Fürstenfeldbruck:Auseinandersetzung mit dem Selbst

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Die aktuelle Ausstellung im Haus 10 zeigt Werke von drei jungen Künstlern, die sich mit der Frage der Leibhaftigkeit und des Bewusstseins beschäftigen

Von Florian J. Haamann, Fürstenfeldbruck

Es ist ein Thema, wie es besser nicht auf das Gelände eines ehemaligen Klosters passen könnte: Leibhaftigkeit. Ist es doch ein Begriff, der im religiösen Sprachgebrauch immer wieder auftaucht: Der Teufel wird "Der Leibhaftige" genannt, nicht selten heißt es auch "der leibhaftige Tod". Aber während der Leib und die Leibhaftigkeit, also der Besitz eines Körpers und das Bewusstsein darüber, im christlichen Kontext eher negativ konnotiert sind, spielt der Begriff im Sinne des Bewusstseins des eigenen Selbst in der Philosophie eine wichtige Rolle in der Entwicklung des "Selbstbewusstseins" und damit der Definition des Menschen als eigenständiges Individuum. In diesem Sinne arbeiten die drei jungen Künstler Shirley Cho, Jonas Ried und Sang Yong Lee, deren Werke in der aktuellen Ausstellung im Haus 10 zu sehen sind. Konkret orientieren sie sich ander Philosophie Gernot Böhmes, der den Leib als "die Natur, die wir selbst sind" definiert.

Mit seinen Spiegelbildern schafft es Sang Yong Lee, den Betrachter mit jedem Werk an sein eigenes Bewusstsein zu erinnern. Er zeigt eine Reihe von Porträts großer Künstler wie Ai Weiwei, Rembrandt, Picasso und Dali. Dabei sind die Bilder per Laser auf Spiegel gedruckt, allerdings nicht flächendeckend, sondern in Form eines Musters. Durch diese Lücken sieht sich der Betrachter selbst in dem Kunstwerk, er ergänzt das Gesicht des Gezeigten. Das Werk wird also erst durch die Anwesenheit des Betrachters komplett, es ändert sich je nach Blickwinkel und Person. Dazu kommt, dass das Muster immer Bezug zum gezeigten Motiv hat, meist subtil, teilweise deutlicher. Etwa in einer Fotografie von Cindy Shermann, auf der die Porträtierte einen honigfarbenen Pullover trägt - das Bild besteht aus vielen kleinen Waben.

Spielerisch und gleichzeitig filigran sind die Werke von Shirley Cho. So stellt sie einen Besenstiel aus, auf dessen Spitze eine kleine Porzellanmütze sitzt, daneben liegt ein Handbesen auf der Heizung, in dessen Haare ein Porzellanei gelegt ist. "Ich stelle mir vor, was mit den Gegenständen passiert, wenn ich nicht da bin. Für mich hat jedes Objekt eine Seele, nichts ist nur funktional", so die Künstlerin. Verbunden werden die beiden Pole bei ihr in einer Kletterwand, deren Griffe nicht aus Plastik sondern wieder aus Porzellan sind. Der Betrachter ist versucht die Elemente zu berühren, zu klettern. Und doch entsteht durch das Material und die Tatsache, dass es sich um ein Kunstwerk handelt, eine Barriere, die alle Interaktion verhindert. Zugleich stellt sie mit ihren Werken Erinnerungen an ihre frühen Kindheitstage dar, die über das Material förmlich greifbar werden.

Bäume als Symbol des Leibes verwendet Jonas Ried in zwei Skulpturen, die er in der Ausstellung zeigt. Beide zeigen jeweils einen jungen Baum, dessen Rinde abgeschält ist, die also auf sein Skelett reduziert ist, allen Volumens seines Körpers beraubt. Statt dessen sind an den dünnen Stämmen mehrere dicke Scheiben großer alter Bäume befestigt. Sie erzählen mit ihren Jahresringen die Geschichte des Alterns, wirken gesetzt, zufrieden.

Es sind also interessante Perspektiven, die die drei Künstler, die sich von der Stuttgarter Kunstakademie kennen, in ihren präsentierten Werken aufzeigen. Und die auch funktionieren und den Betrachter berühren, wenn er sich nicht mit den philosophischen Grundlagen und den großen Fragen, die dahinter stehen und auf die sie eingehen, beschäftigt hat.

Ausstellung "Leibhaftig" mit Werken von Shirley Cho, Jonas Ried und Sang Yong Lee im Haus 10. Vernssage am Freitag, 13. Mai, von 19.30 Uhr an. Danach zu sehen bis z um 29. Mai, jeweils freitags von 16 bis 18 Uhr und samstags und sonntags von 10 bis 10 Uhr.

© SZ vom 12.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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