: Carmen Voxbrunner)

Sie seien größtenteils auf das Verständnis der Mitglieder angewiesen, stimmt Lemberski ihm zu. "Wenn sie es sich leisten können, zahlen die Leute trotzdem noch die Beiträge. Aber durch Corona müssen viele jetzt den Gürtel einfach enger schnüren." Die Fixkosten, Miete, Personalkosten, Lizenzen, Gema-Gebühren, all das müssten Fitnessstudiobetreiber auch während Corona stemmen. "Und dadurch, dass ich relativ neu in der Branche bin, hab ich nicht viele Rücklagen und kann nicht in Vorkasse gehen", erklärt Lemberski. "Auf die Beiträge kann ich einfach nicht verzichten."

Öffnen dürfen die vier Betreiber noch nicht. Bei einer Inzidenz unter 50 darf der kontaktfreie Sport im Innenbereich wieder aufgenommen werden. Bei Werten zwischen 50 und 100 müssen Teilnehmer einen tagesaktuellen negativen Corona-Test vorweisen. Schneider glaubt jedoch nicht, dass bei der Eröffnung sofort viele Mitglieder kommen werden. "Im Sommer haben wir während der Öffnungen gerade einmal fünf neue Verträge abgeschlossen, normalerweise sind es 30 bis 35. Noch dazu hatten wir jetzt während der Hochsaison von Oktober bis März geschlossen. Die Leute werden nicht reinstürmen und schreien: Hurra, hier bin ich. Wo darf ich unterschreiben?" Lemberski hingegen ist sich sicher, dass der Ansturm groß wird. "Letztes Jahr haben sie uns die Bude gestürmt." Außerdem müssen die ganzen Krankheiten, die durch und während des Lockdowns, beispielsweise durch Bewegungsmangel, entstanden sind, behandelt werden. Daher sei die Fitnessbranche durch die Corona-Pandemie eigentlich noch mehr gefragt als sonst. Dasch verweist zudem auf die gut durchdachten Hygiene-Konzepte in den einzelnen Studios.

Das Bodystreet habe Luftentkeimungsanlagen installieren lassen, die die Luft zu 95 Prozent filtern können. "Unser Hygiene-Konzept würde einwandfrei funktionieren; und ich glaube, unsere Mitglieder sehen das auch so." Von der Testpflicht für die Mitglieder hält der 31-Jährige hingegen nichts. "Das wäre der Todesstoß für unsere Branche."

Von der Regierung hätten sich die Betreiber mehr branchenspezifische Unterstützung erhofft. "Die Regierung hat noch nicht begriffen, wie wichtig Fitness für die Gesellschaft ist. Das Immunsystem wird gestärkt, die Leute werden nicht so schnell krank, wenn sie regelmäßig Sport treiben", erklärt Klinke vom Hardy's Fitness in Fürstenfeldbruck. Auch Dasch fühlt sich im Stich gelassen. "Wir sind eigentlich da, um den Leuten den Gang zum Physiotherapeuten oder Arzt zu ersparen. Wir gehören in die Gesundheitsbranche, nicht in die Unterhaltung. Aber wir werden hier mit Bordell-Betrieben in die gleiche Gruppe gesteckt."

Für die Zukunft erhoffen sich die Betreiber mehr Unterstützung und können es kaum erwarten, dass sie wieder öffnen dürfen. "Es soll zumindest wieder so werden wie letztes Jahr im Sommer", hofft Lemberski. "Eines darf man nämlich nicht vergessen: In Sachen Gesundheit ist Sport nämlich nicht das Problem, sondern eigentlich die Lösung."

© SZ vom 14.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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